Kritik: The Electric State
GEIL ODER GELDWÄSCHE?
GEIL ODER GELDWÄSCHE?
Roboter haben genug und rebellieren! Damit hatte niemand gerechnet. Bis vor kurzem waren die cartoonisch-aussehenden Animatroniken noch nützliche Helfer und Arbeiter. Doch dann entwickelten sie ein Bewusstsein und wollten gleiche Rechte. Das resultierte im alternativen Jahr 1990 in einem Krieg, den die Roboter, angeführt vom Erdnuss-Maskottchen Mr. Peanut (Woody Harrelson), zu gewinnen drohten. Doch dann kam Ethan Skate (Stanley Tucci). Der CEO führte die Neurocaster Technologie ein, mit der die Nutzer ihren Verstand in humanoide Drohnen einpflanzen konnten. Mit dieser Technologie konnten die Menschen die Roboter besiegen und diese in ein abgeriegeltes Gebiet in der Wüste zurückdrängen.
Mit der Teenagerin Michelle (Millie Bobby Brown) scheint das nicht viel zu tun zu haben, denn sie hat ganz eigene Probleme: Nach einem tragischen Unfall verlor sie ihre Familie, einschließlich ihren genialen Bruder Christopher (Woody Norman). Seitdem wird sie Pflegefamilien zugeteilt, vor denen sie immer wieder flieht. Das ändert sich jedoch als ihr eines Tages ein Roboter auflauert, der dem Roboter Cosmo aus der Lieblings-Animationsserie ihres Bruders nachempfunden ist. Mehr noch: Dieser Roboter impliziert, dass er den Verstand ihres Bruders trägt, wodurch ihr Bruder noch am Leben sein könnte. Eine gefährliche Reise beginnt…
Netflix hat es nicht leicht. Die glorreichen Zeiten sind lange vorbei und nun muss sich der Streaminganbieter mit einer wachsenden Konkurrenz, hohen Kosten und einer schwächelnden Qualität auseinandersetzen. Daraufhin wollte Netflix die Kosten zurückschrauben, um stattdessen mehr auf die Qualität einzelner Produktionen zu setzen.
Umso erstaunlicher ist es, dass Netflix sag und schreibe 320 Millionen Dollar für die Adaption eines weniger bekannten Bilderromans ausgegeben haben. Der Roman aus dem 2018 entstand vom Autor Simon Stålenhag und handelt von der Reise eines Mädchens mit einem Roboter durch die postapokalyptischen Straßen Amerikas. Dabei begegnen Sie den Überresten von riesigen, fast schon außerweltlich-wirkenden Robotern und den verkümmerten Überbleibseln von Menschen, deren Verstand vor Ewigkeiten in eine virtuelle Welt geflohen sind. Natürlich würde die Umsetzung dieser Vorlage nicht billig werden, doch 320 Millionen erscheinen selbst da viel zu viel. Doch man könnte da hinweg sehen, wenn man der Authentizität des düsteren Romans gerecht würde.
Leider braucht es nur ein Blick auf das Produkt um zu merken, dass Netflix hier den einfachen Weg gegangen ist. Statt zu versuchen, die bildgewaltigen Atmosphäre der unheimlichen Vorlage cinematisch nachzuempfinden, hat man einen einfachen formelhaften Spielfilm daraus gemacht. Auch verschiedene Themen wie die Abhängigkeit von VR werden hier nur oberfläch betrachtet. Entweder wollte Netflix eine größere Zielgruppe erreichen oder man wollte keine Ähnlichkeiten zu der neuen Staffel von Black Mirror schaffen. Was hierbei rauskam, hat kaum etwas mit der Vorlage gemeinsam. Doch dafür hat man Anthony Russo und Joe Russo ordentlich Geld in die Hände gedrückt, damit sie daraus ein CGI-Feurwerk machen. Hat ja schon bei den letzten Avengers geklappt.
Vergessen wir erstmal die Details und kommen wir zu den Hauptcharakteren. Dabei ist die Prämisse über einen Teenager oder eine Teenagerin, die sich mit mit einem ungewöhnlichen Wesen anfreundet, ein fest etablierter Trope, aus dem man noch interessante Geschichten spinnen kann. Man denke nur an E.T. von Steven Spielberg. Doch diese Teenagerin kann es schonmal nicht richten. Der ehemalige Kind-Star von Stranger Things kann dieser Rolle so gut wie gar nichts Neues abgewinnen. Stattdessen sehen wir diesselbe rebellische Teenagerin, die man schon immer wieder gesehen hat, jedoch ohne emotionale Tiefe. Ihre Ablehnung gegen Konventionen und ihre „inspirierenden“ Reden haben die Subtilität eines Vorschlaghammers. Und ihre Beziehung zu ihrem Bruder, die den Kern ihres Charakters und ihrer Motivation darstellt, wird in den ersten drei Minuten uninspirierend abgefrühstückt. Er ist ein Genie, er mag einen Roboter-Cartoon, er und Michelle haben sich dolle lieb, Punkt! Abgehackt, nun kann ihr Bruder aus ihrem Leben gerissen werden!
Cosmo ist da schon interessanter. Der aufgeweckte Roboter, der offenbar den Verstand ihres Bruder beherbergt, agiert schon eher als sympatisches Gegengewicht zu Michelle. Die Art wie er kommuniziert, nämlich mit Gestiken und aufgenommenen Catchphrases der gleichnamigen Zeichentrickfigur, geben ihm eine gewisse Wiedererkennung. Doch hier gibt es ein Problem: Das ist nicht ihr Bruder. Storytechnisch zwar schon, doch dieser Roboter hat kaum was gemeinsam mit dem zügig eingeführten jungen Genie aus den Flashbacks. Es mangelt an glaubhaften Parallelen und Eigenarten, dass dieser Roboter wirklich ihr Bruder ist. Da helfen die aufgenommenen Catchphrases auch nicht weiter, wenn sich Christopher nicht individuell ausdrücken kann. Es könnte genauso gut ein Betrüger sein, der sich für ihren Bruder ausgibt. Das wäre doch mal ein einfallsreicher Twist. Leider zu einfallsreich für diesen Film…
Doch wie machen sich eigentlich die Nebencharaktere, auf die das Duo trifft? Dazu gehört ein Schmuggler, gespielt von Chris Pratt, namens… wie war nochmal sein Name… Keats oder so… ach wen kümmert’s! Es ist Chris Pratt! Chris Pratt spielt Chris Pratt! Es ist diesselbe Rolle, die wir schon unter anderem aus Guardians of the Galaxy kennen, in denen er den chaotischen Star Lord spielt. Es ist die Rolle, mit der er am Vertrautesten ist: Quirlich, albern und vorlaut. Das merkt man vor allem, wenn er mit seinem Robo-Buddy Herman (Anthony Mackie) über ihre Vorräte an Popkultur-Güter streiten. Es ist unterhaltsam, doch es wirkt wie ein Abklatsch von derselben uns bekannten Figur.
Genauso wirkt es, wenn Giancarlo Esposito als Colonel Bradbury mit Hilfe der Neurocaster-Drohne Jagd auf die Protagonisten macht. Spätestens seit er als Gus Fring in Breaking Bad eine kühle und zugleich diabolisches Präsenz zur Schau gestellt hat, beherrscht er diese Rolle mittlerweile im Schlaf. So macht er auch hier nichts anderes als eine weitere Version von sich selbst zu spielen, diesmal lediglich als unabwindbarer Verfolger. Man kann hier schlecht einwenden, dass die Schauspieler hier schlampen, im Gegenteil tatsächlich. Nur ist es das, was wir schon zu gut kennen.
Und was gibt es noch. Ach ja, Woody Harrelson belebt Mr. Peanut, das Maskottchen des nicht-fiktionalen Unternehmens Planters, als Anführer der Roboter zum Leben. Es ist eine so absurde Darstellung, dass sie kurioserweise für den Film spricht. Und wenn dann noch von ihm eine plumpe Rassismus-Metapher kommt, grenzt es schon an Parodie. Doch an solchen Stellen fragt man sich dann wirklich: Moment, erwarten die Produzenten, dass man den Film mit albernen Animatoniken und Chris Pratt ernst nimmt?
The Electric State ist einer der Filme, bei denen man alleine schon anhand der Szenenbilder weiß, welchen Ton der Film haben und in welche Richtung die Handlung gehen wird – und dennoch bildet sich eine gewisse Neugier. Man erkennt der Ästhetik eine außerordentliche Kreativität an, auch wenn vieles davon nur ein Schatten der fast schon übernatürlichen Maschinerien aus der Vorlage ist, die wie Denkmäler die menschenverlassene Landschaft befüllen. Diese Adaption imitiert diese zwar, doch nur oberflächlich. Das ändert jedoch nichts daran, dass die Kreativität der Animatroniken das Highlight des Filmes ist. Angefangen mit einem Intro im Dokumentationsstil, bei dem die ersten, von Walt Disney inspirierten Roboter mit aufgezeichneten Schnurrbärter massenproduziert wurden, hat man für fast jede Tätigkeit einen individuellen Roboter entwickelt. Gerade das Design im Retrostil mit dem Gefühl „verzehrter Nostalgie“ ist sehr ansprechend. Das erinnert schon an die grotesken Animatroniken aus Five Nights at Freddys und an den futuristischen Retro-Look aus Fallout. Auch ihr eigensinniges Verhalten und ihre Persönlichkeiten sind hier markant, auch wenn hier nicht in die Tiefe gegangen wird.
Dasselbe kann man auch über die kreativen Actionszenen sagen, wenn die Maschinen auf sehr unkonventionelle Weise in die Schlacht ziehen. Wir sprechen hier von Robotern in Robotern, mechanischen Baseball-Spielern mit entsprechenden Projektilen und agressiven Baby-Robotern.
The Electric State ist so geradlinig, wie es nur geht. Die Handlung ist simpel und klischeebehaftet, versucht aber dennoch mehrere gesellschaftskritische Themen erfolglos unter einen Hut zu bringen. Dabei weiß man nie, ob man nun die alberne Prämisse ernst nehmen soll oder nicht. Die überfüllte Exposition deutet dabei schon auf Ersteres hin. Der Hauptcharakter ist flach und die Handlung wird mit einem dünnen Faden zusammengehalten.
Doch trotz allem ist es kein Totalschaden. Die Promi-Besetzung ist eifrig mit dabei, die lebendigen Maschinen sind kreativ und einprägsam und die Reise durch ein schrottbesetztes Ödland ist nachwievor unterhaltsam. Schlussendlich ist The Electric State eine kurzweilige Unterhaltung, von der man bloß nicht allzu viel erwarten sollte.
Dennoch, mit diesem riesigen Budget hätte man so viele echte Roboter bauen können…
Artikel vom 21. April 2025
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!