Kritik: Pets
WIRKLICH SO LUSTIG, WIE ES DIE TRAILER VERSPROCHEN HABEN?
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WIRKLICH SO LUSTIG, WIE ES DIE TRAILER VERSPROCHEN HABEN?
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Manhatten: Ein kleiner Terrier namens Max (Louis C.K., im Deutschen: Jan Josef Liefers) genießt das Großstadtleben. Alles ist perfekt. Frauchen ist fürsorglich, Schlafkorb ist gemütlich und die Pudel-Dame Gidget (Jenny Slate, im Deutschen: Jella Haase) von gegenüber startet gelegentlich knisternde Fensterflirts. Max‘ Paradies wird jedoch in den Grundfesten erschüttert, als sein Frauchen einen Chewbacca-großen Straßenköter namens Duke (Eric Stonestreet, im Deutschen: Dietmar Bär) mit nach Hause bringt. Dabei können Max und Duke eine Sache überhaupt nicht leiden: teilen.
Zwischen den Hunden startet ein regelrechter Krieg. Der führt so weit, dass Max und Duke schließlich beim alltäglichen Gassi verloren gehen. Schon bald sind ihnen finstere Gestalten wie Hundefänger oder weiße Kaninchen auf den Versen. Ja, richtig gelesen. Der Bösewicht ist ein weißes Häschen namens Snowball (Kevin Hart, im Deutschen: Fahri Yardim).
Snowball ist Anführer einer Sekte von ausgesetzten Haustieren. Sie agieren im Untergrund und sind gemeingefährlich. Ihre Motivation: Herrchen töten. Max und Duke haben Unglück im Glück, als Snowball und seine Gangstercrew den Animal-Control-Laster überfallen und die dort gefangenen Tiere befreien.
Die Pudel-Dame Gidget, im Geiste eine 14 jährige Teenagerin, bekommt nachts kein Auge mehr zu. Ihr Schwarm Max ist in Gefahr. Deshalb trommelt sie die Haustiere aus der Nachbarschaft zusammen und organisiert eine Rettungsaktion. Mit dabei: Der hyperaktive Mops Mel (Bobby Moynihan, im Deutschen: Mario Barth), die dicke Katze Chloe (Lake Bell, im Deutschen: Martina Hill), der lange Dackel Buddy (Hannibal Buress, im Deutschen: Frederick Lau) und das furchtlose Meerschweinchen Norman (im Deutschen: LeFloid).
Haustiere, die ein vor Menschen verborgenes Leben führen. Die Idee ist lustig. Spielzeuge, die ein vor Menschen verborgenes Leben führen. Die Idee ist lustig und war originell. Tatsächlich ist das nicht die einzige Gemeinsamkeit zwischen Pets und dem zwanzig Jahre älteren Toy Story. Die Geschichte um zwei eifersüchtige Gegenspieler, die um die Gunst des Herrchens kämpfen, verloren gehen und sich schließlich anfreunden, ist praktisch eine 1:1-Kopie. Auch das Rettungskommando der Freunde und die „verstoßenen“ Gegenspieler sind wie Blaupausen-Abzüge von Pixars Debütfilm. Stört das? Eher nicht.
Was Pets an Eigenständigkeit fehlt, macht der Film mit seinem Ideenreichtum wieder wett. Denn hier wird geballert. Angriffsziel: Zwerchfell. Während sich andere mittelmäßige Animationsfilme, wie zum Beispiel die Ice Age-Reihe, ein kleines Gag-Sortiment gekauft haben und jeden Knaller mit Mühe einzeln anzünden müssen, hat sich Pets eine dicke Batterie gegönnt. Einmal angezündet, hört es für 90 Minuten nicht mehr auf. Der ein oder andere Schuss setzt zwar aus, aber die Zündquote liegt trotzdem hoch.
Witze-Brainstorming bei Illumination Entertainment muss das Beste überhaupt sein. Die Regisseure Chris Renaud und Yarrow Cheney haben ihre lustigsten Mitarbeiter an einem Tisch versammelt, jedem paar Bierchen hingestellt, und drauf los gelacht. So fühlt sich Pets zumindest an.
Aus dem Thema „Haustiere“ lässt sich eben viel rausholen. So ziemlich jeder hatte schon einmal einen Goldfisch, ein Meerschweinchen, eine Katze oder einen Hund. Selbst der, der damals Urzeit-Krebse gezüchtet hat, kommt auf seine Kosten. Die Identifikationsstellen sind flächendeckend.
Würden Tiere sensibel auf Rassismus reagieren, Pets würde für reichlich Debatten sorgen. Am übelsten bekommen definitiv Katzen ihr Fett weg. Jedes Katzenklischee, das jemals existiert hat, bekommt seinen ganz eigenen Moment. Natürlich verlässt sich der Film auch bei den anderen Haustieren auf die krassesten Stereotype (offensichtliche Ausnahmen: Pudel und Kaninchen). Wer bei Pets tiefgründige und vielschichte Charaktere erwartet, wie bei den letzten Pixar- und Disney-Filmen (z.B. Alles steht Kopf) , der erwartet schlichtweg zu viel. Die Figuren sind zwar einprägsam, süß und lustig, aber gnadenlos oberflächlich. Schade, dass Hauptcharakter Max so ziemlich das langweiligste Haustier des gesamten Films ist. Der flauschige Mischling Duke bleibt dagegen viel länger im Gedächtnis und ist der wahre Star in Pets.
Bei Animationsfilmen lohnt es sich in der Tat, sich für die 3D-Vorstellung zu entscheiden. Auch Pets bietet tiefe und plastische Bilder und dazu noch mindestens drei „In-die-Luft-greif“-Momente. Auch wenn New York kaum wie New York, sondern eher wie die Pariser Altstadt mit monströsen Wolkenkratzern aussieht, ist Pets ein visuelles Festmahl. Neben den hübsch gestalteten Tieren, die mit Cuteness-overload natürlich gar nichts am Hut haben, sind die Farbtöne grell, satt und warm. Nur das Charakterdesign der Menschen fällt deutlich ab. Da die Menschheit aber (leider) kaum eine Rolle spielt, fällt das nicht weiter auf.
Zwar hat sich Illumination Entertainment auch schon bei den Ich, einfach unverbesserlich-Filmen etwas vom großen Vorbild Pixar abgeschaut. Aber spätestens nach Pets wird klar, dass das Studio kein zweites Pixar sein will. Wie schon die Minions, sorgen die Haustiere für durchweg gute Laune und Nonstop-Slapstick. Hier gibt es keine melancholischen Einkerbungen, keine todernste Themen und keine anspruchsvollen Messages. Die berühmt berüchtigten „Pixar tears“ fehlen komplett.
Tatsächlich ertappt man die Geschichte immer wieder dabei, dann doch mal ein paar Emotionen wecken zu wollen. Doch bevor überhaupt irgendwas empfunden werden kann, lässt schon der nächste Gag die peinlich-emotionale Stille platzen. Es wirkt fast schon so, als ob das Studio den Drehbuchautoren mit einem Zeigerfinger erhobenen „Wagt es bloß nicht! Es muss gelacht werden!“ jedes Mal einen Strich durch die Rechnung machte.
Ist der Film dann überhaupt was für Erwachsene? Sagen wir es so: Wer sich über die Minions kaputtgelacht hat, der wird sich auch in Pets kaputtlachen. Tatsächlich haben im Kinosaal die ältesten Herrschaften am lautesten geprustet. Die regelmäßigen „Ohwwws“ gingen auf die Rechnung der 20-30 jährigen weiblichen Besucher.
Pets ist ungefähr so kurz wie sein deutscher Filmtitel. Der Film überschreitet nicht einmal die 90 Minuten Marke. Auch hier zeigt sich wieder, dass das Studio auf Teufel komm raus keine Risiken eingehen wollte. Denn Pets fehlt es im letzten Drittel definitiv an einer sorgfältigen Auflösung. Charaktere wechseln urplötzlich die Seiten, Themen werden angerissen und nicht weitergeführt und schließlich stolpert sich der Film nach einem hervorragenden Sprint irgendwie ins Ziel. Zehn Minuten mehr hätten gut getan. Stattdessen bekommen wir eine etwas fehlplatzierte, makabere Traumsequenz, inklusive Würstchen in einer Fleischerei, die wohl jedem Vegetarier sauer aufstoßen dürfte.
Dennoch: Wenn schließlich die Endcredits rollen, lässt sich ein Grinsen nicht vermeiden. Jeder im Kinosaal hatte eineinhalb Stunden Spaß. Job erfüllt. Gut gemacht. Pets ist ein Crowdpleaser in Reinform. Das Gagfeuerwerk ballert laut, und wer dachte, dass das meiste Pulver schon in den Trailern verschossen wurde, der irrt sich. Zwar darf sich Pets nicht in die Hall of Fame der Animationsfilme einreihen, denn dafür fehlt ihm schlichtweg die Eigenständigkeit, das Feingefühl und der wertvolle doppelte Boden. Wer aber einfach mal abschalten will und einen Gute-Laune-Boost bitter nötig hat, der kann mit einem Kinobesuch absolut nichts falsch machen. Hinweis: Immerhin gibt es vor dem Hauptfilm ein kleines Wiedersehen mit den Minions.
Artikel vom 30. Juli 2016
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