Kritik: The Green Knight
Was Fantasy verdient
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Sir Garwain (Dev Patel, Lion) ist ein ruhmloser Ritter, der sich lieber im Wirtshaus als zwischen den Rittern von König Arthur (Joel Edgerton) herumtreibt. Doch während des Weihnachtsfests tritt ein mysteriöser, grüner Ritter in die Tafelrunde und fordert einen mutigen Mann heraus, ihn mit dem Schwert zu treffen. Sollte es jenem mutigen Mann gelingen, muss dieser in einem Jahr die Grüne Kapelle aufsuchen, dem Grünen Ritter gegenüberstehen, und denselben Schlag empfangen, welchen er selbst gesetzt hatte.
Leider wird Sir Gawain übermütig und schlägt dem Grünen Ritter gleich den ganzen Kopf ab. Getötet wird er dadurch, zu Gawains Entsetzen, nicht. Also muss Gawain, um Ehre zu verdienen und ein echter Ritter zu werden, seinem Schicksal gegenübertreten und sich auf die One-Way-Reise zur Grünen Kapelle machen.
The Green Knight liefert genau das, was die Trailer versprechen, und mehr. Dennoch wird der Film Opfer falscher Erwartungen werden, denn die Vorstellung eines mittelalterlichen Fantasyfilms ist bei den meisten von uns sehr konservativ.
Tatsächlich ist dieser Film gnadenlos langsam, scheinbar undurchdringlich und frei von großen Actionszenen und bekannten Klischees. Wo (vermutlich) der Großteil sagen wird: langweilig, sinnlos, hochgestochen, wird der andere Teil sagen: atmosphärisch, inspirierend, anspruchsvoll.
Wie die meisten Filme aus dem Hausse A24, hat auch The Green Knight den Anspruch, mehr als nur Unterhaltung zu sein. Dieser Film will betrachtet werden, sowohl im wortwörtlichen Sinne im Betrachten eines Gemäldes, als auch im übertragenen Sinne, wie man jenes Gemälde reflektieren und in Bedeutung einrahmen würde. Die Geschichte ist viel mehr Subtext als Text, besitzt mehr Interpretationsspielraum als Handlungsspielraum und hat vor allem absolut kein Interesse daran, ein Franchise groß zu züchten.
Ohne konventionelles Blockbuster-Kino abzuwerten, ist The Green Knight genau das, was man als “Kunst-Kino” oder “Arthaus” bezeichnen würde. Daher läuft der Film auch kaum in den großen Kinos, vermutlich aus Angst, man würde seine Zuschauer überfordern. Das ist nicht nur traurig, sondern auch beinahe beleidigend, wenn man bedenkt, welch großartige Schauwerte und bekannte Schauspieler der Film zu bieten hat, und wie sehr dieser Film in das Stammprogramm der Kinos gehört.
Schon der erste Frame stellt klar, dass es sich um einen Autorenfilm handelt: Die Kamera hält statisch auf einen mittelalterlichen Vorhof, so wie man sich diesen vorstellt, mit Gänsen, Ziegenböcken, undefinierbaren Rauchschwaden und Häuserfronten aus Holz, und es wirkt wie ein Fenster in eine vergangene Zeit: Kein Filter, absolut statisch und unaufgeregt.
In den folgenden Minuten wird dann aber klar, dass The Green Knight sehr wohl stilisiert ist. Kostüme, Effekte und Set Design wirken nicht so poppig wie in einem 300 von Zack Snyder, doch auch nicht so dreckig wie in einem Game of Thrones. Die Bildsprache in The Green Knight erinnert viel mehr an den Traum eines Ritters aus dem Mittelalter: eine verzerrte Darstellung einer uns unbekannten Welt, voller Momente, die dann wiederum überhaupt nicht in das Mittelalter hineinpassen wollen und schon beinahe surreal wirken, wie zum Beispiel Sir Gawains Begegnung mit den himmelsgroßen Riesen.
Es war lange her, dass ich im Kino derart staunen konnte. David Lowery definiert “Größe” neu und erschafft statt gewaltiger Schlachten einsame Bildkompositionen, die nicht weniger gewaltig wirken. Dieser brachiale Minimalismus erinnert stark an Denis Villeneuves Blade Runner 2049.
Besonders markant ist der Soundtrack von Daniel Hart, ein Mischwesen aus Folkliedern, Frauenchören und Kammerorchester. Die Musik ergänzt das Bild meisterhaft, versprüht nochmal einen extra Funken dieser einzigartigen Atmosphäre.
The Green Knight besitzt eine sehr subjektive und unzuverlässige Erzählweise, die uns gerne auch einmal austrickst, sollte Sir Garwain träumen oder halluzinieren. Das Ergebnis: Der Film wirkt zu jeder Minute undurchschaubar und vielschichtig. Romantische Szenen werden abgelöst von albtraumhaften Visionen, wie beispielsweise die Begegnung mit dem Geist der kopflosen Winifred, die Sir Gawain darum bittet, ihren Kopf aus dem Tümpel zu fischen.
Dev Patel schafft es mühelos, die schon beinahe hoffnungslose Suche nach Ruhm und Ehre für seinen Charakter auf überzeugende Weise darzustellen – wie, für Dev Patel üblich, mit sehr dezentem Schauspiel. Wann sei ihm endlich mal ein Oscar gegönnt?
David “S”lowery ist ein Meister des langsamen Erzähltempos. Seine Szenen atmen Atmosphäre und halten stellenweise einfach drauf, während andere Regisseure schon längst weggeschnitten hätten. Tracking-Shots durch die kühle Natur Nord-Englands ziehen den Film in die Länge; für einige Zuschauer womöglich zu expansiv, doch langweilig ist der Film dabei dennoch nicht.
Das Drehbuch besitzt einen effizienten Spannungsbogen: Das große Ereignis zu Beginn des Films, das den Hauptcharakter in ein unausweichliches Dilemma bringt, zieht einen Rahmen um die Story, der die gesamte Reise Garwains mit unterschwelliger Suspense füllt. Der Film kann es sich erlauben, langsam durch die Landschaft zu streifen, da das Ziel der Reise stets wie ein warnendes Ausrufezeichen über allem schwebt. Wird Garwain am Ende wirklich seinen Kopf verlieren?
Wer das Glück hat, The Green Knight im Kino schauen zu können, der sollte das schnell tun, bevor es zu spät ist. Kein Fantasy-Film der letzten Jahre erreicht die Höhen, die David Lowery mit diesem Film erreicht. Es ist eine hypnotische Reise durch eine faszinierende Welt, die ohne Action gewaltige Bilder erschafft, ein Film, der lange nachbrennt und zum Nachdenken einlädt. The Green Knight wird ein Film der Liebhaber werden, den man sich in der 4K-Edition kauft und stolz ins Regal stellt, um ihn immer wieder zu erleben und neue Details zu entdecken. Es ist der Blade Runner des Fantasy-Genres.
Artikel vom 16. August 2021
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