Diverser Cast ohne Raum
Was Der Befreier zu Beginn so ansprechend macht, ist die Konstellation der Figuren. Den Zweiten Weltkrieg durch die Augen indigener Amerikaner und mexikanischer Einwanderer zu erleben, birgt eine Menge Potenzial. Gerade die Geschichte von Native American Samuel Coldfoot, dem mehrfach Beförderungen verwehrt wurden, lässt tief in das fremdenfeindliche amerikanische System blicken. Immer dann, wenn kurze Konflikte, Hintergründe oder Momente allzu menschlicher Vorurteile thematisiert werden, ist Der Befreier am stärksten. Leider sind diese Szenen Mangelware. Hier wird deutlich, dass die ursprünglich auf acht Folgen angelegte Serie zugunsten des Budgets ordentlich kürzen musste.
Hinzu kommt, dass für die kurze Laufzeit recht ausgiebig eingeführte Charaktere relativ schnell aus dem Fokus geraten, weil sie entweder keinen Raum zur Entwicklung bekommen oder sehr schnell dem Krieg zum Opfer fallen. Die kurzen Momente mit dem diversen Cast geraten schnell in Vergessenheit, während am Ende vor allem der weiße, tugendhafte Offizier Sparks im Gedächtnis bleibt. Das wäre an sich nicht so tragisch, wenn die gesamte Truppe etwas mehr Zeit spendiert bekommen hätte. So fühlt sich die Erzählung nun wenig progressiv an.
Neue Grauzonen im bunten Geschehen
Doch es gibt auch einiges, was Der Befreier richtig macht. Besonders auffällig sind die immer wieder sorgsam etablierten Grauzonen, wenn es um die Moralinstanzen geht. Viele amerikanische Kriegsfilme entpuppen sich schnell als einseitige Angelegenheit, in denen der Feind schlicht böse und die eigenen Truppen Kriegshelden sind. Selbst bei modernen Klassikern wie Der Soldat James Ryan sorgte das für einen bitteren Beigeschmack. Der Befreier hingegen legt den Fokus immer wieder effektiv auf die Ungereimtheiten und blinden Flecke der jeweiligen Parteien. In der ersten Folge etwa konfrontiert ein deutscher Offizier einen Kriegsgefangenen mit der amerikanischen Rassentrennung, was diesen erst einmal sprachlos macht.
Die insgesamt stark inszenierte dritte Folge Der Feind dreht sich sogar ausführlicher um das Feindbild und bricht mit so einigen schwarz-weiß-Ansichten. Im Hinblick auf die durchaus heroisierenden Handlungselemente – Soldaten opfern sich heldenhaft für ihre Truppe auf und dergleichen – sind diese Blickwinkel enorm wichtig, da sie ein ambivalenteres und oftmals unerwartetes Gesamtbild schaffen. Hier wirft die kurze Laufzeit wieder einen Stock zwischen die narrativen Speichen, denn diese feinen Grauzonen hätten so einiges mit der Charakterentwicklung machen können. Das müssen sich die Zuschauenden nun meistens selbst zusammenreimen.
Im Westen nichts Neues
Im epischen Vorspann zur Serie wird das große Versprechen gegeben, dass wir der unbeugsamen 157. durch einige der wichtigsten Konflikte des Zweiten Weltkriegs folgen. Dafür sind die Schauplätze der Serie jedoch ausgesprochen schnell abgehandelt. Von der „Schlacht von Anzio“ über die deutsche Offensive „Unternehmen Nordwind“ in den Vogesen bis hin zum Häuserkampf in Aschaffenburg kommen zwar abwechslungsreiche Settings vor, doch werden diese relativ schnell verlassen. Die längere Exposition und der überlange Epilog grenzen das Geschehen zusätzlich ein. Auch hier wird deutlich: Der Befreier hätte wesentlich besser sein können, wenn man mehr Zeit für die Geschichte gehabt hätte. Und genau das sind ja die eigentlichen Vorzüge einer Serie, wie sie auch das große Vorbild Band of Brothers genutzt hat.
Sehr gute Einschätzung. Stimme zu und danke für die Ausführungen.