Review: Die Tribute von Panem – Mockingjay Teil 2
GESCHICHTSUNTERRICHT, DER SPASS MACHT
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Es ist nicht leicht, ein Franchise zu beenden. Egal, um welche Filmreihe es sich handelt: Das Publikum erwartet ein dramatisches Finale, dass alles zuvor Gesehene übertrifft. Eine schwere Bürde für jeden Regisseur und sein Autorenteam. Vielleicht wurde es ihnen im Fall von Mockingjay Teil 2 leichter gemacht, da die Romanvorlage die Geschichte ganz von selbst zu Ende führt. Man muss sie nur sorgfältig adaptieren. Falls dann noch Gemecker auftritt, wird es einfach an den Autor der Bücher weitergereicht. Was in diesem Fall allerdings etwas hinterfragt werden kann, ist die ausgelutschte Idee, einen Film in zwei Teile zu splitten. Gerechtfertigt?
Dass es sich bei Mockingjay Teil 2 nicht um einen eigenständigen Film handelt, zeigt bereits die erste Szene ganz offen und ehrlich. Sie fängt genau da an, wo Mockingjay Teil 1 aufgehört hat, so als ob es nur eine kleine Werbeunterbrechung gab. Peeta (Josh Hutcherson) hat immer noch starke Wahnvorstellungen. Durch Folterpraktiken Präsident Snows manipuliert, leidet er unter Aggressionsattacken. Sein rasender Zorn richtet sich vor allem gegen Katniss (Jennifer Lawrence), die er am liebsten erwürgen würde.
Aber es gibt wichtigeres: Die aufrührerische Allianz der 13. Distrikte steht vor den Toren der Hauptstadt, dem Kapitol. Der Sieg über Snow’s Schreckensregime liegt in der Luft. Doch der Vormarsch in den Stadtkern gerät ins Stocken, denn die komplette Innenstadt ist mit sogenannten „Kapseln“ vermint. Snow’s Spielemacher haben Sprengsätze, Fallen und abscheuliche Teufeleien entworfen um auf grausam-intelligente Weise die Rebellen zu vernichten. Um es in den Worten Finnick Odairs zu sagen: “Willkommen zu den 76. Hungerspielen”.
Für Katniss ist all das natürlich kein Grund klein beizugeben. Zum Glück. Denn nach einer enttäuschend-verheulten Hauptdarstellerin im ersten Teil des Panem-Finales ist die wahre Katniss endlich zurück. Selbstbewusst, selbstlos und selbstbestimmt flattert der mutige Spotttölpel ins Kriegsgebiet der Hauptstadt. Unterstützung findet Katniss bei altbekannten Mitstreitern wie Finnick Odair (Sam Claflin) oder Peeta. Katiss’ Mission: Präsident Snow (Donald Sutherland) ausfindig zu machen und ihm höchstpersönlich einen Pfeil durch das kalte Herz zu jagen.
Auch die Hungerspiele finden ihren Weg zurück auf die Kinoleinwand. Nur eben gepimpt. Schon wieder Hungerspiele? Das beeindruckende ist, dass die Filmemacher es schaffen Elemente der Hungerspiele – die schließlich seit dem ersten Film ein Herzstück der Filmreihe ausmachen – zurückzuholen, ohne dass das ganze albern wird. Die Legitimation für Hungerspiel-Elemente in Mockingjay Teil 2 ist befriedigend.
Denn schließlich kommt es dadurch auch zu wirklich packenden Action-Einlagen. Sobald das Rebellenteam im Herzen des Kapitols immer mehr Gefahren ausgesetzt ist, wird auch die Atmosphäre merklich bedrückender. Endlich kommen auch wieder schaurig-gewaltige Special Effects zum Einsatz. Grandiose Spannungseinlagen (allen voran eine Alien-artige Horrorsequenz in den Tiefen eines Kanalisationssystems, inklusive sogenannter „Mutanten“) treiben einem Schweißperlen auf die Stirn. Mockingjay Teil 2 hat viel von einem lupenreinen Kriegsstreifen indem sich eine Gruppe von Soldaten hinter den Linien durchs Feindesland kämpfen muss. Tatsächlich macht das auch einen Großteil der Laufzeit aus.
Der dritte “Tribute von Panem”-Roman ist 430 Seiten dick. Wobei dick nicht das richtige Wort ist. Es ist eher ein durchschnittlich langes Buch. Nichts, dass unbedingt einen Zweiteiler als artgerechte Verfilmung verlangt. Während der erste Teil insgesamt gut, aber doch etwas langatmig war, setzt Mockingjay 2 diese Tradition fort.
Denn das Erzähltempo ist wirklich langsam, ja fast schon behutsam. Nicht unbedingt das, was man von einem actiongeladenen Finale erwartet. Die komplette erste Halbe- bis Dreiviertelstunde wird nämlich vor allem geredet. Überraschend ist, dass trotzdem keine Langeweile aufkommt. Im Gegenteil: Das ruhige Erzähltempo verstärkt die beklemmende Atmosphäre um einiges.
Dennoch gibt es Stellen, die sich wie Streckmittel anfühlen. Als wolle man das Drehbuch lediglich zu „epischer“ Länge aufpusten. Die Handlung kommt dabei so schnell voran, wie jemand, der in klebrigem Pech festsitzend jedes Bein mühsam nacheinander anheben muss (Anspielung auf ein Filmereignis, hehe).
Einige „Charaktermomente“ bremsen den Film unnötig aus, ohne wirklich viel zur Substanz beizutragen. Auf der anderen Seite ist es sehr mutig, dem action- und krawallverwöhntem Publikum einen derart “langsames” abschließendes Kapitel zuzumuten.
An der Besetzung hat sich nicht viel geändert. So groß und strahlend wie eh und je, tummeln sich ein Dutzend Hollywoodstars im Geschehen. Einige gehen jedoch regelrecht unter. Woody Harrelson und Elizabeth Banks, als die Sidekicks Haymitch und Effie, haben nur wenig Drehbuchseiten um zu brillieren. Sonst sorgten beide für eine erfrischenden Brise Humor. Ihre Abwesenheit macht den letzten Tribute-Film um einiges düsterer. Gut für die Handlung.
Leider bekommt man den Revolutions-Marketing-Chef Plutarch (R.I.P. Philip Seymour Hoffman) nur in sehr wenigen Szenen zu sehen. Seine Abwesenheit in der letzten Hälfte des Films wurde aber dennoch elegant gelöst. Nicht mit solcher Hingabe, wie beim ebenfalls verstorbenen Paul Walker in Fast & Furious 7, aber hinreichend.
Stattdessen bekommen Charaktere mehr Bühnenpräsenz, die zuvor meist nur irgendwo mitgelaufen sind. Die Rede ist von Mahershala Ali (Im Film unter dem einfacheren Namen “Boggs” bekannt). Der Anführer der Rebellengruppe bekommt einige starke Momente… wenn auch nicht zu viele.
Mit großer Spannung wurde die Lösung der Dreiecksbeziehung zwischen Katniss, Peeta und Gale (Liam Hemsworth) erwartet. Love-Triangles sind tückisch und können schnell (Twilight!!!) ins alberne abdriften. In Tribute von Panem – Mockingjay Teil 2 findet sich jedoch eine gute Lösung. Katniss trifft ihre Entscheidung (endlich!!!). Einer der beiden Anwärter auf Katniss Liebe, wird moralisch konsequent abserviert und taucht nicht wieder auf.
Kommen wir zu der letzten halben Stunde des Films. Nach einigen tragischen Szenen, die sich in Form von Gänsehaut bei den Zuschauern bemerkbar machen, erwartet man ein großes Aufbäumen, einen gewaltigen finalen Akt. Doch dieser fällt anders aus, als man ihn höchstwahrscheinlich erwartet. Anstatt einer großen Endschlacht, gibt es einen Klimax von der ganz anderen Sorte. Dramatisch. Aber dennoch fast ruhig und zurückhaltend. Ob der finale Twist wirklich unerwartet ist, bleibt den einzelnen Zuschauern überlassen. Viele werden das “unerwartete” Ende mit Sicherheit kommen sehen.
Es folgt ein ausführlicher Epilog, der schon ins Sachen Länge schon fast Ausmaße wie in Herr der Ringe – Die Rückkehr des Königs annimmt. Insgesamt wären 5 Minuten weniger vielleicht mehr gewesen, trotzdem bekommt jeder Charakter sein würdiges Ende.
Die Tribute von Panem ist kein simpler Science-Fiction-Streifen. Schon von der ersten Szene der Reihe an, versteht sich die Romanverfilmung als dystopische Parabel. Gesellschaftskritik und ethisch-moralische Fragen stehen im Mittelpunkt des Panem-Universums. Auch Mockingjay Teil 2 bleibt diesem Sujet treu. In Snows System lassen sich an vielen Stellen Vergleiche zum Totalitarismus realexistierender Staaten ziehen. Aber auch auf Seiten der Rebellen, besonders bei genauerer Betrachtung von Rebellen-Präsidentin Coin, lassen sich historische Vorbilder finden. Man kann sich denken, was Coins Plan für ein Nachkriegs-Panem ist: eine Art sozialistische Diktatur. Anspielungen darauf findet man nicht nur in der einheitssozialistischen Overall-Garderobe der Bewohner des 13. Distrikts sondern auch in ihren Propaganda-Spots.Am Ende der Reihe siegt die Ratio. Die Vernunft. Katniss, die bisher vor allem emotionalen Motiven folgte, kann diese ausblenden und entscheidet sich letztendlich für das, was am Besten für Panem ist. Sie ist eine wahre Heldin. Ein Vorbild. Die Tribute von Panem ist ein Manifest der Zivilcourage. Das Finale erscheint in schweren Zeiten. Doch genau zum richtigen Moment. Mockingjay macht Mut. Mut für unsere Zunkunft. Die Moral von der Geschicht’: Du und ich, wir können das Schicksal unserer Welt bestimmen. Gegen Terror, Tyrannen und Tod. Lasst es uns gemeinsam anpacken.
Artikel vom 20. November 2015
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