Kritik: Evangelion: 3.0 + 1.01 Thrice Upon a Time
DAS ENDE VON REBUILD EVANGELION!
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Nach den traumatischen Ereignissen in Evangelion: 3.33 zieht Shinji zusammen mit Rei und Asuka durch das zerstörte Tokyo-3. Mit Rei lässt sich Shinji schließlich in einer Siedlung von Überlebenden nieder. Während er versucht, seine Traumata zu verarbeiten und mit seinen Problemen umzugehen, planen Misato und die WILLE-Crew einen Angriff gegen NERV. Deren Human Instrumentality Project, mit Shinjis Vater Gendo an der Spitze, hat nämlich vor, mit dem göttlichen Evangelion-13 den Fourth Impact auszulösen.
Direkt zu Anfang des Films werden wir in die turbulente Wiederherstellung von Paris durch die Organisation WILLE geworfen und es geht sofort richtig zur Sache. Was Action angeht, wurde hier keinesfalls gespart und der Film lässt keine Langeweile aufkommen. Leider wirken die Kampfszenen total überladen. Vor lauter Effekten weiß man gar nicht, worauf man überhaupt achten soll und verliert schnell den Faden, was die eigentliche Handlung angeht.
Danach wird uns zum Glück eine Pause gegönnt, sodass man nach heftigen Anfangsszenen auch mal durchatmen kann. Die Handlung konzentriert sich dann auf Shinji (Megumi Ogata / Hannes Maurer), Rei (Megumi Hayashibara / Marie Bierstedt) und Asuka (Yūko Miyamura / Julia Ziffer), die bei ihren alten Freunden Toji (Tomokazu Seki), der mittlerweile mit Hikari (Junko Iwao) verheiratet ist, und Kensuke Aida (Tetsuya Iwanaga) in einem ruhigen Dorf unterkommen. Die Wiedervereinigung des “Idioten-Trios” kann Shinji dank Schockstarre leider nicht genießen.
Hier wird die Erzählstruktur zumindest für einige Zeit wieder übersichtlich und man erhält endlich einen Einblick in das Innenleben der Figuren und ihre Beziehungen untereinander. Das ist nicht nur ausgleichend, sondern auch überzeugend im Gegensatz zu den abgefahrenen und anstrengenden Kampfszenen, die viele Fragen aufwerfen und unbeantwortet lassen und insgesamt einfach überfüllt sind.
Genauso chaotisch wie die actiongeladenen Szenen ist der neue Soundtrack. Einzeln betrachtet sind die Songs fantastisch und auch gut ausgewählt. Vor allem der Titelsong “One Last Kiss” von Hikaru Otada passt zum modernen Setting eines alten Franchises und möbelt die Musik ordentlich auf. Durch dramatische und traurige Noten für das Piano, das uns in der gesamten Evangelion-Reihe begleitet hat, wird die Situation und die Depression der Figuren wieder in den Vordergrund gerückt und somit erhalten auch die Charaktere durch die Musik nochmals mehr Tiefe.
Obwohl der neue Soundtrack dem Film eine weitreichende Facette an Gefühl verleiht, ist er an einigen Stellen zu überladen. Besonders in den Actionszenen, die sowieso durch Soundeffekte schon reichlich laut sind, wirken einige Songs zu vordergründig und drückend und tragen somit nicht zur Übersichtlichkeit in den EVA-Kämpfen bei. Das haarsträubende und unverkennbare Engel-Thema aus der Serie wäre an mancher Stelle vielleicht passender gewesen.
Gerade der originale Soundtrack, der auch mit klassischen Stücken (Beethovens 9. oder Händels Hallelujah) kombiniert war, hat einen Großteil des Charmes von Neon Genesis Evangelion ausgemacht und dazu beigetragen, dass die Serie und die Filme so einzigartig und episch geworden sind. Das ist in Thrice Upon a Time leider ein bisschen auf der Strecke geblieben. Der unglaubliche Wiedererkennungswert der Serie wurde hier leider nicht erreicht.
Selbstverständlich ist die Animation des neuesten Films nach modernen Standards erstklassig. Die Parallelen zur Serie mit den verschiedenen Perspektiven, der außergewöhnlichen Farbgebung und der fast schon unheimlichen Symmetrie mancher Bilder sind fantastisch umgesetzt.
Das Setting ist sehr futuristisch und noch abstrakter als in den Vorgängern, was definitiv zum Geschehen passt, denn seit dem (Near) Third Impact sind 14 Jahre vergangen und Evangelion: 3.33 liegt immerhin auch schon neun Jahre zurück. Das erschwert wiederum aber auch den Zugang zur Story, denn auch hier wirken die vielen Formen und Gestalten in Kombination mit den Effekten schnell erdrückend. Weniger wäre hier mehr gewesen.
Gegen Ende werden die Einstellungen noch ausgefallener und markanter. Verschiedene Stile (Realismus, Manga-Zeichnungen) werden zur herkömmlichen Animation dazu gemixt, was jedoch phänomenal aussieht und losgelöst von Action und Gefechten zum bahnbrechenden Abschluss der Reihe passt. Eine explizite Warnung für lichtempfindliche Zuschauer*innen wäre jedoch genau wie in den vorherigen Teilen definitiv angebracht gewesen.
Was die Charaktere angeht, scheint sich auf den ersten Blick nicht viel verändert zu haben. Wieder einmal wird das facettenreiche Thema von Trauma, Depression und Einsamkeit aufgegriffen und anhand der verschiedenen Figuren wunderbar veranschaulicht. Shinji hat sich erneut von den anderen isoliert, wirkt apathisch und kann mit dem Erlebten nicht funktionieren. Asuka hingegen verarbeitet die Geschehnisse und ihre Emotionen wie immer mit Wut und Aggression gegen andere. So weit bleibt alles beim Alten.
Die beliebte Misato (Kotono Mitsuishi / Julia Kaufmann) ist leider völlig untergegangen. Obwohl sie ein bedeutender Charakter ist und in Shinjis Leben eine wichtige Bezugsperson darstellt, ist ihre Entwicklung hier leider absolut nicht nachvollziehbar, da es keinerlei Anhaltspunkte und Rechtfertigungen für ihren Handlungsstrang gibt. Auch das gemeinsame Kind mit dem verstorbenen Kaji (Kōichi Yamadera), das ja eigentlich ein relevantes Element in deren Beziehung und in Misatos Leben verkörpern sollte, wird nur in einem Nebensatz erwähnt.
“Ich frage mich warum Evangelion so erfolgreich war. Jeder Charakter, der darin vorkommt, ist bekloppt…”
Hideaki Anno
Andere Figuren machen jedoch unglaubliche Entwicklungen durch. Rei findet als einzige der drei EVA-Piloten Anschluss bei den Dorfbewohnern, arbeitet mit den anderen Frauen auf dem Feld und knüpft neue Beziehungen. Nebenbei lernt sie Redewendungen, menschliche Emotionen und findet so viel mehr über ihre eigene Natur heraus, auch wenn sie eigentlich nur einer von vielen Prototypen ist. In Anbetracht ihrer Vergangenheit und ihrer ursprünglichen Bestimmung ist das eine bahnbrechende Veränderung, die wir auch gerne bei den anderen Charakteren gesehen hätten.
Doch nicht nur Rei macht eine Veränderung durch, sondern auch bei Shinjis Vater Gendo (Fumihiko Tachiki / Erich Räuker) kommen neue Facetten ans Licht. Man erfährt nicht nur mehr über seine Vergangenheit und das Trauma über den Verlust von Shinjis Mutter, sondern auch mehr über seine Motivation hinter der gesamten NERV Organisation. Der Konflikt zwischen Shinji und Gendo wird hier endlich genauer beleuchtet und aufgelöst, was in Anbetracht der schwierigen Dynamik der beiden wirklich tiefgreifend ist.
Die Erwartungen an Evangelion: 3.0 + 1.01 Thrice Upon a Time waren nach einer Serie, zahlreichen Filmen und als Abschluss eines Animes, der eine ganze Generation von Fans geprägt hat dementsprechend hoch. Die Frage, ob die neue Herangehensweise an die Thematik gelungen ist oder ob hier ein völlig falscher Weg beschritten wurde, bleibt subjektiv und ist somit jedem Fan selbst überlassen. Fakt ist jedoch, dass weniger Geräuschkulisse und mehr Fokus auf die ursprüngliche Essenz der Evangelion-Reihe mit ihren wunderbaren Charakteren, den philosophischen Fragen und den einzigartigen Sounds nicht geschadet hätte. Losgelöst von den überladenen Actionszenen ist das Ende eigenständig betrachtet trotzdem ein grandioser Abschluss der Reihe und wird sicherlich viele Fans noch lange beschäftigen.
Artikel vom 29. August 2021
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