7.1/10

Kritik: The Last of Us – Staffel 2

TOUR DE FORCE ODER ROADTRIP?

Genres: Action, Drama, Horror, Zombie, Startdatum: 14.04.2025

Interessante Fakten für…

  • Komponist Gustavo Santaolalla hat – wie im Spiel – einen kleinen Cameo-Auftritt.
  • Jeffrey Wright übernahm die Rolle des WLF-Anführers Isaac, den er schon im Spiel verkörperte.

Nach der gefeierten HBO-Adaption des Playstation-Hits „The Last Of Us“ steht nun die zweite Staffel ins Haus – und die Fangemeinde reißt sich online bereits die Köpfe runter. Denn: Wenn das Videospiel bereits für reichlich Kontroversen sorgte, wird das bei der Verfilmung nicht anders sein. Oder etwa doch?

Avatar-Foto
#NetflixAndChill #Meta #AdvocatusDiaboli

Darum geht’s

Am Ende von The Last of Us – Staffel 1 steht eine Lüge. Und die frisst sich so hartnäckig ins Bewusstsein der Protagonistin Ellie (Bella Ramsay, Game of Thrones), dass sie auch Jahre später immer noch im Raum steht. Sie und ihr quasi Ziehvater Joel (Pedro Pascal, The Mandalorian) haben sich im Refugium in Jackson bei Joels Bruder Tommy (Gabriel Luna) eingelebt. Doch die Fronten scheinen verhärtet – und niemand spricht so richtig darüber.

Während sich Joel weiterhin als Beschützer seiner (Wahl-)Familie etabliert, bandelt Ellie mit der liebenswürdigen Dina (Isabela Merced) an. Doch das halbwegs geregelte Leben in der befestigten Stadt gerät schon bald aus den Fugen. Denn eines Tages kreuzt Abby (Kaitlyn Dever) mit ihrer Entourage auf – und einem brutalen Plan.

Höchst umstritten, schon lange vor der Adaption

War das Playstation Original The Last of Us unumstritten eines der größten Meilensteine in jüngster Videogame-Geschichte, sah es mit der heißersehnten Fortsetzung ganz anders aus. Die kreativen (und mutigen!) Entscheidungen von Neil Druckmann und seinem Team schmeckten vielen Fans des ersten Spiels überhaupt nicht. Der vorzeitige Leak einer der Schlüsselmomente führte zu einem regelrechten Eklat, Morddrohungen an Druckmann und den Schauspieler:innen inklusive.

Zwischen Joel (Pedro Pascal) und Ellie (Bella Ramsay) herrscht dicke Luft…

Um diese Rezension einzuordnen: Ich gehöre zu der Fraktion, die The Last of Us: Part II zu einer der immersivsten, kompromisslosesten und moralisch vielschichtigsten Erfahrungen zählt, die sie je erlebt hat. Das Spiel schafft meiner Meinung nach einen Sog an moralischen Grautönen, die noch lange nachhallen. Dabei ist die einzigartige Spielstruktur gewagt und ganz schön konfrontierend – und gar nicht so leicht zu adaptieren. Ist das nach der ersten, stark umgesetzten Staffel gelungen?

Mehr Zombies, mehr Gewalt, mehr Dilemmas

Die gute Nachricht zuerst: Der zweite Streich der Apokalypse-Story ist visuell absolut fantastisch und ziemlich heftig geraten. Die Setpieces sind durch die Bank weg atemberaubend gut, weil sich akribisch an die Vorlage gehalten wurde. Das zeigt wiederum, mit was für einer Detailverliebtheit die Developer:innen zugange waren. Zerstörte Städte, heruntergekommene Musik- und Bücherläden, ein vom Fungus durchzogener Krankenhauskeller und der sachte Schneefall durch ein Loch in der Decke eines Bürogebäudes – das alles muss das Herz jedes Fans höher schlagen lassen.

Infizierte überall: auch in Staffel 2 werden keine halben Sachen gemacht.

Habe ich an der letzten Staffel noch die wirklich sparsam eingesetzten Infizierten bemängelt, startet The Last of Us – Staffel 2 schon in der zweiten Folge mit einem absoluten Paukenschlag. Eine übergroße Horde, die über Jackson herfällt, ist beängstigend, brachial und blutrünstig. Die Macher:innen sind in Sachen Gewaltdarstellung keine Kompromisse eingegangen – egal ob beim Kampf gegen die Infizierten oder die ultrabrutalen Seraphites. Die Gewalt verfolgt dabei nie einen Selbstzweck, sondern zahlt auf das Worldbuilding ein. Denn: In dieser Welt ist niemand sicher.

Wie adaptiert man eine geteilte Erzählstruktur?

Ohne zu viel zu verraten: The Last of Us: Part II arbeitet mit einer zweigeteilten Erzählstruktur, die dieselben drei Tage in Seattle aus zwei Perspektiven schildert und auch erst in Kombination ihre volle Tragweite entfaltet. In der zweiten Staffel wird überwiegend aus der ersten Hälfte des Spiels geschöpft, was einerseits logisch erscheint, andererseits den finalen Punch des Spiels nicht landen kann. Denn: Jede Geschichte hat zwei Seiten. Wir bekommen allerdings (vorerst) nur eine Seite gezeigt.

Screenwriter Craig Mazin kürzt das Ausgangsmaterial überwiegend sinnvoll zusammen, sodass die einschlägigen Events des Games vorkommen und gleichzeitig mit neuen Informationen angereichert werden. So bekommen wir in Folge 6 einen Einblick in Joels Kindheit, der sich thematisch durch die wirklich starke Folge zieht und Joels Charakter weiter schärft. An anderen Punkten gehen die Events allerdings ganz schön flott. Denn die sieben Folgen geben zu wenig Raum für die ultrabrutale Tour de Force, die Ellie im Spiel durchläuft. Und das wird zum größten Problem der Staffel.

„Oh, Ellie. I think they should be terrified of you.“

Dina

Ellies Antrieb bleibt Behauptung

Während viele Figuren sehr nah an der Vorlage angesiedelt sind, wurden Ellie und einige ihrer Erlebnisse merklich verändert – und das sorgt für Frustration. Im Spiel ist Ellie die treibende Kraft, getrieben von Hass und Vergeltung. Diese Empfindung teilen wir auch aus Spieler:innen fast bis zur letzten Konsequenz. Die Serie lässt sich im entscheidenden Moment zu viel Zeit und geht an anderen die Abkürzung. So wirkt Ellies selbstgewählte Mission anfangs eher wie ein netter Roadtrip mit teils unfreiwillig komischen Interaktionen („I’m gonna be a dad!“), die im krassen Kontrast zum Spiel stehen. Ihre gefährliche Präsenz bleibt Behauptung, Ellie wirkt viel zu kindlich und harmlos für das, was hier erzählt wird.

Ellie und Dina (Isabela Merced, rechts) begeben sich in die Höhle des Löwen.

Denn letztlich ist zumindest die erste Spielhälfte ein Marsch der Gewalt, Verwüstung und blinden Wut. Während wir dort schon im ersten Tag in Seattle mit schweißnassen Händen etliche Gegner:innen brutal über den Jordan befördert haben, ist Ellie in der TV-Adaption überraschend handzahm und zurückhaltend. Natürlich ist es auch im Spiel eher unlogisch, dass sich eine 19-jährige durch Hunderte Menschen metzelt. Doch das macht die Abwärtsspirale von Ellie erst erlebbar. Diese innere Motivation, geboren aus blinder Wut, kommt in der Adaption deutlich (!) zu kurz und so kauft man ihr diese letztlich nicht ab. Momente wie im Keller des Krankenhauses wirken daher fast deplatziert, obwohl sie im Spiel einen kompromisslosen point of no return einläuteten.

Pedro Pascal bleibt Fanliebling, Bella Ramsay kämpft sich ab

Was sich Bella Ramsay angesichts dieser Drehbuch-Entscheidungen online gefallen lassen muss, ist schlichtweg inakzeptabel – denn für kreative Plot-Entscheidungen kann sie nichts. Ihre Ellie legt sie rebellisch, humorvoll und durchaus dickköpfig an und das funktioniert an vielen Stellen gut. Ellies unbeugsamer Wille, ihre bedrohliche Präsenz und entschiedene Gewaltbereitschaft hingegen sucht man oft vergebens – sind aber für den Plot das A und O. Leider steht Bella Ramsay als Protagonistin immer wieder im Schatten der anderen, stark agierenden Schauspieler:innen.

Pedro Pascal hat es einfacher, da sein Joel sehr nah an der Vorlage bleibt. Als väterlicher Beschützer inmitten moralischer Drahtseilakte ist er präsent, nahbar und zerbrechlich. Die Momente zwischen ihm und Ellie gehören zu den großen Stärken der Adaption. Ein Urteil, das übrigens auch schon viele über die entsprechenden Sequenzen im Spiel gefällt haben. Der restliche Cast ist ein Volltreffer: Gabriel Luna als Joels Bruder Tommy, Isabela Merced als Dina, Young Mazino (Beef) als Jesse, Kaitlyn Dever als (nicht so muskelbepackte aber dennoch ungeheuer bedrohliche) Abby und Jeffrey Wright, der auch schon im Spiel den brutalen Gruppenleiter Isaac verkörpert hat. Sie alle machen Lust auf die dritte Staffel!

Ellies konsequenter Rachefeldzug bleibt – anders als im Spiel – überwiegend Behauptung.

Brauchen wir die 3. Staffel für ein finales Urteil?

The Last of Us – Staffel 2 ist somit insgesamt sehenswert, allein schon aufgrund ihrer absolut bombastischen Inszenierung und Schauwerte. Auch die moralischen Dilemmas, die zum Herzstück des Spiels gehören, lassen sich zumindest ansatzweise nachempfinden – und viele emotionale Flashbacks treffen ins Schwarze. Aufgrund der geteilten Erzählung werden allerdings manchmal etwas ungelenk Informationen und Umwege eingestreut, die sich beim Spielen organischer zusammengefügt haben (Stichwort: Abstecher auf die Insel in Folge 7).

Denn letztlich braucht es den zweiten Teil der Vorlage, um die Geschichte von Ellie und Dina in den richtigen Kontext zu rücken. Dieser moralische Twist machten für mich das Spiel nahezu unaushaltbar. Es ist möglich, dass die dritte Staffel Teile des hier gezeigten Narrativs nachträglich etwas nachvollziehbarer und stringenter macht – auch, wenn deutlich zu wenig Schnittpunkte der Geschichten gestreut werden. Über die Schwachpunkte der zweiten Staffel wird das deshalb letztlich kaum hinweghelfen.

Fazit

7.1/10
Ordentlich
Community-Rating:
Handlung 6/10
Schauspiel 7.5/10
Visuelle Umsetzung 8.5/10
Figuren 6/10
Horror 7.5/10

The Last of Us – Staffel 2 gelingt in einigen Teilen erneut der Sprung in das neue Medium. Worldbuilding, Action, Set- und Zombie-Design sowie die hochemotionalen Momente des Spiels werden teilweise sehr gut aufgefangen und an den richtigen Stellen erweitert. Lediglich Bella Ramsay und ihre Figur Ellie haben unter den Drehbuchentscheidungen merklich zu leiden: Ihre teils passive, teils zu handzahme und kindliche Art unterwandert den eigentlichen Kern der Story und schwächt das ursprünglich immersive Erlebnis merklich. Aus einer Tour de Force wird somit eher ein beiläufiger Roadtrip ohne die Dringlichkeit, die das Spiel mit sich brachte – und das funktioniert insgesamt nur bedingt.

Artikel vom 27. Mai 2025

0 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

4001Reviews.de (V4) – Seit 2015