Kritik: Rocketman
SURREAL, BUNT, VIRTUOS
▶ Jetzt direkt streamen auf:
SURREAL, BUNT, VIRTUOS
▶ Jetzt direkt streamen auf:
Reginald Kenneth Dwight (Taron Egerton; Kingsman) ist ein stiller kleiner Junge. Seine Mutter Sheila hat kaum Zeit für ihn, sein desinteressierter Vater verlässt die Familie. Allein seine liebevolle Großmutter sorgt sich um ihn und motiviert ihn zum Klavierspielen. Bald darauf erhält er ein Musikstipendium an der Royal Academy of Music. Sein Talent, aber auch seine Liebe zur Musik legen den Grundstein für Reginalds steile Karriere. Er ändert seinen Namen, wird entdeckt und landet einen Hit nach dem anderen. Doch Ruhm und Reichtum haben ihre Schattenseiten.
Wie auch in Elton Johns Leben spielt im Film die Musik eine entscheidende Rolle. Ob als Mittelpunkt in den zahlreichen Musical-Szenen oder schlicht als Begleitmusik des Geschehens ist sie fast allgegenwärtig. Die wenigen Szenen, in denen tatsächlich mal keine Musik läuft, treten nur umso markanter hervor. Musik ist hier also das Stilmittel schlechthin und hat eine wahnsinnig einnehmende Wirkung. Selbst wenn man nicht der größte Elton John Fan ist, begeistert die Musik in Kombination mit der Geschichte auf der Leinwand ungemein.
Nicht nur akustisch, sondern auch optisch hat der Film einiges zu bieten. Farben und Licht sind punktgenau abgestimmt und werden gezielt eingesetzt, um die Stimmung des Protagonisten zu verdeutlichen. Die Choreographie der Musicalszenen ist sorgfältig durchdacht und ausgearbeitet, harmoniert also fantastisch mit der eingängigen Musik und der Story.
Elton trifft im Verlauf des Films auf viele wichtige Personen, die großen Einfluss auf sein Leben und seine Musik nehmen. Einer von ihnen ist sein Songwriter Bernie Taupin (Jamie Bell; Billy Elliot). Die Chemie stimmt nicht nur zwischen den Figuren. Die Dialoge zwischen den Schauspielern wirken so natürlich, als würden zwei alte Freunde aufeinander treffen. Dass die beiden Rollen sofort die besten Freunde sind, kauft man Egerton und Bell sofort ab.
Außerdem prägt der Musikmanager John Reid (Richard Madden; Game of Thrones) Eltons Schaffen tiefgreifend. Die turbulente Beziehung zwischen den beiden ist einer der Gründe, warum Elton die Kontrolle über Alkohol und Drogen zunehmend entgleitet. Madden macht hier als wandelbarer gemischter Charakter eine ausgezeichnete Figur. Neben ihm liefern jedoch Bell als sympathischer Poet und Egerton als zwiegespaltener gequälter Künstler eine noch bessere Performance ab. Schauspielerisch fährt Rocketman dementsprechend ganz große Geschütze auf.
Nicht nur in Eltons Gefühlswelt, sondern auch in der Storyline geht es emotional ständig auf und ab. Hier schwankt der Film zwischen bunten Fantasy-Elementen und harter, ungeschminkter Realität. Das Leben des Künstlers wird nicht schön geredet, stattdessen wird ehrlich und unverblümt erzählt.
Die surrealen, teilweise sogar schon bizarren Zwischenszenen schmücken die Handlung und treiben sie zusätzlich voran. Somit wird ein Kontrast geschaffen, der nicht nur der Vision des Regisseurs gerecht wird – uns Zuschauern wird der innere Konflikt des Protagonisten aufzeigt und in vielen Szenen sogar verbildlicht. Hier wird deutlich, dass Elton John zwischen dem bunten, quietschvergnügten, singenden Pianist und dem manisch-depressiven, selbstzerstörerischen Mensch hin-und hergerissen wird.
Fans von Kitsch kommen hier auf ihre Kosten. Der Film birgt einige emotionale Szenen, die vielleicht so manchem Zuschauer, der nah am Wasser gebaut ist, Tränen in die Augen treiben. Für meinen Geschmack sind diese jedoch teilweise zu gewollt und kitschig dargestellt, passen aber immer noch in das Gesamtbild des Films und tun der Story keinen Abbruch. Nervenkitzel sucht man in Rocketman allerdings vergeblich. Da die Handlung sich sehr genau an Fakten orientiert und Elton selbst als Executive Producer mitwirkte, ist es nicht nötig, die Story unnötig aufzubauschen oder auszubauen. Was an Dramaturgie fehlt, wird dafür mit Gefühl und einzigartiger Stilistik ausgefüllt.
Dexter Fletcher inszeniert mit Rocketman seine eigene Vision von Elton Johns Werdegang. Hier beachtet er sowohl die Fakten, aber auch die Magie, die mit Eltons Musik einhergeht und den Zuschauer 120 Minuten lang begleitet. Der Spannungsbogen bleibt relativ flach, was bei einer Biographie jedoch nicht weiter stört. Emotionale Szenen sind für meinen Geschmack etwas zu kitschig dargestellt, passen jedoch trotzdem ins Gesamtbild und in die Stimmung des Films. Herausragend sind die Schauspieler, die optische Umsetzung, die sorgfältig ausgearbeitete Choreographie und natürlich die Musik, auf der das Leben des Protagonisten letztendlich basiert. Wer also Lust hat, das Kino mit einem guten Gefühl und einem ordentlichen Ohrwurm zu verlassen, sollte sich Rocketman auf keinen Fall entgehen lassen.
Artikel vom 2. Juni 2019
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!