6.8/10

Kritik: La Chimera

AUF SCHATZSUCHE

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Genres: Drama, Startdatum: 11.04.2024

Interessante Fakten für…

  • Mit “La Chimera” schließt Alice Rohrwacher eine Filmtrilogie über das italienische Landleben ab.
  • Im Vorfeld recherchierte die Regisseurin und Autorin über Grabräuber in der Toskana.

Warum Kunst manchmal nur auf kriminelle Weise zu beschaffen ist, erzählt dieser Film. Traumwandlerisch wird in der Vergangenheit gegraben, doch das ist teilweise eher zum Gähnen.

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#Kinogänger #Klassiker #Trashfan

Darum geht’s

Frisch aus der Haft entlassen ist Arthur (Josh O’Connor) schnell wieder mit seinen Kumpanen auf Streifzug. Nachts graben sie antike Grabstätten aus, um die gefundenen Kunstschätze an einen mysteriösen Sammler zu verkaufen. Ohne Arthur würde das Geschäft nicht laufen, denn der Engländer hat eine besondere Gabe, fast schlafwandlerisch findet er die Orte, an denen nach einigem Graben die Schätze zum Vorschein kommen. Seit seine Freundin Benjamina gestorben ist, gibt es für Arthur wenig anderes im Leben und auch die Freundschaft zu Italia (Carol Duarte) scheint ihn nur langsam aufzuwärmen.

Frisch entlassen

Sehr unsanft wird Arthur aus dem Schlaf gerissen. Der Kontrolleur muss nun mal den Fahrschein sehen, da gibt’s auch bei Nickerchen keine Ausnahme. Bedauernd kommentiert er: “Jetzt wirst du nie erfahren, wie der Traum ausgeht”. Arthurs Traum, der sich täglich wiederholt, gilt Benjamina. Und bei Arthurs Reise im Zug ist der Startpunkt wichtiger als das Ziel: Soeben ist er aus dem Gefängnis entlassen worden. Und sein neues altes Leben scheint direkt wieder dorthin zu führen. Arthur ist eine interessante Figur, ein wortkarger Einzelgänger, der sich nach und nach öffnet oder besser, geöffnet wird. Wir sehen seine Träume, wir beobachten, wie er auf seine Umwelt reagiert, wir bekommen Einblicke in seine alltäglichen Orte, die wenige sind, dafür aber umso markanter. Die alte Mär vom frisch aus der Haft Entlassenen, der doch wieder in alte Muster fällt, steht nicht im Mittelpunkt, es geht nicht um Schuld und Sühne. Sie gibt der Erzählung lediglich eine kreisrunde Form, in der das Ende zwangsläufig zum Anfang führen muss.

Arthur kann nicht anders, als wieder mit den Jungs losziehen. Denn sein Talent verborgenes zu finden ist vielmehr eine Gabe, ein Geschenk von oben. Die Grabräuber (oder sind es Schatzsucher?) sind ein sympathischer Haufen Gauner, die in der Erde nach Tonkrügen buddeln, weil es sonst nichts zu tun gäbe.

Bella Italia

Und welch besserer Ort ließe sich für Ausgrabungen vorstellen als Italien! Diesem Wunderreich voller versunkener Städte, zerbrochenen Säulen und in der Erde schlummernden Skulpturen. Arthur wird vor dieser Kulisse zum Archäologen seiner eigenen Geschichte und nebenbei legen wir die Schichten seiner Figur frei. Doch neben der individuellen Symbolik des Grabens spannt Regisseurin/Autorin Rohrwacher die Metapher sogar noch weiter auf. Mit der Schaufel erforscht sie hier ihr Heimatland. Die Etrusker, bei denen die Frauen hohes Ansehen genossen, werden als vergessenes, doch hoffnungsvolles Gegenbild zur Macho-Hochburg Italien gepriesen. Dann sind da die arbeitslosen, aber alles andere als faulen Überlebenskünstler der sozialen Randbezirke. Und eine Haushälterin namens Italia, die lieber eine Künstlerin wäre. Wenn man will, lässt sich viel Symbolik entdecken, doch ist sie nie erzwungen.

Wie in ihren vorherigen Filmen erzählt Rohrwacher hier wieder vom ländlichen Italien, welches von der Stadt abgeschnitten ist, ohne etwas zu vermissen. Verfallene Herrenhäuser und abgeschriebene Bahnhöfe verbreiten selbstgenügsame Friedlichkeit statt Abstiegsängste. Von Pflanzen überrankt und mit blätterndem Putz sind diese Orte des Landes eben näher an der antiken Ewigkeit als an der pulsierenden Hektik der Großstadt. Ruinen und Gestrüpp werden eins. Die Menschen, die sich auf dem Weg zum Haus durch Büsche schlagen oder über einen Trampelpfad Abkürzungen nehmen, leben die Harmonie von Natur und Kultur.

Handel und Hustle

In dieser natürlichen Umgebung finden sich die Grabräuber problemlos zurecht. Sie fördern das längst vergessene zutage und geben ihm dadurch neuen Wert. Doch, sobald die Schätze das Tageslicht sehen, verschwinden sie wieder, in den Auktionshäusern der Welt. In absurd-humorvollen Szenen versuchen die Schatzjäger ihre Funde an den Mann (bzw. an die Frau) zu bringen, doch scheitern sie an den knallharten Preismechanismen des Kunstmarktes: von Wagemutigen ausgraben lassen, für ein paar Scheine abkaufen, für viele Scheine weiterverkaufen. Im finalen Aufeinandertreffen knurren sich Gräber und Kunsthändler an wie Hunde, die um einen Knochen streiten. Das Fazit scheint hier: Kunsthändler hustlen, Gauner hustlen.

So richtig geschärft ist die Geschichte letztlich jedoch nicht. Gerade die Mitte des Films kommt nicht zum Punkt und lässt die Zuschauer:in in gefährlicher Schwebe, macht schwer greifbar, was vom Film eigentlich zu erwarten ist und gibt auch wenige Anhaltspunkte darüber. Arthur ist eine liebevolle Hauptfigur, doch wirkt sich seine Passivität auf das Filmerlebnis aus. Er ergreift nur wenig Initiative und so fehlt auch dem Drehbuch dieselbe, sein Leben zieht an ihm und an den Zuschauer:innen vorbei.

Fazit

6.8/10
Ganz okay
Community-Rating:
Atmosphäre 7.5/10
Emotionen 7/10
Handlung 6/10
Szenenbild 8/10
Spannung 5.5/10
Details:
Regisseur: Alice Rohrwacher,
FSK: 12 Filmlänge: 130 Min.
Besetzung: Carol Duarte, Isabella Rossellini, Josh O'Connor,

Obwohl wie bereits in Glücklich wie Lazzaro aus dem märchenhaften, ländlichen Italien erzählt wird, gibt es im neuen Film von Alice Rohrwacher außer der charmanten Rahmenhandlung wenig Spannendes. Die Hauptfigur ist etwas zu träumerisch und gibt der Geschichte keine wirklichen Impulse. Vor allem die Mitte des Films wird zur zeitweise ermüdenden Durchreise durch Filmmomente, die einfach zu wenig Emotionen hervorrufen. Traumhaft ist der Film nur teilweise, in vielen anderen Momenten eher wie leichter, traumloser Schlaf.

Artikel vom 7. Mai 2024

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