Kritik: Arrival (2016)
GEMÜTLICHE ALIEN-INVASION
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Stellt euch vor, ihr schaut Nachrichten. Während ihr euch müde von Neuigkeiten über Trump, Merkel und dem Nahen Osten berieseln lasst, wird das Programm für eine Eilmeldung unterbrochen:
Zwölf Unbekannte Flugobjekte gesichtet.
Der Film lässt es uns spüren: Der Riss aus dem Alltag und die pure Fassungslosigkeit. Wir folgen Dr. Louise Banks (Amy Adams), die an einer Universität Vorträge über Linguistik hält. Ihre Vorlesung wird durch die Eilmeldung unterbrochen: Ab diesem Moment ist nichts mehr so, wie es war.
Schon bald wird Louise von Colonel Weber (Forest Whitaker) aufgesucht. Das Militär will mit den Außerirdischen kommunizieren. Wer eignet sich dafür besser als eine ausgebildete Linguistin? Zusammen mit dem charmanten Physiker Ian (Jeremy Renner) und Captain Marks (Mark O’Brien) reisen Louise und Weber also an den Landeplatz eines Raumschiffes, um die Sprache der Aliens zu dekodieren. Dabei soll vorrangig eine Frage geklärt werden: Was wollen sie hier?
Ihr möchtet brachiale Monsteraction und Wolkenkratzer, die wie Dominosteine umfallen? Dann amüsiert euch doch mit Herrn Roland Emmerich und seinem neuesten Streifen Independence Day: Wiederkehr. Arrival ist nämlich das Gegenteil eines typischen Science Fiction-Films: Es gibt überhaupt keine Action. Wortwörtlich.
Regisseur Denis Villeneuve, der auch schon ruhige Filme wie Sicario oder Prisoners gedreht hat, bietet stattdessen ganz andere Qualitäten. Sein Regiestil formt aus der (mittlerweile) durchgekauten Thematik des ersten Alien-Kontakts einen hypnotischen Kino-Trip mit anspruchsvoller Geschichte. Arrival zeigt uns wenig und sagt uns noch weniger. Stattdessen muss sich der Zuschauer das Geschehen selbst zusammenreimen und empfänglich für die subtilen Experimente von Villeneuve sein.
Vor allem zu Beginn des Films erschafft Arrival durch seinen Minimalismus eine unheimlich bedrückende Grundstimmung, die den Spannungsregler ganz gemächlich aufdreht. Dabei lässt sich der Film nicht aus der Ruhe bringen. Gerade die Szenen der Breaking News oder der ersten Raumschiff-Exkursion werden euch langsam die Nackenhaare aufstellen und dieses unterschwelliges Gefühl der Gefahr spüren lassen. Regisseur Stanley Kubrik lässt grüßen! Darum punktet Arrival vor allem im ersten Drittel der Laufzeit mit den stärksten Szenen.
Überraschung: Natürlich basiert die Geschichte von Arrival auf einer geschriebenen Vorlage – die Kurzgeschichte Story of your life von Autor Ted Chiang. Drehbuchautor Eric Heisserer baut die Handlung wiederum zu einem vollwertigen und klar strukturierten Film aus. Die Schauplätze sind im Grunde auf zwei reduziert: Im Raumschiff und vor dem Raumschiff. Szene für Szene setzt Arrival also das Puzzle zusammen. Während der Laufzeit erahnt der Zuschauer schon, dass das Gesamtbild eine unerwartete Wendung der Geschichte darstellen wird – und das tut es auch. Arrival bietet einen „Mindfuck“ in bester Nolan-Manier, wie es sich für einen modernen Sci-Fi-Film eben gehört.
Während die Auflösung des Films eine Klasse für sich und unmöglich vorauszuahnen ist, leidet die Dramaturgie jedoch unter einer gewissen Antriebslosigkeit. Das letzte Drittel des Films ist, trotz der grandiosen Wendung, leider antiklimatisch. Das liegt nicht an fehlender Action, sondern viel mehr am Erzähltempo der Story. Eine straffere Inszenierung des finalen Akts hätte das Gesamtpaket gestärkt und für mehr „Wow-Effekt“ gesorgt, den die Handlung verdient hätte. Stattdessen beharrt Villeneuve auf seiner minimalistischen Erzählweise und lässt die Handbremse angezogen. Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn der Film erst gar nicht den Eindruck wecken würde, diese am Ende lösen zu wollen.
Auch wenn Arrival keinen Wert auf Action und Effekte legt, sieht der Film umwerfend aus. Die Kamerafahrten ziehen weite Kreise, genauso wie die logografischen Schriftzeichen der Aliens. Natürlich ist alles eine Metapher, die Villeneuve mit seinem eleganten und durchdachten visuellen Stil andeuten möchte.
Auch Design und Animation der Aliens sehen ultra-realistisch aus. Sie bewegen sich zwar meist im Nebel und hinter einer Scheibe, doch genau diese Distanz macht die Außerirdischen noch unberechenbarer und mysteriöser.
Das Highlight ist jedoch die Soundkulisse. Schaut den Film unbedingt in einem Kino mit guter Anlage! Der unterschwellige Soundtrack und die eingeworfenen Basseffekte wechseln sich ab mit absoluter Stille, welche die besonders dramatischen Szenen noch intensiver erscheinen lässt.
Amy Adams trägt den Film. Ihr gehört fast jeder Frame und sie macht das Beste daraus. Ihr Charakter bekommt zwar nicht den tiefgreifenden, emotionalen Komplex, der sie auf Oscar-Niveau katapultiert, dafür passt ihr schauspielerischer Einsatz genau zum Ton des Films: Leise und subtil.
Weniger stark ist hingegen Jeremy Renner, dessen Rolle im Film ein reiner Mittel zum Zweck ist. „Natürlich“ braucht Amy Adams einen männlichen Mitspieler. Doch wirkt sein Charakter in Arrival auch nicht komplexer als „Hawkeye“ von den Avengers – ein typischer Jeremy Renner eben. Sympathisch aber etwas oberflächlich. Der markantere Forest Whitaker als Colonel Weber und der undurchsichtige General Shang (Tzi Ma) bleiben aus diesem Grund eher im Gedächtnis, wobei der chinesische Anführer der Militärstreitkräfte noch eine tragende Rolle in der Geschichte einnehmen wird. Rollen wie diejenige des Agent Halpern (Michael Stuhlbarg) sind jedoch irrelevant und sofort wieder vergessen.
Arrival braucht keine Action, denn Denis Villeneuves neuestes Sci-Fi-Werk überzeugt mit subtiler Spannung, unvorhersehbaren Wendungen und einer schönen visuellen Ästhetik. Amy Adams ist eine gelungene Protagonistin, auch wenn der restliche Cast dagegen blass aussieht. Leider geht dem Film ausgerechnet gegen Ende etwas die Puste aus und verpasst die Gelegenheit, ein intensives Finale zu schaffen. Dennoch kann nach dem Kinobesuch ausgiebig über die Geschichte diskutiert werden!
Artikel vom 26. November 2016
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