Kritik: Doch das Böse gibt es nicht
Ein langer Film über das Töten
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Der Film ist in vier Episoden eingeteilt, deren Dreh- und Angelpunkt die Todesstrafe im Iran ist. Wir begegnen keinen Verurteilten, erleben jedoch das soziale Geflecht um die Hinrichtung herum. Henker sind traumatisiert, Angehörige erschüttert und alleingelassen, Mithelfer werden gezwungen, Widerstand wird sanktioniert. Menschen drücken Knöpfe, ziehen Hocker weg oder führen Befehle aus und ein menschliches Leben wird ausgelöscht.
„Vorhang auf!“ bedeutet meistens auch „Ring frei!“ Die Filmgeschichte ist eine Geschichte des Kampfes von Gut und Böse. Das Gute sind wir, die Zuschauer:innen; das Böse sind die Anderen. „Wir Guten“ begegnen im Film den „anderen Bösen“ und lernen, sie zu erkennen. Meist wird es uns leicht gemacht, denn die „Bösen“ tragen dunkle Kostüme, Narben und unsympathische Gesichtszüge. So spazieren wir aus dem Saal und fühlen uns gewappnet, in dieser Welt das Böse zu erkennen und uns ihm zu verwehren. Dass die Realität etwas komplizierter ist, dürfte kein Geheimnis sein.
Der Film ist mit 150 Minuten lang geraten. Zu lang? Vielleicht. Zwar werden die einzelnen Episoden knapp und ohne unnötige Umschweife erzählt, jedoch sind vier dann doch eine stolze Anzahl. Jede:r Kinogänger:in wird für sich eine individuelle Episode identifizieren, die es nicht unbedingt gebraucht hätte. Zwar wirken die Episoden verwoben, der Umgang mit Raum und Zeit ist jedoch locker (Episode 2 könnte eine Vorgeschichte zu Episode 4 sein o.Ä…), jedoch stützen sie sich nicht gegenseitig.
Die Episoden selbst lassen manchmal eine erzählerische Diversität vermissen, alle folgen einem klassischen Erzählschema und warten sogar mit einem Twist auf, welcher jedoch spätestens bei der vierten Episode etwas müde daherkommt. Man riecht den Braten zu früh.
Ein langer Film, der die Zuschauer:innen tief hineinnimmt in ein dunkles Kapitel der Menschheitsgeschichte, an dem noch immer geschrieben wird. Wenn auch nicht jede der Episoden ihre Emotionalität voll entfalten kann, so spürt man doch die Liebe, Verzweiflung und Hoffnung des Filmemachers, der sich eine bessere Zukunft für sein Land wünscht. Ein Film, den man mit guten Freunden sehen und anschließend diskutieren sollte, auch wenn er thematisch schwer zu ertragen ist. Denn, das steht fest, das Böse gibt es. Wir müssen hinsehen.
Artikel vom 26. August 2021
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