6.6/10

Kritik: The Many Saints of Newark

THE MANY SAINTS OF MITTELMASS

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Genres: Drama, Startdatum: 04.11.2021

Interessante Fakten für…

  • Der Titel des Films stammt vom Familiennamen von Dickie Moltisanti, der aus dem Italienischen übersetzt “viele Heilige” bedeutet.
  • Alessandro Nivola erfuhr erst nach Beginn der Dreharbeiten, dass er die Hauptrolle spielen würde. Ihm wurden vorher nur Teile des Drehbuchs vorgelegt.

Über zwanzig Jahre nach Ausstrahlung der ersten Folge erhält die Serie “Die Sopranos” nun einen Kinoableger, der die Vorgeschichte erzählt. Serienerfinder David Chase ist mit an Board, das Casting ist vielversprechend, die Idee spannend. Wieso das Ergebnis dennoch nur ganz okay ist, erfahrt in der Kritik.

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Darum geht’s

Es ist 1967, Tony Soprano (Michael Gandolfini), der spätere Hauptcharakter von Die Sopranos, ist noch ein Kind und wächst in einer mafiös durchdrungenen Welt auf. Seine Mutter Livia (Vera Farmiga) ist emotional manipulativ, sein Onkel Junior (Corey Stoll) selbstverliebt und rachsüchtig und sein Vater Johnny (Jon Bernthal) abwesend, entweder weil er kriminell unterwegs oder deshalb im Gefängnis ist. Zum Glück hat Tony noch seinen “Onkel” Dickie Moltisanti (Alessandro Nivola), der nicht sein richtiger Onkel, aber seine wichtigste Bezugsperson ist.

Weitere Detailnacherzählungen der Handlung seien hier ausgespart, weil sie weitläufig bekannt sind. Sowohl aus der Serie, als auch auch jedem Gangsterfilm unter der Sonne.

Keine Mühen gescheut!

The Many Saints of Newark macht durchaus einiges richtig. Viele Mitglieder der Besetzung füllen die Rollen gut aus. Besonders für Freund:innen der Serienvorlage dürfte es nicht uninteressant sein, zu sehen, wie etwa Tonys Mutter Livia als junge Frau bereits dieselben Manipulationsmechanismen beherrscht, die sie später ausmachen. Hier muss auch das Spiel von Vera Farmiga ganz explizit lobend erwähnt werden.

Bei Besetzung, Setdesign Ausstattung wird viel Aufwand betrieben, um ein glaubhaftes Bild der 60er und 70er zu erschaffen.

Auch Michael Gandolfini, der den jugendlichen Tony Soprano spielt, füllt die Rolle, die seinen Vater berühmt gemacht hatte, sehr gut aus. Das Setting ist glaubhaft gestaltet und erstmal ein durchaus spannender Ausgangspunkt, um diverse Fragen an das Mafiageschichten-Universum rund um die Sopranos zu stellen.

Wer hat Tony Soprano gemacht?

So war auf einigen Plakaten zum Film vor ominös dunklen Fotos zu lesen: Who made Tony Soprano? Auch wer den Film noch nicht gesehen hat, weiß, dass diese spezielle Frage zu beantworten, ein nutzloses Unterfangen ist. Das hatte bereits die Serie vor zwanzig Jahren selbst getan.

Was Die Sopranos so außergewöhnlich gemacht hat, war der Bruch mit der Scorsese’schen Glorifizierung von Gewalt und Machismo und die Dekonstruktion des Mafiagenres. Und das durch die simple Idee, die wie eine Punchline klingt, aber eben nur der Ausgangspunkt ist: Ein Mafiosi geht zum Psychiater.

Einzelne Elemente wie diese Folterszene sind mehr oder weniger direkte Anspielungen auf Scorceses “Casino” (1995).

All das nimmt The Many Saints of Newark nun aber zu einem gewissen Grad zurück, wenn er uns wieder in eine klassische Gangsterwelt mitnimmt und dabei nichts von der Selbstreflexion gelernt zu haben scheint, die die Serie konsequent durchgezogen hat. Stattdessen werden sehr klischierte Handlungsmuster aus den letzten siebzig Jahren Mafiafilm wiederholt.

Erneute Heiligsprechung

Der Titel des Films entstammt einem Ausspruch Livia Sopranos aus der Serienvorlage. Die stetig meckernde alte Frau, die ihre Unzufriedenheit auf alle Menschen in ihrer Umgebung projiziert und stets aufgeht im theatralischen Leiden, erklärte regelmäßig alle Verstorbenen zu Heiligen. Dass sie diese aber zu deren Lebzeiten genauso gehasst hat, war ein großer Augenblick der Einsicht und der Mutter-Sohn-Konfrontation für Tony Soprano in Erwachsenenjahren.

Dein Vater war ein Heiliger!

Livia Soprano zu ihrem Sohn Tony in Die Sopranos.

Dass The Many Saints of Newark jetzt einfach erneut vorführt, dass die “Saints” aus Livias Geschichten tatsächlich keine Heiligen, sondern ganz ordentlich schlechte Menschen waren, ist etwas flach, etwas wenig. Bzw. verkehrt es sich selbst sogar noch ins eigene Gegenteil. Denn durch das augenzwinkernde Auftreten vieler der bekannten Charaktere wird wieder ein Mythos um die Mafia(-figuren) geschaffen.

Zum Vergleich…

Zugegeben, diese Kritik hält sich bisher sehr viel damit auf, Film und Serie zu vergleichen, statt den Film erstmal für sich zu betrachten. Doch ich möchte anzweifeln, ob das überhaupt möglich ist, wenn The Many Saints of Newark sich so ausdrücklich auf sein Ursprungsmaterial beruft.

Von der disruptiven Energie, die in den Race-Riot-Szenen anklingt, hätte der Film deutlich mehr vertragen können.

Natürlich sind manche Liebesszenen am Strand gut gefilmt. Szenen während Race Riots der 60er fangen das Chaos der Zeit nicht schlecht ein oder der Streit, der in schockierende Gewalt umbricht, ist auch tatsächlich schockierend gefilmt. Doch verstärkt das die benannten Probleme nur noch.

Durch die filmische Inszenierung, die cineastische Politur der Bilder wirkt alles noch mehr wie ein Heiligenbild – nebenbei auch ein “Witz”, den die Serie en passant bereits zu Werbezwecken abgehandelt hatte, als sie den Cast von Annie Liebovitz ebenso fotografieren ließ. Dem Film fehlt die televisuelle Einfachheit der Serie. Die sah nie extrem gut aus, sondern einfach, wie es vermutlich bei Gangstern daheim aussieht. Zu viel Goldfransen, zu viel Kitsch und alles auch ein wenig stumpf.

Viele Szenen sind mit stark ästhetisierendem Blick gefilmt, was stellenweise überkommen und dadurch aus unangebracht wirkt.

Doch zum Schluss noch ein Vergleich nicht zur Serie: Wer einen Post-Sopranos-Gangsterfilm schauen möchte, der aus dem, was die Serie geleistet hat, gelernt und auch eine Hauptfigur hat, die Tony Soprano ähnlich sieht und wo auch Ray Liotta zu sehen ist, dem sei empfohlen: Killing them Softly (2012).

Fazit

6.6/10
Ganz okay
Community-Rating:
Handlung 6.5/10
Schauspiel 7.5/10
Visuelle Umsetzung 6.5/10
Emotionen 6/10
Dialoge 6.5/10

Kann man machen … muss man aber nicht. Ein ziemlich konventioneller Gangsterfilm, der leider fast nichts von dem, was die Serie ausgezeichnet und besonders gemacht hatte, zu bieten hat. Stattdessen werden viele der überkommenen Mafiafilmkllischees einfach wieder bedient. The Many Saints of Newark ist in keinem Fall schlecht gemacht und kann sicher eingefleischte Genrefans freuen, aber aus den Socken reißt er beim besten Willen nicht.

Artikel vom 7. November 2021

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