Humor, der sich entfalten kann
Der Fokus der Geschichte liegt nach den Geschehnissen der vorigen Staffel auf Nick und seiner Tochter, die sich erst einmal aneinander gewöhnen müssen. Diese skurrile, aber nicht unemotionale Vater-Tochter-Geschichte bildet eine ganz andere Basis, als bisher. Während Happy! zuletzt mit seinem Mix aus schwarzem Humor und heftigen Themen wie Kinderentführung und Pädophilie über seine eigenen Beine stolperte, geht es diesbezüglich etwas sanfter zu.
Vor allem der Humor der Serie kann sich nun vollends in einem Lachen entfalten und muss nicht im Hals verharren. Wenn Nick und Hailey etwa zu Beginn gemeinsam ihre Kohle bei Pferderennen verwetten, ist das ein einfallsreicher Bonding-Moment, der nicht nur folgerichtig ist, sondern auch eine Menge Spaß macht. Trotzdem scheut sich die Serie nicht davor, angesichts von Nicks ultrabrutalem Charakter auch einige pädagogischen Fragen anzusprechen: Welchen Einfluss hat das brutale Treiben des Vaters auf das Verhalten der Tochter? Was bedeutet es, wirkliche Verantwortung für sich und andere zu übernehmen? Warum sollte man traumatische Erlebnisse nicht einfach unter den Teppich kehren? Diese Fragen bringen, obgleich nicht immer beantwortet, eine neue Tiefe in die Serie.
Optischer und auditiver Leckerbissen
Eins steht von der ersten Sekunde an fest: Happy! – Staffel 2 ist visuell absolut beeindruckend. Hier wurde in keiner einzigen Szene geschludert. Im Gegenteil: jedes Setting ist mit Liebe zum Detail ausgestattet, die Kamera-Arbeit höchst kreativ und eigenwillig und die Dynamik zwischen Performance und Schnitt ist genau so, wie wir uns das in Zeiten von YouTube auch wünschen. Die Action ist kongenial choreografiert und inszeniert, das Sounddesign so brachial wie der Dickschädel des Protagonisten und die Effekte so lupenrein wie auch wirkungsvoll.
Happy! – Staffel 2 ist einfach eine kreative Wundertüte. Immer wieder wird der Zuschauer in eine dystopische Szenerie nach der anderen entführt, in der sich das Groteske und das Abstoßende freundlich die Hand geben. Das ist manchmal enorm verstörend und manchmal einfach unglaublich überspitzt – reißt aber selten ins schwer Erträgliche aus. So kann man die Staffel schauen, ohne danach den Glauben an das Gute im Menschen zu verlieren. Denn immer dann, wenn es zu wild wird, kommt ein augenzwinkernder One-Liner oder eine Overacting-Performance um die Ecke. Und das funktioniert nicht wegen einem, sondern einer ganzen Riege an phänomenalen Schauspielern.
Christopher Meloni in der Rolle seines Lebens
Quatschkopf und Vollblut-Grimassenschneider Christopher Meloni hat in Happy! tatsächlich seine Paraderolle gefunden. So selbstverständlich gab es wohl nur selten eine Darbietung eines grenzdebilen und so knallharten (Anti-)Helden. Melonis Spiel ist trocken, überspitzt und voller Hingabe. Ob in den Action-Szenen oder emotionalen Momente – der richtige Ton wird immer getroffen und die nächste Lachträne ist nie weit entfernt. Doch nicht nur er, auch die anderen Akteure brennen ein Feuerwerk des Wahnsinns ab.
Ritchie Coster brilliert einmal mehr als (im wahrsten Sinne) zerrissener Antagonist, der zwischen Mafia-Attitude und zerbrechlichem Charakter die volle Bandbreite der Boshaftigkeit ausspielen darf. Überboten wird er diesmal aber tatsächlich noch von Christopher Fitzgerald, der sich für keine noch so absurde Szene zu schade ist und mit seinem unglaublich pointierten Spiel stets die volle Aufmerksamkeit auf sich zieht. Das ist schlichtweg großartig! Patrick Fischler darf einmal mehr den wohl schlimmsten Psychopathen aller Zeiten spielen, bekommt aber überraschenderweise ein paar mehr Facetten spendiert, die seine Figur wesentlich ambivalenter machen. Lili Mirojnick, Bryce Lorenzo und Medina Senghore spielen da meistens verhältnismäßig sanft auf (und das will in Happy! – Staffel 2 wirklich gar nichts heißen), was der Staffel die nötige Erdung gibt, um nicht komplett im überbordenden Ozean der Skurrilität zu versinken.