Kritik: Spider-Man – Far From Home
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Es ist 8 Monate her seit die Avengers den Thanos-Schnipser rückgängig gemacht und diesen endgültig besiegt haben. Nun ist man bemüht, ein wenig Normalität einzubringen. So steht auch die verschobene Schulreise nach Europa an. Für Peter Parker aka Spider-Man (Tom Holland) ist das nach der Alieninvasion und Tony Starks Tod eine willkommene Abwechslung. Zudem hofft er, bei der Reise seiner Schulkameradin MJ (Zendaya) näher zu kommen.
Doch nicht mal im Ausland hat er Ruhe. Nick Fury (Samuel L. Jackson) konfrontiert Peter und erläutert von einer neuen Gefahr: Überall auf der Welt tauchen zerstörerische Elementargestalten auf. Einzig der mysteriöse Quentin Beck (Jake Gyllenhaal) schafft Abhilfe. Dieser kommt von einer zerstörten alternativen Erde und weiß, wie die Gefahr abzuwenden ist. Dafür brauchen sie Peters Hilfe, der ohnehin als Starks Nachfolger angesehen wird.
Doch ist es das, was Peter will?
Mit Avengers: Endgame bescherte uns das MCU ein Finale, dass seinesgleichen sucht. Thanos ist besiegt und sein Schaden ist mehr oder weniger rückgängig gemacht worden, allerdings hat es große Opfer gekostet. Da erscheint es schon fast eigenartig, dass man ausgerechnet das ruhigere Setting von Tom Hollands Spider-Man heraussucht, um dieses Finale endgültig abzuschließen. Dabei gibt es noch so viel zu klären, zum Beispiel wie die Menschen reagieren, dass nach 5 Jahren die Verschwunden wieder vor Ihnen stehen.
Doch im klassischen MCU-Manier wird darauf nur geringfügig Bezug genommen. Klar wird erwähnt, dass die durch den “Blip” Verschwundenen nun wieder in die Gesellschaft eingegliedert werden müssen, doch das verliert schnell die Aufmerksamkeit. Auf eine erstaunlich komische Weise wird gezeigt, wie zumindest Peters Schule damit umgeht und sie nun alle ihr Schulzeit nachholen müssen. Nun kann man den Screenwritern vorwerfen, dass sie die Ausmaße des “Blips” nicht eingeschätzt haben. (Zumal die Autoren offenbar immer noch nicht wissen, was 50 Prozent sind). Doch seien wir ehrlich: Es hätte enorm von der Handlung abgelenkt, die mit Spider-Man ihr eigenes Ding durchziehen wollen. Also wieso Erbsen zählen, wenn man stattdessen mit Spider-Man um die Welt reisen kann?
Einmal weg von New York. Nach all dem Trubel nur allzu verständlich. Mit dieser Ausgangssituation bietet man einen ordentlichen und vor allem abwechslungsreichen Abenteuer-Flair, der sogar etwas von einem Road Trip hat. Umgeben von seinen Mitschülern auf einer Seite und von einem mürrischen Nick Fury auf der anderen muss Peter mit seinen zwei Identitäten auf engstem Raum hantieren. Das bringt eine spannende Dynamik mit ein, die stärker an Spider-Mans ursprünglich Konflikt ausgerichtet ist: Normales Leben oder Superheld. Das Setting passt hervorragend zur Selbstfindung der menschlichen Spinne.
Spider-Man ist der Jüngste der Avengers und die Autoren nutzen diesen Umstand aus, um etwas Teen-Comedy einfließen zu lassen. Klar, dass bei Peter die Peter-Regung, äh… Spinnen-Sinne verrücktspielen. So wirkt das erste Drittel des Filmes wie eine Teen Komödie, bei der Peter mit seinem Buddy Ned (Jacob Batalon) herumblödelt und trotz aller Umstände MJ für sich gewinnen will. Das Problem ist, diese Comedy-Aspekte wirken zu sehr von dem Rest der Handlung distanziert und es dauert eine Weile bis sie den Anschluss finden. Zwar wird uns ordentliche Komik serviert, doch die sitzt nicht immer und wirkt teilweise ermüdend. Auch die Spider-Man Szenen wirken anfangs noch relativ gewöhnlich. Erst ab der zweiten Hälfte wirft Spider-Man: Far From Home seine Stützräder ab und es geht richtig zur Sache.
Der weniger bekannte Comicschurke mit dem Goldfischglas auf dem Kopf wir im MCU zum Helden. Ungewöhnlich, aber seit den “guten” Skrulls aus Captain Marvel ist dem MCU alles zuzutrauen. Und tatsächlich ist Jake Gyllenhaal als Quentin Beck aka Mysterio unheimlich charmant. Er gliedert sich auf unerwartet vielfältige Weise in die Aktion ein.
Und wo wir schon bei Action sind: Wer damit rechnet, dass Spider-Man lediglich mit blassen CGI-Figuren kämpft, irrt sich gewaltig. Stattdessen übersteigt das Actionspektakel die Erwartungen, die wir an einen Spider-Man-Film richten. Vor allem hier hat die Fortsetzung seinem Vorgänger ganz klar die Nase vorn. Auch die visuellen Einfälle brillieren mit Kreativität, die sich nicht vor früheren MCU-Spektakeln verstecken muss. Aufgrund von Spoilern werden zwar keine Beispiele genannt, doch eindrucksvoll ist es zweifellos.
Phase 3 ist durch und Spider-Man mehr oder weniger der Epilog, nicht wahr? Tja, falsch gedacht. Die Autoren des MCU nutzen die Geschichte um den jungen Spider-Man als Sprungbrett für eine neue potenzielle Zukunft des MCU. Der Film schafft es entgegen aller Erwartungen ein Setting aufzubauen, dass Fortsetzungen nicht nur begrüsst, sondern diese in faszinierende Richtungen treibt. Das wird unter anderen durch die Mid und die After-Credit-Scene ersichtlich. Und ohne zu spoilern oder zu übertreiben, doch vor allem die Mid-Credit-Scene gehört zur besten im gesamten MCU. Schlussendlich führt das zu folgendem Ergebnis:
Spider-Man überrascht. Was als lockere Handlung anfängt, im Grunde genommen ein Aufatmen nach dem atemberaubenden Endgame, nimmt schon bald Fahrt an und wird zu einem selbstständigen, dramaturgischen Werk. Zwar beginnt die erste Hälfte recht unspektakulär und die Teenie-Witze sitzen nicht immer, doch Spider-Man kann sich schnell fangen. Es war die richtige Entscheidung, sich auf die jüngste Figur des MCU zu konzentrieren, die möglicherweise sogar Starks Rolle einnehmen wird. Das MCU will mit einer möglichen Phase 4 weiter überraschen und dafür haben sie den richten (Fast)-Mann gefunden. Oder eben die richtige Spinne. Denn wenn es mit Phase 4 endgültig in die Weiten des Weltalls gehen soll, dann ist Spider-Man so richtig “Far From Home”.
Artikel vom 14. Juli 2019
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