Kritik: Babylon – Rausch der Ekstase
WAS SOLL DER QUATSCH?
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Die Nachmittagssonne scheint über dem staubigen Los Angeles im Jahr 1926, während der mexikanische Einwanderer Manuel Torres (Diego Calva), genannt “Manny” auf einen Transportlaster wartet, um einen Elefanten zu transportieren. Der ist als Unterhaltungsprogramm bei der am Abend anstehenden Party in der Villa eines der Leiter der Filmstudios “Kinoscope” vorgesehen.
Nach etlichen Hindernissen und Bestechungen kommt Manny mit Elefant bei der Party an, die bereits in vollem rauschhaften Gange ist. Es wird getanzt, Alkohol und Drogen fließen und regnen in rauen Mengen, Sex und nackte Haut, wohin man auch schaut. Und in all dem Chaos und der Extase trifft er auf die großmäulige Nellie LaRoy (Margot Robbie), die sich selbst bereits zum “Star” erklärt hat. Gemeinsam nehmen sie Kokain und fantasieren von der großen Karriere in Hollywood, träumen davon, Teil von “etwas Großem” zu sein…
Die Filmwelt von Hollywood ist wohl eines der am besten beleuchteten Milieus überhaupt. Vielleicht nicht am häufigsten, diese Ehre gebührt vermutlich dem “Wilden Westen” oder mafiösen Gangsterstrukturen und den Polizeiwachen auf der anderen Seite des Gesetzes.
Doch selbstverliebt, wie der Mensch eh schon ist, und selbstverliebter, wie die Stars und Sternchen in Hollywood den Klischeevorstellungen entsprechend sind, wird die gesamte Filmgeschichte hindurch immer wieder ausführliche Selbstbetrachtung betrieben. Von Billy Wilders Sunset Boulevard (1950) bis zu David Lynchs Albtraum-Kehrseiten-Film Mulholland Drive (2001). In diese Reihe gehört auch Babylon – Rauch der Ekstase.
Neben den Ausschweifungen der “roaring twenties” in Parties, Alkohol- und Drogenkonsum, Sex und Gewalt, verhandelt Regisseur Damien Chazelle (Whiplash, La la Land) in seinem Film auch den Zeitenwechsel in Hollywood, den Übergang vom Stumm- zum Tonfilm. Und das mit all den vielen Handlungselementen und -fäden, die man kennt, weil Filme über Hollywood sie eben immer so oder so ähnlich darstellen.
Aufstieg und Fall eines jungen Sternchen, Überheblichkeit und Hochmut, Maßlosigkeit und Selbstüberschätzung, das Zermahlen Werden in den Rädern der Filmindustrie. Vom Publikum geliebt werden, vom Publikum gehasst werden, der alternde Star, der nicht mehr mithalten kann und das Ende seiner Karriere nicht verkraftet, und und und. All das gab es schon etliche Male, rein inhaltlich ist Babylon – Rausch der Ekstase sehr stark derivativ und hat wenig Neues oder Interessantes zu sagen. Was natürlich nicht immer notwendig ist – Wenn nicht auch die Machart zu wünschen übrig ließe…
Bei der Behandlung im weitesten Sinne unangenehmer Themen stellt sich immer die Frage, inwiefern ein Kunstwerk diese Themen auch in seiner Machart aufgreifen darf, kann und sollte. Beispielsweise wäre ein Film, der sich mit “Langeweile” als Thema befasst, dann aber selber extrem langweilig ist, wohl nur sehr schwer als Erfolg oder gelungen zu werten. Babylon – Rausch der Ekstase ist nun vollends Einheit von Form und Inhalt.
Der Exzess des frühen Hollywood, den der Film abbilden will, übernimmt er auf allen Ebenen. Das beginnt bei der kolossalen Laufzeit von über drei Stunden für ein paar Geschichten, die sich in wenigen Sätzen zusammenfassen ließen.
Ein Intro, aus dem man fast nichts erfährt, dafür aber mehrere Male verschiedene Menschen beim Sex auf der Tanzfläche, sich Anpinkeln oder dem Einführen von Sektflaschen in den Enddarm beobachtet. All das mag skandalös sein, wenn es nicht so gehaltlos wäre. Dem liegt ein gleichzeitig freudig erregter “schaut her, wir trauen uns was und zeigen, wie wild es wirklich war” und abgebrüht desinteressierter Gestus zugrunde.
In der deutschen Vermarktung wurde dann auf den Exzess in der Form sogar noch eins drauf gesetzt, indem der Film einen schrecklich dämlichen Untertitel erhalten hat. Babylon, so der Titel im Original, steht als Symbolbild seit jeher für die Sittenlosigkeit, für den Exzess und die Ausschweifung.
Offenbar hält man das Deutsche Publikum allerdings für besonders blöde und begriffsstutzig, dass selbst das offenkundigste Bild, noch einmal durch die Beigabe von Rausch der Ekstase aufgeschlüsselt wird. Und das auch noch falsch, sei erwähnt; denn “Rausch” und “Ekstase” verschweigen – durch Weglassung von z.B. “Sünde” oder “Dekadenz” – die auch ganz eindeutig negative Konnotation der (biblischen) Geschichte Babels.
Direkt zu Beginn des Films offenbart einer Szene, dass der Rest eigentlich nichts werden kann. Wie schon erwähnt, muss ein Elefant zu einer Party transportiert werden. Als der Laster, auf dem der Elefant steht, einen Hang nicht hochkommt, steigen Manny und sein Helfer aus und schieben, während der Fahrer aufs Gas tritt. Und dann scheißt der Elefant dem Helfer auf den Kopf.
Ein sehr infantiler, fäkaler Witz. Aber sei es drum, auch das ist erlaubt. Doch der Elefant hört nicht mehr auf zu defäkieren. Literweise fließt es dem Mann über den Kopf, bedeckt ihn am ganzen Körper mit Kot, es spritzt und klatscht, die Kamera kann kaum noch etwas sehen, weil alles voller brauner Spritzer und Schmierer ist. Wieso? Völlig ohne Sinn. Einfach nur, weil Kacke eben lustig ist.
Der Humor in Babylon – Rausch der Ekstase ist vollkommen ohne Ziel, ohne Zweck oder Absicht. Von wenigen Momenten abgesehen. Das ist umso tragischer, da die Musik des Films – als einzig positiv hervorstechendes Merkmal – durchgehend auf den Punkt ist. Der Soundtrack von Justin Hurwitz, der auch bereits zu sämtlichen vorigen Filmen von Regisseur Chazelle die Musik komponierte, ist gelungen. Eine Mischung aus Jazz- und Brass-Versatzstücken und Gegenwartsproduktion ergibt eine mitreißende Klangkulisse, ohne die die drei Stunden “Ekstase-Rausch” wohl kaum zu ertragen wären.
Babylon – Rausch der Ekstase ist undiszipliniert, selbstverliebt, nicht lustig und alles andere als berauschend. Regisseur Damien Chazelle hat bereits mit Whiplash (2014) oder La La Land (2016) deutlich bessere Filme abgeliefert. Davon übrig ist leider nur noch der Soundtrack von Justin Hurwitz. Den höre man sich besser mal so an, den Film kann man auslassen und lieber drei Stunden lang nichts tun, das hat mehr Gehalt.
Artikel vom 23. Januar 2023
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