5.2/10

Kritik: Samaritan

So dumm, so platt, so spaßig

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Genres: Action, Comic, Startdatum: 26.08.2022

Interessante Fakten für…

  • Zur Zeitpunkt der Veröffentlichung war Sylvester Stallone bereits stolze 76 Jahre alt. Viele der Stunts im Film bestritt er selbst.
  • Die fiktive Granite City wurde vor allem in Atlanta gedreht.
  • Stallones langjähriger Synchronsprecher Thomas Danneberg ging 2019 in den Ruhestand, seitdem müssen Filmfans, auch in diesem Film, mit der eher ungewohnten Stimme Jürgen Prochnows leben.

In Granite City sind vor 25 Jahren die letzten Superhelden verschwunden, doch ihr Comeback kündigt sich an. Ist das etwas, worauf wir uns freuen können? Oder wären diese Helden lieber in der VHS-Ära geblieben?

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#Kinogänger #Klassiker #Trashfan

Darum geht’s

Vor 25 Jahren verschwand Samaritan aus Granite City. Er und sein ebenfalls übermenschlichen starker Bruder Nemesis lieferten sich ein Leben lang Kämpfe um die Herrschaft des Guten oder Bösen. Bei der Explosion eines Kraftwerks kamen scheinbar beide ums Leben. Doch noch heute glauben einige Bewohner an das Fortleben Samaritans. Der Junge Sam (Javon Walton) ist von Erzählungen über den Superhelden fasziniert und glaubt fest, in seinem Nachbarn Joe (Sylvester Stallone) den untergetauchten Retter entdeckt zu haben. Die Rückkehr Samaritans wäre auch dringend nötig – Gangsterboss Cyrus (Pilou Asbæk) hat Nemesis‘ mächtigen Hammer entdeckt und wiegelt mit der magischen Waffe die Stadtbewohner zu Plünderungen auf.

Action wie früher

Wo Sly drauf steht ist auch Sly drin. Wenn der Italian Stallion gecastet wird, kommt das Publikum in den Genuss von Muckies, One-Linern und Dramatik, die knietief im Kitsch steht. United Artists und Service-Dampfwalze Amazon versuchen nun, die Wartezeit auf den neuesten Auftritt der Expendables mit dem Superhelden-Knüller Samaritan zu überbrücken. Manche:r mag nun mit den Augen rollen, vielleicht zurecht. Sylvester Stallone ist in seiner letzten Schaffensphase ein One-Trick-Pony, die mitreißende Energie von Rocky ist längst verpufft, sogar die selbstironische Flucht nach vorne, die Robert De Niro seit Jahren praktiziert („Seht mich an, ich war immer der Tough Guy, jetzt bin ich der lustige Opa“) scheint unmöglich. Mit bierernster Miene läuft Stallone in diesem modernen Film in eine Sackgasse. „Modern“ bedeutet an dieser Stelle nicht „gut“. Modern bedeutet zeitgemäße (langweilige) Bildsprache, selbstbewusste (unlustige) Witze und der (uninspirierte) Ausflug ins Superhelden-Genre.

Als mögliche Handschrift oder Verbeugung vor dem Protagonisten selbst schwebt über dem Film ein Feeling vergangener Dekaden. Samaritan ist ein Film, der als VHS-Kassette in der Videothek zwischen Last Action Hero und Rumble in the Bronx stehen sollte. Action-Böller für junge Teenager, die am nächsten Tag auf dem Schulhof wild gestikulierend ihren Freund:innen erzählen, wie der Filmheld einen messerfuchtelnden Gangster in die Mülltonne gestopft hat. An alle älteren Geschwister und Babysitter:innen: Zeig diesen Film einem 12-jährigen und er hat einen neuen Lieblingsfilm!

Teenager nerven!

Diese FSK 12-Ausrichtung, die Action, aber wenig Blut sehen will, ist charmant und sorgt für Spaß und Sehvergnügen bis zuletzt. Doch muss man früh Abschied nehmen von dem mittlerweile fast selbstverständlichen Verlangen, etwas Neues geboten zu bekommen. Im Superhelden-Terrain bietet dieser Film lediglich vorgekaute Kost. Die Guten sind gut, weil sie arm sind (und arm, weil sie gut sind), die Bösen haben Tattoos und müssen ihren moralischen Standpunkt kaum mit Handlungen skizzieren. Blicke, Outfit, Gesten, die Menschen sind vorhersehbar wie ihre Dialoge.

Sylvester Stallone spielt Sylvester Stallone, er verliert wenig Worte, wir müssen also auch keine über ihn verlieren. Der eigentlich witzige Martin Starr liest seine Zeilen vom Blatt ab, Pilou Asbæk aus der Game of Thrones-Talentschmiede macht das Beste aus seinem Bösewicht. Die Hauptfigur jedoch macht einen wirklich gelangweilten Eindruck. Wie heißt er noch mal? Was hat er mit der Geschichte zu tun? Wieso steht er, nach heftiger Malträtierung durch eine Straßengang, noch auf den Beinen? Man wünscht sich mehr als einmal, Sam (oder hieß er Dan? Oder Kid?) würde das Bild freigeben, damit wir mehr wirkliche Action erleben können. Bereits The Adam Project nervte mit nasenweißen Teenagern auf therapeutischer Suche nach einer männlichen Bezugsperson, auch Samaritan lässt sich dazu hinreißen.

Batman-Abklatsch

Stallone haut zu, sein Sidekick klopft Sprüche, der Hintergrund ist beliebig. Umgekippte Mülltonnen, Graffiti, dampfende Gullideckel: manches mal fühlt man sich wie in ein Tekken-Level versetzt. Die große Vision des Regisseurs dürfte jedoch ein Gotham City-Abklatsch gewesen sein. Ziemlich eindeutig positioniert sich der Film in der Tradition der Batman-Abenteuer, gerät durch diese Diskrepanz von eigenem Anspruch und seichtem Writing jedoch in einen schmerzhaften Spagat. Die Welt von Samaritan hat nichts mit Gotham zu tun, da kann Bösewicht Cyrus den Look von Bane kopieren wie er will. Die Welt des Films ist reine Kulisse, keine Politik, keine gesellschaftliche Dynamik, keine Polizei, nichts, was sie mit der Welt der Zuschauer:innen verbinden würde.

Die Batman-Filme behielten trotz reichhaltiger Actionsequenzen und pathetischem Gut-Böse-Schema immer ein zartes Gespür für Populismus und Soziologie. Menschen benutzen Macht, werden korrumpiert, spielen mit dem Gesetz wie mit Feuer, setzen Medien statt Schusswaffen ein. Scarecrow, Joker und Two-Face sind gesellschaftliche Archetypen mit faszinierenden Motiven, Samaritans Gegenspieler hingegen ist ein mittelschwerer Gangster mit magischem Hammer. Was Samaritan an Tiefe fehlt, macht der Film auch in der Breite nicht wett. Er setzt auf eine einschränkende Dualität, in der es lediglich einen Helden und einen Bösewicht gibt. In Gotham City gibt es immer mehrere Schurken, genauso wie es mehrere Kämpfer:innen für das Gute gibt. Die Welt bildet vielzählige Facetten und Dynamiken ab. Sylvester Stallone steht als maskierter Muskelprotz alleine da und wir fragen uns: wenn der Gegner in den Boden gerammt ist – was dann? Wo bleibt die Spannung in einer Welt, in der es eigentlich nur einen einzigen, noch dazu nicht wirklich angsteinflössenden, Bösewicht gibt?

Der Spannungsbogen ist flach wie ein Mückenstich, doch bleibt man trotzdem gerne bis zum Ende dran. Die anspruchsvolleren Hirnregionen werden nach Futter schreien, doch der innere 12-jährige, der auf Wrestling, Paprika-Chips und unschuldige Prügel-Action steht, hat seinen Spaß.

Fazit

5.2/10
Enttäuschend
Community-Rating:
Visuelle Umsetzung 4.5/10
Action 6.5/10
Atmosphäre 5/10
Handlung 6.5/10
Humor 3.5/10
Details:
Regisseur: Julius Avery,
FSK: 12 Filmlänge: 99 Min.
Besetzung: Javon Walton, Pilou Asbæk, Sophia Tatum, Sylvester Stallone,

Es gibt viel zu mäkeln an Samaritan. Und doch: Die 99 Minuten vergehen wie im Flug, schnell stellt sich ein fast nostalgisches Gefühl ein, zurückgelehnt kann man einen stumpfen Film genießen, der vorhersehbar ist, aber nicht nervt. Die Macher dieser Action-Show verdienen weder Preise noch große Aufmerksamkeit aber man erkennt doch guten Willen, einige interessante Ideen und den Glauben daran, dass Sylvester Stallone auch mit Mitte 70 noch einen Film wuppen kann.

Artikel vom 1. September 2022

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