Jetzt ergibt es auch Sinn, warum sich die Macher so lange scheuten, BoJack eine ausschlaggebende Charakterentwicklung zu verpassen: er ist als besoffener Chauvinist einfach viel unterhaltsamer, als mit seinem Hahnenwasser in der PET-Flasche. Zwar sorgen nun die Nebenfiguren für den einen oder anderen Reißaus-Moment, aber bisweilen wirken gerade die ersten acht Folgen der sechsten Staffel reichlich unspektakulär. Das ist aber keineswegs so tragisch, wie das jetzt klingt. BoJack-Fans wissen, was die große Stärke der Serie ist: Realismus und tiefe, im Leben gegründete Wahrheiten. Manchmal heißt das eben auch, die Serie zugunsten der Glaubhaftigkeit ein paar Gänge zurückzufahren.
Ist die Geschichte wirklich schon auserzählt?
Im letzten Jahr gab Creator Raphael Bob-Waksberg immer wieder leise zu verlauten, dass er nach BoJack Horseman – Staffel 6 noch gerne weiter gemacht hätte. Und kein Zweifel: solange im echten Hollywood die Messer gewetzt werden, gibt es genügend Stoff für BoJack und seine Freunde, genau diese Happenings genüsslich durch den Kakao zu ziehen und an den Pranger zu stellen. Seien es Machtstrukturen, Drogenmissbrauch, Vetternwirtschaft der Branche oder die allgegenwärtige Ich-Bezogenheit der Stars und Sternchen. Nein, solange es derart viel Futter gibt, könnte BoJack Horseman noch ewig sein Unwesen treiben.
Doch die Geschichte von BoJack selbst ist nun mal auserzählt. Und findet in seinem Timing auch einen guten, befriedigenden Abschluss. Dabei machen es sich die Autoren nicht leicht und führen die Zuschauer ständig an der Nase herum. Gerade in der zweiten, wesentlich stärkeren Staffelhälfte, wird dem Protagonisten mit aller Boshaftigkeit Stück für Stück die Existenzgrundlage geraubt – und damit seine Angst, Selbstzweifel und Unsicherheit umso mehr gefüttert. In Folge 15 („The View from Halfway Down“) weiß der treue BoJack-Fan dann überhaupt nicht mehr, was er fühlen soll. Der surreale Trip treibt abwechselnd Klöße in den Hals und Tränen in die Augen. Momentan hat diese Folge ein sagenhaftes 10-Sterne Rating auf imdb. Und das Zurecht!
Keine einfachen Antworten
Weiter in die Details der finalen Staffel von BoJack Horseman zu gehen, würde das Seh-Erlebnis massiv schmälern. Umso spannender ist es nachzufühlen, was die Serie im Zuschauer auslöst. Schon in der Vergangenheit haben die Macher bewiesen, dass sie keine einfachen Antworten auf ihre durchaus komplexen Fragen geben. Die Wahrheit liegt eben irgendwo zwischen schwarz und weiß. Diese Spannung auszuhalten – dazu zwingen uns die Autoren förmlich in ihrem spektakulär-unspektakulären Finale. Mit Genuss widerstehen diese der Versuchung, der Pferdegeschichte einen fulminanten, explosiven, alles in den Schatten stellenden Abschluss zu geben – sondern sie entscheiden sich für die realistische Variante. Diese mag beim ersten Schauen zwar lange nicht so befriedigend wirken, hallt dafür aber noch einige Tage nach Serienschluss nach. Mehr soll an dieser Stelle nicht verraten werden.
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