8.7/10

Kritik: Die Dunkelste Stunde

EINE BULLDOGGE ZUM LIEBHABEN

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Genres: Biografie, Drama, Historienfilm, Startdatum: 18.01.2018

Interessante Fakten für…

  • Gary Oldman hat ein Jahr lang Winston Churchill und seine Eigenheiten studiert, bevor er mit den Dreharbeiten zu diesem Film begann.
  • Es ist ein trauriger Zufall, dass John Hurt an Krebs erkrankt war, als er Neville Chamberlain, den 1940 im Sterben liegenden britischen Premierminister, darstellen sollte. In einem Interview sagte Gary Oldman jedoch, dass Hurt wegen seiner Krankheit nie zu einer Lesung kam und keine Szene drehen konnte. Der Film wurde dennoch Hurt gewidmet, da es sein letztes Filmprojekt gewesen wäre.

Im Historienfilm “Die Dunkelste Stunde” zieht Regisseur Joe Wright auffällige Vergleiche zwischen Winston Churchill und Donald Trump. Was sich sonst noch hinter dem Oscar-nominierten Drama verbirgt, erfährst du in unserer Kritik.

#storysüchtig #strangerthings #schwarztee

Darum geht’s

Im Mai 1940 scheint der Zweite Weltkrieg bereits verloren. Wie Dominosteine fällt ein mitteleuropäischer Staat nach dem anderen in den Schoss Hitlers. Wenig später wird zudem die gesamte britische Berufsarmee im belgischen Dünkirchen eingekreist. Die Appeasement-Politik von Neville Chamberlain (Ronald Pickup), der versuchte Hitler mit kleinen Zugeständnissen vom Schlimmsten abzuhalten, ist kolossal gescheitert. Doch dann betritt – mit Zigarre, Melone und Gehstock bewaffnet – ein eigenwilliger Superheld das Spielbrett: Winston Churchill.

Das Gegenstück zu ‚Dunkirk‘

Trotz Widerständen in der eigenen Partei wird der exzentrische Außenseiter Churchill (Gary Oldman: Dark Knight-Trilogie, Dame, König, As, Spion, Harry Potter) zum neuen britischen Premierminister ernannt. Nicht nur die Abneigung seiner eigenen Parteigenossen, sondern auch sein von Völlerei, Alkohol und ungestümem Jähzorn gezeichnetes Wesen erinnern in der Inszenierung von Regisseur Joe Wright (Stolz und VorurteilAbbitte) überraschend stark an Donald Trump, den Poltergeist im zeitgenössischen Weißen Haus.

Für die britische Geschichte ist Churchill jedoch weniger Albtraum, sondern viel mehr Heiland. Ihm wird zugeschrieben den Wendepunkt – wenn nicht sogar den Sieg – im Kampf gegen Nazi-Deutschland herbeigeführt zu haben.

Dass da noch ein paar Faktoren mehr hineinspielen weiß auch Joe Wright, der sich in Abbitte bereits im Jahr 2007 mit „der dunkelsten Stunde“ der jüngeren britischen Geschichte beschäftigte: der Umzingelung des britischen Expeditionskorps in Dünkirchen.

Als hätten sie sich abgesprochen, liefern Joe Wright und Christopher Nolan mit nur wenigen Monaten Abstand Filme zum selben Thema. Während sich Dunkirk meisterhaft auf die Ereignisse am Strand von Dünkirchen (englisch: Dunkirk) konzentriert, legt Darkest Hour, wie der Originaltitel des Historiendramas lautet, das Augenmerk auf die politischen Ereignisse in London.

Eine Klatsche für Trump

Winston Churchill (Gary Oldman) nach seiner berühmten Rede „We shall fight on the Beaches“.

Darkest Hour ist, genauso wie Dunkirk, ein Kriegsfilm. Die Geschütze die Wright dabei auffährt sind jedoch Worte, nicht Schusswaffen. Wenn Churchills tobende Stimme die Reihen seines Kabinetts mit Wortsalven bestreicht, dann steht das dem Geschützdonner an der Front nur um Weniges nach. Joe Wright illustriert damit eindrucksvoll wie sich in Kriegszeiten auch die Zivilgesellschaft und besonders deren Rhetorik verändert. Kein Wunder, dass Churchill von seinen Zeitgenossen mit dem Spitznamen „Bulldogge“ belegt wurde.

In der Tat benimmt sich der Churchill, den Wright zeichnet, über weite Teile des Films wie ein Elefant im Porzellanladen – und erinnert dabei besonders an Donald Trump. Wright betont dennoch den Unterschied der Beiden, was sich in der Kernfrage des Films erkennen lässt: Soll ein gefährlicher, anti-demokratischer Führer besser beschwichtigt oder lieber bekämpft werden? Churchill, der die Beschwichtigungs-Taktik (Appeasement-Politik) seiner Vorgänger für gescheitert erklärt, plädiert für Kampf. Übertragen auf das hier und jetzt lässt sich Die dunkelste Stunde auch als Mahnung daran verstehen, was passiert, wenn man Antidemokraten nicht die Stirn bietet.

Die Frau hinter dem Staatsmann

Faszinierender als die Schimpftiraden Churchills, sind jedoch Feuerpausen, in denen Gary Oldmans Churchill einem Schuljungen gleich witzelt und herumalbert. Diese naive Leichtigkeit macht ihn zu einem Charakter, den man einfach liebhaben muss – trotz oder gerade wegen seiner charakterlichen Mängel.

Eine besondere Rolle wird dabei Churchills Frau Clemmie zuteil, die hingebungsvoll von Kristin Scott Thomas (Lachsfischen im JemenDer Englische Patient) gespielt wird. Sie ist Vertraute und Dompteurin zugleich und federt die Launen und Unzulänglichkeiten ihres Mannes bedingungslos ab. Clemmie ist es auch, die uns ermöglicht hinter die grimmige Fassade des Staatsmannes Churchill zu schauen. Durch ihre Perspektive erhaschen wir einen besonders intimen Blick auf den Privatmann Churchill.

Ein Spielfilm wie eine Dokumentation

Joe Wrights Churchill hat also zwei Gesichter. Er ist nicht nur genialer Politiker, liebender Ehemann und humorvoller Kollege, er ist auch ein jähzorniger, sexistischer und rücksichtsloser Chauvinist. Während Gary Oldman aus dieser Palette an Charakterzügen eine schauspielerische Meisterleistung macht, führt Wrights Churchill-Figur auch zu Verwirrung.

Keine Frage, dass ein komplexer Charakter zu begrüßen ist. Womöglich mag die historische Figur auch genau diesen Effekt auf seine Zeitgenossen gehabt haben. Für einen Spielfilm dieses Formats bedarf es jedoch eines Erzählstils, der mehr Partei für den einen oder den anderen Charakterzug ergreift. Ganz so, wie es beispielsweise in der Netflix-Serie The Crown gelingt. Das sachlich-nüchterne Porträt Wrights erinnert jedoch mehr an einen Dokumentarfilm, was in einer gewissen Enttäuschung und Ratlosigkeit am Ende des Kinobesuchs resultiert.

Handwerklich hochwertig

Die Maskenbildner haben bei Gary Oldman wahre Wunder bewirkt.

Gary Oldman als Winston Churchill in Die Dunkelste Stunde Kritik

Handwerklich ist Darkest Hour wiederum ein Augenschmaus. Sowohl die einfühlsame und gleichzeitig rücksichtsvolle Kameraarbeit, als auch das stimmungsvolle Production Design fangen das depressive Gefühl einer Nation, die ihr Ende vorausahnt, hervorragend ein. Das Beeindruckendste ist jedoch die Arbeit der Maskenbildner, die Gary Oldman auf verblüffende Weise in den übergewichtigen Churchill verwandeln. Auch dank dieser Verwandlung geht Gary Oldmans in seiner Rolle erst richtig auf. Seine Darbietung ist zweifelsohne der absolute Pluspunkt des Films und wurde zurecht mit einem Oscar für „Bester Hauptdarsteller“ geehrt.

Fazit

8.7/10
Sehr Gut
Community-Rating: (1 Votes)
Handlung 8/10
Schauspiel 10/10
Visuelle Umsetzung 8.5/10
Kostüm & Maske 8/10
Emotionen 9/10
Details:
Regisseur: Joe Wright,
FSK: 6 Filmlänge: 125 Min.
Besetzung: Ben Mendelsohn, Gary Oldman, Kristin Scott Thomas, Lily James, Ronald Pickup, Stephen Dillane,

Die dunkelste Stunde lebt von großartigem Schauspie. Er zeichnet ein vielschichtiges Charakterbild vom britischen Premierminister Winston Churchill, der mit der drohenden Niederlage gegen Nazi-Deutschland schwer zu kämpfen hat. Gary Oldmans grandiose Performance als polternder Staatsmann und witzelnder Privatier haucht der verstaubten Geschichtsfigur neues Leben ein. Doch trotz der handwerklich erstklassigen Inszenierung ist der Film von Joe Wright einer sachlich-nüchternen Erzählweise verhaftet, die das Potenzial der Hauptfigur nicht vollends ausschöpft. Die Message des Films könnte jedoch nicht besser auf aktuelles Zeitgeschehen einzahlen und verleiht Darkest Hour eine Dringlichkeit, die einen Kinobesuch lohnt.

Artikel vom 28. Februar 2018

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