Kritik: Tenet
VORWÄRTS UND RÜCKWÄRTS EIN HIT?
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Der Protagonist der Handlung (John David Washington) erhält den geheimen Auftrag, bei einem Anschlag auf eine Kiewer Oper eine bestimmte Person sicherzustellen. Beim Einsatz geschehen eigenartige Vorfälle, darunter eine Pistolenkugel, die sich scheinbar rückwärts bewegt. Schließlich wird er allerdings gefangen genommen und unter Folter verhört, bis er eine Selbstmord-Kapsel schluckt.
Es stellt sich jedoch heraus, dass dies nur ein Test war und der Protagonist in eine Organisation namens Tenet aufgenommen wird. Die Organisation untersucht die merkwürdige Eigenschaft von einigen Gegenständen, sich in der Zeit scheinbar rückwärts zu bewegen, genannt „invertieren“. Eine bereits abgefeuerte invertierte Kugel beispielsweise fliegt wieder zurück in die Pistole. Das Ziel ist die Auffindung dieser Waffen, bevor etwas Schlimmes damit angestellt werden kann. Die Spuren führen schließlich zu Andrei Sator (Kenneth Branagh), einem Mann, der offenbar mit der Zukunft spricht…
Kaum ein anderer Regisseur hat die moderne Film-Landschaft so sehr geprägt wie Christopher Nolan. Zurecht, denn seine Filme schaffen es auf geniale Weise, komplexe und philosophische Konzepte in revolutionäre Filme zu verwandeln. Sei es der rückwärts erzählte Memento, die Traumebenen von Inception oder die Wurmlochreisen in Interstellar – seine Filme erklären und behandeln weitschichtige Themen, ohne dabei in überschüssige Expositionen zu verfallen. Da reiht sich auch der Zeitreise-Film Tenet hervorragend ein – mehr oder weniger.
Wer sich bei der Einführung gefragt hat, wovon ich da gerade rede – Glückwunsch, das ist Tenet. Mit dem Konzept der gleichzeitig vorwärts und rückwärts laufenden Zeit hat Nolan sich selbst übertroffen. Da werden auch schonmal durchlöcherte Fenster repariert, Schiffe schwimmen rückwärts und ganze Gebäude werden wieder zusammengesetzt. Das muss man Nolan lassen: kaum ein anderer Regisseur hätte so ein Konzept umsetzen können, ohne Ad Absurdum zu verfallen.
Dennoch gibt es Schwierigkeiten…
Wer glaubt, Interstellar sei kompliziert, der wird bei Tenet absolut verzweifeln, denn Tenet ist nicht nur Nolans kompliziertester Film (und das will schon was heißen) sondern einer der beabsichtigt verworrensten Filme der letzten Jahre. Das vorwärtige und rückwärtige Hin und Her wird auch nach mehrfachem Gucken nicht wirklich durchsichtiger.
Aber das ist von Zeitreisefilmen nicht anders zu erwarten.
Die eigentliche Schwierigkeit liegt jedoch darin, dass das Konzept unzureichend erklärt wird. Wo beispielsweise Inception sich (im übertragenen Sinne und wortwörtlich) verbogen hat, um dem Zuschauer die Funktionsweise seiner Traumebenen näher zu bringen, gibt es bei Tenet kaum eine Erklärung. Am Anfang erhält der Protagonist eine kleine Einführung, danach muss er offenbar schon alles wissen. Bestimmte angesprochene Variationen und Konsequenzen des Zeitreisekonzeptes werden angesprochen, aber nicht gezeigt. Klar, Nolan generiert dadurch ein beabsichtigtes Gefühl des Mysteriums, dennoch wird die Handlung dadurch weniger nachvollziehbar.
Doch wie es schon die Wissenschaftlerin Barbara (Clémence Poésy) bei der Exposition passend sagte:
„Don’t try to understand it. Feel it.“
Barbara
Doch wie steht es um die eigentliche Handlung? Da ist der Film wie ein Bond-Thriller aufgebaut. Und hier zeigt der Film wieder seine Stärke: Es wird vorgetäuscht, spioniert und es gibt faszinierende Verfolgungsjagden. Das baut eine Balance auf, der verhindert, dass Tenet mit dem ganzen Zeitreise-Wirrwarrs zu sehr abdriftet.
Doch es sind vor allem die Charaktere, die den Film mit sich ziehen. Allen voran der Protagonist (richtig, sein Name wird nicht genannt) agiert hervorragend als identifizierbarer, aber dennoch tiefgründiger Filmheld, der immer tiefer in den Kaninchenbau eindringt. Mit ihm dabei: Robert Pattinson als sein charismatischer Partner Neil, der mehr weiß als er vorgibt. Genauso geht es mit dem Schurken, denn Andrei Sator ist ein überzeugend egomanisches Arschloch, das die Spannung oben hält. Überraschende Tiefe kommt da von dem vermeintlichen “Bond-Girl” Kat (Elizabeth Debicki) und Sators Frau, die ihrem missbräulichem Mann entkommen möchte und dabei eine sehr aktive Rolle einnimmt.
Tenet ist wahrlich kein einfacher Film – weder zum Schauen noch zum Bewerten. Die Zeitreise-Elemente werden beabsichtigt verwirrend und mysteriös gehalten und motivieren zum mehrfachen Durchschauen. Diese Elemente kollidieren zwar anfangs mit dem Agenten-Thriller, doch ab der zweiten Hälfte wird erst richtig klar, wie viel Einfallsreichtum mit dem zeitlichen Hin und Her möglich ist. Zusammengefasst ist Tenet ein innovativer Sci-Fi-Thriller, der einiges von seinen Zuschauern abverlanget. Ein Mainstream-Film ist es zwar nicht, doch die Thriller-Handlung bleibt nach wie vor spannend. Und alles verstehen muss man ja auch nicht.
Artikel vom 9. November 2020
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