„Und weiter geht‘s…“
Das ist der erste Satz der zweiten Staffel. Und wie es weiter geht! Doch bevor wir uns auf die Story und Escobars episches Finale konzentrieren, schauen wir uns noch einmal den „echten“ Protagonisten der Serie an: Agent Steve Murphy. Der blonde Amerikaner mit lausigem 70er-Jahre Schnauzer hat in der ersten Staffel nicht viel hergegeben. Seine Charakter war blass, seine One-Liner lahm und seine gesamte Attitüde hölzern und unsympathisch. Glücklicherweise macht Steve in der zweiten Staffel einen deutlich besseren Eindruck. Ob es nun daran liegt, dass die Handlung weniger seiner erklärenden Off-Kommentare braucht, oder das Drehbuch ihm mehr Luft zum atmen gibt – der DEA-Agent geht als Protagonist nun endlich „okay“ – ein Schnurrbart hingegen… naja.
Spanisch-Kurs für angehende Bandidos
Eine Tatsache, die sich für erst ziemlich abschreckend anhört: 80% der Serie ist auf Spanisch. Für uns deutsche Synchro-Muffel ist das ein Kulturschock. Wir müssen lesen! Widerlich!
Doch jeder, der die erste Staffel schon gesehen hat, wird mir zustimmen (ansonsten Kommentar hinterlassen!): Es funktioniert prächtig. Wir freuen uns sogar immer ein bisschen, wenn der spanisch sprechende Cast wieder seine Dialogzeilen wie ein Maschinengewehr runter rattert und dabei wild artikuliert. Mit rollendem R heizt Narcos – Staffel 2 das lateinamerikanische Temperament der Serie an. Auch an das Lesen der Untertitel gewöhnt man sich schnell, sodass das „Kleingedruckte“ nach zwei Folgen überhaupt nicht mehr auffällt.
Warum erinnert Raúl Méndez als kolumbianischer Regierungspräsident César Gaviria so sehr an den jungen Al Pacino? Und warum lädt er jede seiner Szenen mit solch einer Dramatik auf, wodurch sich Narcos wie ein epischer Film-Klassiker im Stil von Der Pate anfühlt? Ich kann es ehrlich gesagt nicht beantworten. Dennoch ein ganz großes Lob an den viel zu unbekannten Schauspieler, der mit seiner aufrechten Körperhaltung, seinem sturen, wenn auch müden Blick all die Last, die ein Präsident, der nicht Herr im eigenen Land ist, auszuhalten hat, auf überzeugende Weise verkörpert.
Doch Raúl Méndez ist bei weitem nicht der einzige hochkarätige Schauspieler des spanischsprechenden Casts. Auch Neuzugang Damian Alcazar als Gilberto Orejuela, der Erzfeind des Escobar-Kartells, bekommt seine großen Szenen. Der (meistens) entspannte Geschäftsmann und Drogenboss muss sich nicht vor Wagner Mouras Escobar-Performance verstecken. Dabei ist sein Charakter besonders wichtig für die zweite Staffel – vor allem für den Fortgang der Serie. Doch es wäre ein Spoiler, den Grund hierfür zu verraten.
Ironie: Wagner Moura ist Brasilianer
Ja, ganz recht: Der Schauspieler von Drogenbaron Pablo ist kein Spanier und Spanisch ist nicht seine Muttersprache. Tatsächlich hat sich Moura extra Spanisch-Stunden genommen, um den perfekten Escobar zu geben. Das Ergebnis seiner Schauspielkunst ist allerdings so perfekt und umwerfend authentisch, dass mir andauernd die Kinnlade herunterklappt. Mit intensivem Blick und markanter Stimme, gibt er den perfekten Psychopathen, der hin und wieder aber auch ganz nett sein kann. Vergleicht man seine Performance mit realen Interviews von Escobar, wirkt das Original wie eine niedliche Imitation des grausamen Massenmörders, der für tausende brutale Hinrichtungen verantwortlich war. Kann man eine Rolle überhaupt noch überzeugender spielen, als ihr reales Vorbild? Anscheinend schon.
Hochspannung, Epik und Dramatik
Soviel darf man wohl verraten: Pablo Escobar lebt nicht mehr – also in der realen Welt. Die etwas besser informierten Narcos-Fans wissen auch, dass Escobars Geschichte nach Staffel Eins schon zum Großteil erzählt wurde. In Staffel Zwei gibt es somit keinen jahrzehnt-übergreifenden Handlungsbogen mehr und kaum noch Zeitsprünge. Stattdessen nimmt sich das Drehbuch viel mehr Zeit und bremst das Erzähltempo ab. Während Staffel Eins noch die Geschwindigkeit einer Hitler-Doku auf n24 hatte, lässt die zweite Staffel mehr dramaturgische Sorgfalt und ausgiebige Dialoge à la Breaking Bad zu. Wird Narcos dadurch langweiliger? Nein.
Eine Geschichte über organisiertes Verbrechen braucht einfach diese unterschwellige Suspense – diese Unsicherheit, dass jeder Charakter im nächsten Moment das Opfer eines Attentats werden könnte, oder geheime Verschwörungen und Verrat das Imperium zu Fall bringen könnten. Die zweite Staffel Narcos bietet Suspense bis zum Unerträglichen. Der Stresslevel der Zuschauer wird konstant hoch gehalten. Subtile Nervosität wechselt sich mit elektrisierender Hochspannung ab, die meistens durch stark inszenierte Schießereien und Verfolgungsjagden aufgelöst werden. Allen voran wird der Horror von Bombenanschlägen in Narcos mit verstörendem Realismus eingefangen. Die Serie ist definitiv nichts für schwache Gemüter.
Kolumbien: Zwischen Himmel und Hölle
Das Intro von Narcos wirkt eher romantisch als schrecklich. Das Gleiche gilt für das lateinamerikanische Setting, das trotz der exzessiven Gewalt und der elendigen Armut irgendwie als Urlaubsziel einlädt. Ist das makaber? Vielleicht. Aber die in den Sonnenuntergang gehüllten Landschafts- und Stadtpanoramen, lassen Kolumbien ziemlich romantisch aussehen. Der harmonische Einsatz von lateinamerikanischer Volksmusik und Originalsoundtrack unterstreicht das stimmige Setting, dass bei näherer Betrachtung aber die Hölle auf Erden ist.
Zu viel Fiktion?
Sind Unterhaltungsformate überhaupt dazu verpflichtet, reale Ereignisse mit dokumentarischer Sorgfalt wiederzugeben? Diese Frage kann man natürlich aus zwei Blickwinkeln beantworten. Einerseits kann es dem Durchschnitts-Zuschauer herzlich egal sein, ob ein Ereignis aus der Feder des Geschichtsschreibers oder des Drehbuchautors stammt – denn er selbst wird sich vermutlich nicht die Mühe machen, die Geschichte zu hinterfragen und auf eigene Faust zu recherchieren.
Auf der anderen Seite liegt natürlich eine Gewisse Verantwortung in der Hand von den Regisseuren und Produzenten José Padilha und Chris Brancato. Denn allzu lange her sind die Ereignisse in Kolumbien noch nicht – mit jeder „realen Geschichte“ tritt man nämlich irgendjemand auf die Füße. So äußerte sich Escobars Sohn Sebastian Marroquin zur Serie und veröffentlichte eine Liste mit fiktiven Elementen der Serie. Dass Marroquin jedoch nicht die unparteiischste Quelle ist, sollte jedem klar sein.
Letztendlich sind die Abweichungen in Narcos zur Realität aber nicht monumental und bewegen sich im Spielraum der künstlerischen und dramaturgischen Freiheit. Hier mal eine Verfolgungsjagd oben drauf, da mal ein füllender Nebencharakter mehr – oscarprämierte Filme wie Argo oder Catch me if you can haben sich mindestens genauso viele fiktive Elemente erlaubt und drücken ebenfalls ein bisschen aufs Drama-Pedal. Und das ist auch gut so.
Wenn man sich „Narcos“ anschaut merkt man als Latina und noch mehr als Kolumbianerin sofort, dass der Schauspieler nicht aus Kolumbien kommt. Wagner Moura ist Brasilianer und ohne Zweifel ein sehr guter Schauspieler. Nur ist Spanisch nicht mal seine Muttersprache. Leider macht dies für mich die Serie unauthentisch. Ursprünglich stammt P. E. aus Medellín und von da stammt auch den sogenannten „paisa“ Akzent, der sogar für reine Kolumbianer richtig zu imitieren ist je nachdem man kommt…
*der sogar für reine Kolumbianer SCHWER zu imitieren…..