Kritik: Sound of Metal
SOUND OF SILENCE
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SOUND OF SILENCE
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Ruben (Riz Ahmed) und Lou (Olivia Cooke) sind nicht nur ein Liebespaar, sondern auch eine zweiköpfige Punkband, die in ihrem großen Tourbus durch das Land reist. Pure Freiheit. Doch Rubens Leben erfährt einen wortwörtlichen Dämpfer, als ein plötzlicher Hörsturz ihn komplett taub werden lässt.
Lou macht sich Sorgen und möchte Ruben in eine Therapie schicken. Gesucht, gefunden: Eine Gemeinschaft, bestehend aus tauben Menschen, nimmt Ruben herzlich auf, doch dieser muss erst einmal verinnerlichen, dass sein Leben nie mehr dasselbe sein wird. Eine Lektion, die ihm vieles kostet.
Das Poster und der Filmtitel sind irreführend, denn Sound of Metal hat weder viel mit Metal, noch mit Musik im allgemeinen zu tun. Der Film ist eine persönliche, fokussierte Geschichte aus dem Leben einer fiktiven Figur, die realer nicht hätte dargestellt werden können.
Ist der Film einer dieser Realitätspornos, die einen durch das triste Leid “ganz normaler” Menschen jagt? Nein, tatsächlich ist die Grundtonart viel mehr Dur als Moll. Das Regiedebut von Darius Marder ist ein bewegender Film, der das Positive im Negativen sucht und dabei nie zu dick aufträgt.
Den Briten mit pakistanischer Abstammung kennt man vor allem aus Rogue One. Doch Sound of Metal dürfte sein großer Durchbruch in die Topliga englischsprachiger Schauspieler sein. Was für eine Leistung! Jede Szene mit Ahmed im Fokus vibriert vor Emotionen. Das subtil und elegant geschriebene Skript gibt ihm eine Steilvorlage für eine absolut großartige Darstellung eines gebrochenen Punks, der die Welt nicht mehr versteht. Aufbrodelnd aggressiv und entwaffnend sympathisch – jede Emotion zwischen diesen beiden Endpunkten malt Ahmed aus, mit präziser Dialog-Delivery und subtilen Nuancen.
Seine Freundin Lou, gespielt von Olivia Cooke, ist ein gelungenes Komplementär zu Rubens selbstzerstörerischen Art. Obwohl sie diejenige ist, die sich im Stress die Unterarme aufkratzt und Ruben im Glauben lässt, er sei ihr Beschützer, drängt sie Ruben zu den schweren Entscheidungen, denen er als Tauber nun ins Auge blicken muss.
So hört sich zwar ein Teil des Filmes an, um dem Zuschauer das Gefühl der Taubheit näher zu bringen, doch er macht es sich nicht zur Aufgabe, einen Terror-Trip zu inszenieren. Der ein oder andere mag vielleicht davon ausgegangen sein, das der Film zum Großteil komplett auf seine Tonspur verzichte, um das Gefühl des Protagonisten voll und ganz nachvollziehen zu können, doch wie gesagt, so dick trägt der Film zu keinem Moment auf.
Der Großteil der Dialoge ist normal hörbar, und die Viewpoint-Wechsel in die Welt des Tauben werden nur dann vollzogen, wenn es für die Handlung Sinn macht. Viel mehr werden Rubens Gefühle über seine Handlungen und seine Dialoge eingefangen; zu keiner Zeit muss sich der Zuschauer auf den “so schlimm ist es, taub zu sein”-Stuhl setzen. Die Message des Films ist nämlich auch eine ganz andere, aber dazu gleich mehr.
Ebenso unaufgeregt, und dafür umso authentischer, sind die Umstände, unter denen Ruben sein Gehör verliert. Er ist kein Kriegsveteran, dessen Trommelfelle von einer Bombe zerfetzt wurden, er hat auch keinen schrecklichen Unfall erlebt, nein, er hatte lediglich einen ganz normalen Hörsturz, den er nicht rechtzeitig behandeln lassen hat.
Auf die Menschen in der Gemeinschaft für Taube wirkt Ruben als Neuankömmling naiv, aber auch “exotisch”. Er ist cool und lässig, scheint seinen rotzigen Spirit trotz seines Schicksals noch nicht verloren zu haben, und inspiriert die anderen Mitglieder mit frischen Impulsen.
Der Mittelteil von Sound of Metal, der sich damit beschäftigt, ob Ruben sein Schicksal akzeptieren kann, fällt sehr “ruhig” aus – wenn auch nicht “still”. Ab und zu scheint die Dramaturgie stillzustehen und kleine Momente werden eingefangen, die in ihrer puren Einfachheit aber dennoch bewegend sind, z.B. ein Trommelkonzert auf einer Spielplatzrutsche mit einem tauben Jungen, in welchem sie die Musik über die Vibration des Metalls genießen. Falls du allerdings mehr Action und Dramatik erwartest, könnte dich der Film zur Halbzeit eventuell verloren haben.
Immer wieder deutet der Film einen alternativen Weg für Ruben an: die Entscheidung für ein Gehörimplantat, das allerdings so kostspielig ist, dass er dafür sein komplette Existenz verscherbeln muss. Dieses Dilemma erzeugt eine übergeordnete Spannung, denn wir Zuschauer wünschen uns für Ruben nur das Beste, und die Frage “Geld oder Gehör” scheint zu Beginn allzu einfach zu sein, ist sie letztendlich aber doch nicht.
In den letzten Momenten des Films offenbart sich die wahrhaftige Sinnhaftigkeit des Filmtitels. Es sind die letzten Sekunden, die einen Cliffhanger heraufbeschwören und dennoch einen Kreis schließen und den Film auf einer perfekten Note enden lassen. Ein unaufgeregter Film über Selbstakzeptanz, der inspiriert und in gewisser Weise auch die Furcht vor gesundheitlichen “Katastrophen” nimmt, die jeden Einzelnen von uns zu jeder Zeit treffen könnten.
Der Film ist weder leichte noch schwere Kost und erzählt eine (eigentlich) tragische Geschichte auf eine optimistische Art und Weise. Er fokussiert sich auf das Innenleben des Hauptcharakters, ohne sein Leiden als Gehörloser auszuschlachten. Die Message, dass die allgegenwärtige Stille nicht unbedingt ein Handicap sein muss, wird allein durch das hervorragend subtile Skript und die talentierten Schauspieler transportiert. Letztendlich ist das Debüt von Darius Marder ein “typischer” Oscar-Film, denn er ist menschfokussiert und originell. Es würde mich nicht wundern, wenn Sound of Metal ein paar Nomierungen abbekommt, vor allem für Riz Ahmeds grandiose Schauspielleistung.
Artikel vom 30. Januar 2021
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