Optisch und akustisch ein Genuss
Wie schon in Mr. Robot zeigt Esmail eine außerordentliche optische Kreativität in seinen Schnitten und Kameraeinstellungen, die immer eine jeweilige – inhaltlich zur Szene kommentierende Funktion erfüllen. Sei es die immer wieder vorkommende Eagle-Eye Einstellung direkt von oben oder extreme Nahaufnahmen, bei der die Kamera direkt beim Objekt bleibt. So öffnet eine Episode mit dem Herstellungsweg des mysteriösen Medikaments von der Ernte einer Pflanze im Dschungel, übers Labor bis in die Küche des Instituts, wo es dem Essen der Patienten beigemischt wird. Dieses visuelle Storytelling ist ein echter Genuss.
Auch der Score ist äußerst phantasievoll, mal hämmernd mit verschiedenen Trommeln, mal leise unaufdringlich, mal konventionell klassisch-symphonisch. Viele Szenenwechseln werden von einem Gewitterkrachen und anschließendem Wuschsound eingeleitet, was unterschwellig und in bester Hitchcock-Manier Spannung und Furcht erzeugt. In einer Episode sehen wir zwei Hauptpersonen unabhängig voneinander ein Gebäude betreten und erforschen. Eine Person geht die rechte Treppe hinauf, wo ein Wellnesscenter entstanden ist, mit einer Fülle von Besuchern und aufwändiger Dekoration. Die andere Person wählt die linke Treppe und inspiziert die verlassenen Räume des ehemaligen Homecoming Instituts, alles ist dunkel, farblos und nur noch ein Schatten von dem, was man vorher kennengelernt hat – eine verblasste Erinnerung. Diese parallele Komposition ist einerseits direkt und unverblümt, andererseits auch ästhetisch, bedeutungsvoll und spannend für den Betrachter.
Julia Roberts: Dramaqueen par excellence
Mit dem Mut zur ungeschminkten Abbildung ihres Gesichts, verschiedenen biederen Frisuren und spießiger Kleidung wirkt Roberts in der Rolle der Heidi so überzeugend, dass man in keinem Moment an ihrer Ernsthaftigkeit und Hingabe zweifelt. Allerdings muss Heidi im Laufe der Handlung erkennen, dass sie sich für unlautere Zwecke hat ausnutzen lassen, zeitweilig durchaus bereit war, am Spiel teilzuhaben, bis es zur Krise kommt. Das Jonglieren mit Zeitebenen, Erinnerungen bzw. ausgelöschten Erinnerungen und Emotionen bestimmt den Ablauf der Handlung.
Drei Männer beeinflussen sie auf verschieden Weise: der ihr anvertraute Walter Cruz, zu dem sie Gefühle entwickelt, ihr Chef Colin, der versucht mehr oder wenig erfolgreich ihr Handeln zu beeinflussen und ein Ermittler des Verteidigungsministeriums (Shea Whigham), der 2022 durch eine Beschwerde auf den Fall aufmerksam wird und in unerbittlicher und stiller Beamtenmanier die zum Teil verwischten Spuren wieder aufnimmt. Er wird zum stillen und unauffälligen Helden an Heidis Seite. Doch trotz großartiger Besetzung in allen Nebenrollen trägt Julia Roberts die Serie auf ihren schmalen Schultern – und das mit einer Professionalität und Feinfühligkeit, die ihre wirkliche Klasse als Schauspielerin beweist.
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