Kritik: Ich bin dein Mensch
BEEP BEEP, ICH HAB DICH LIEB
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In naher Zukunft ist das zwischenmenschliche Glück nur eine Bestellung entfernt: Modernste Technik ermöglicht lebensechte Roboter, die für Singles zu perfekten Partner:innen werden. Für Versuchskaninchen Alma (Maren Eggert) wurde ein optimal auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenes Modell hergestellt, nun soll sie drei Wochen mit dem charmanten Roboter Tom (Dan Stevens) zusammenleben und anschließend ein ethisches Gutachten formulieren, vom welchem die Zulassung für den Markt abhängt.
Roboter bauen unsere Autos, mähen unseren Rasen oder saugen unseren Teppichboden. Auf der Leinwand führen sie dagegen häufig ein Schattendasein. Als Handlanger dürfen sie dem Menschen helfen, Heldentaten zu vollbringen oder den Bösewicht spielen, welchem im großen Finale dann der Stecker gezogen wird. Mit ihrer Evolution entwickelten sich jedoch ganz neue Erzählungen über die Maschinen und das Kino schenkte uns einige tiefere Einblicke in ihr Seelenleben – und in unseres.
Ich bin dein Mensch versucht eine Darstellung der Liebe im robotoiden Zeitalter. Wo liegen, trotz perfekter Imitation des Lebens, die Grenzen der Simulation? Wieviele Nullen und Einsen erzeugen Schmetterlinge im Bauch? Können Roboter uns lieben, können wir sie lieben? Künstliche Intelligenz weiß mittlerweile, wann wir ins Bett gehen, kennt die Songs, die wir in traurigen Momenten hören, weiß um die Sonderwünsche bei der Pizzabestellung und spürt, wann wir uns zurückziehen: wäre es da nicht logisch, sie zu daten? Denn wer wünscht sich nicht, in einer Partnerschaft „verstanden“ zu werden?
Alma kriegt genau diesen Daten-gespeisten Mr. Charming geliefert. Tom ist nicht nur galant, gutaussehend, kulturell bewandert und verständnisvoll, nein, Tom ist ihr Mann. Toms Geist ist auf Almas vermeintliche Bedürfnisse angepasst, durch Auswertung von Millionen von Datensätzen als perfekt passendes Puzzlestück kalibriert. Als digitaler Algorithmus auf der Höhe der Zeit lernt Tom stetig dazu. Verdreht Alma zu seinem „Hallöchen“ die Augen, kann sie sicher sein, es in Zukunft nie wieder hören zu müssen. Unbeliebte Macken werden aus dem System gelöscht, bis eine aalglatte Persönlichkeit zurückbleibt, die jeglicher Reibung entbehrt. Was zunächst traumhaft klingt, wird schnell langweilig und legt offen, worin die eigentliche Magie der Liebe liegt: Sich gegenseitig annähern, kennenlernen, so lieben, wie man ist.
Alma ist schnell genervt von Tom. Selbst auf die Frage nach seinem englischen Akzent hat Tom die passende Antwort: „Du scheinst zu dem Typ Mann hingezogen zu sein, der irgendwie außergewöhnlich, aber nicht exotisch ist – Engländer halt.“ Nichts geheimnisvolles verbleibt, der Charme ist schnell entzaubert, hinter allem steckt die Berechnung. Tom versucht jeder Meinungsverschiedenheit und jedem Streit aus dem Weg zu gehen. Überraschend ist er auch nie, er ist immer dort wo man ihn braucht und sagt das, was man hören will. Dadurch wird die Beziehung zu Tom nicht zu einer Vereinigung mit einem subjektiven Gegenüber, sondern einer Beziehung zu sich selbst. Tom ist kein Individuum, Tom ist Alma
Aus dieser Erkenntnis formt der Film seine Botschaft. Das perfekte Match lässt sich nicht kalkulieren. Liebe passiert einfach, die Flugkurve von Armors Pfeil ist unberechenbar. Die Krux des Ganzen jedoch: statt einen unterhaltsamen Film mit guten Denkanstößen zu sehen, fühlt man sich wie in einer mittelmäßigen Philosophie-Vorlesung. Alles wirkt sehr konstruiert, die Dialoge fließen nicht, sondern stelzen umher, um die Zuschauer:innen von Punkt A zu Punkt B im Denkprozess zu geleiten. Da fallen dann schauerhafte Sätze wie: „Liebe überwindet alle Grenzen? Tss. Das war doch schon immer eine Lüge.“ Oder „Was versteht ein Roboter schon von Gefühlen?“. Kein normaler Mensch spricht so, im Kino hingegen sind solche Phrasen älter als das Kaugummi unterm Sitz.
Man kann den Film für den interessanten Spin des Rom-Com-Genres loben. Der genretypischen Moral (Jeder Topf hat einen Deckel, sie müssen sich nur finden) wird entgegengehalten, dass es nicht zwangsläufig immer ein perfektes Gegenstück geben muss und ein Leben auch ohne Partnerschaft vollständig sein kann. Trotzdem ist die Geschichte in den lustigen Momenten bestenfalls angenehm, in den philosophischen sehr bemüht. Viele andere Filme erreichen mit deutlich mehr Leichtigkeit dieselben Denkanstöße.
Dan Stevens Schauspiel als Roboter ist hervorragend, seine Figur ist eine realistische Robotersimulation, die sich dementsprechend verhält. Maren Eggerts Alma hingegen ist eine Mensch-Simulation, die sich so verhält, wie ein Mensch sich nach Ansicht der Drehbuchautor:innen verhält. Die bereits erwähnten, arg gekünstelten Dialoge sollen uns zum tiefen Nachdenken anregen, treiben aber leblos an der Oberfläche.
Alma selbst ist, ob intendiert oder nicht, die unsympathischste Hauptfigur, an die ich mich in jüngerer Vergangenheit erinnere. In ihrer Hochnäsigkeit lässt sie Tom ihre volle Abneigung spüren: Er sei eine herzlose Maschine und könne sich niemals mit ihrem Intellekt messen. Doch Tom blickt hinter ihre Fassade. Alma ist eine Egoistin. Sie ist im mittleren Alter und es ist ihre größte Angst, allein zu sterben. Sie verneint nicht nur sich selbst das Glück, schlimmer noch, sie verwehrt es anderen. Ihrem Ex-Partner, nun in einer glücklichen Beziehung, begegnet sie mit Missgunst. Später treffen wir den etwas rundlichen Senioren Dr. Stuber, der niemals Glück bei den Frauen hatte, mit seiner neuen Roboterdame aber überglücklich ist. Alma bleibt dabei: das ist keine Art zu leben. Stumpfe Befriedigung von Bedürfnissen macht uns satt und faul. So weit, so nachvollziehbar. Doch nach der Begegnung mit Dr. Stuber wirkt ihr Fazit zynisch: Hey Stuber, nimm ab, lern Manieren, gib dir Mühe, pass dich an, dann klappt das schon mit der Damenwelt.
Almas Botschaft ist paradox, man möchte zustimmen, gleichzeitig erleben wir aber Figuren wie Dr. Stuber oder Almas dementen, im Haus eingesperrten Vater, für die so eine Technik ein Segen sein könnte. Alma ist eine verbitterte Person, was sie natürlich nicht als Hauptfigur disqualifiziert. Das Problem ist, dass sie zum einzigen Sprachrohr wird, ihre aus dem Off vorgetragene Philosophie bleibt stehen.
Am Ende blieb mir ein sehr übler Nachgeschmack. Wir verbringen 104 Minuten in Maria Schraders Vision von Berlin (bereits aus dem großartigen Unorthodox bekannt), in dem hippe, gut ausgebildete Menschen zwischen Uni und Coffeeshop pendeln, bevölkert von anderen hippen Leuten aus dem Diversity-Zufallsgenerator. Menschen mit echten Problemen, Gegenstimmen, die von dieser Technologie profitieren könnten, kommen kaum vor. Und Alma, die Schlagfertigste und Schlauste von allen, erklärt uns ihre Version von “Der Weg ist das Ziel”. In Almas Welt gäbe es keine Fertiggerichte, man kann schließlich selbst kochen. Es gäbe keine Film-Zusammenfassungen, man kann schließlich die Filme selbst sehen. Es gäbe vielleicht auch kein Arbeitslosengeld, man muss halt einfach an sich arbeiten, kämpfen, sich optimieren. Schöne neue Welt.
Roboterromanzen sind gern gesehener Stoff auf der Leinwand. Durch die Begegnung mit den Maschinen erkennen wir Menschen, was unser Leben so einzigartig macht: Das Ungeschliffene, die kleinen Fehler und Macken. Ich bin dein Mensch berührt diese Punkte, hat aber kaum Spielraum. Die Hauptfigur Alma steht uns und sich selbst dabei im Wege, die Randbereiche der Thematik zu erkunden. Der Film erzählt das, was sowieso bereits bekannt ist auf bemühte und farblose Weise. Die Leidenschaft, Poesie und Kreativität, die der Film vom menschlichen Leben fordert, liefert er selbst nicht.
Artikel vom 12. Juli 2021
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