Kritik: Der Hauptmann
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1945, an der deutschen Front: Der Krieg wird keine zwei Wochen mehr dauern. Die deutschen Streitkräfte sind versprengt und verzweifelt. Willi Herold (Max Hubacher) ist ein Deserteur, der von seinen Landsleuten durch das Dickicht gejagt wird. Doch Willi hat Glück: Nicht nur kann er dem Todesurteil für seine Desertion entkommen, er findet auch noch eine herrenlose SS-Hauptmanns-Uniform. Auch wenn sie nicht ganz perfekt sitzt, reicht die Uniform vollkommen aus, um eine irrsinnige Maskerade ins Rollen zu bringen.
Willi sammelt sich eine Gruppe von Deserteuren zusammen, die er als „Hauptmann Herold“ herumkommandiert. Er habe einen „Auftrag, direkt vom Führer“ und müsse die Zustände hinter der Front dokumentieren. Als Herolds Gruppe an einem Gefangenenlager für Deserteure ankommt, eskaliert Willis Rollenspiel in einen blutigen Amoklauf…
Natürlich denkt man sofort an Schindlers Liste. Dabei ist Schwarz-Weiß vermutlich die ausdrucksstärkste und passendste Filmvariante für die Darstellung des Nazi-Horrors. Ganz ehrlich, irgendwie stellen wir alle uns doch die NS-Zeit in Schwarz-Weiß vor. Schuld daran sind natürlich die zeitgenössischen Fotos und Filmaufnahmen, die in ihren farblosen, schattigen Bildern umso gruseliger wirken. Von eben dieser unterkühlten und tristen Atmosphäre profitiert Der Hauptmann, der das Schwarz-Weiß hervorragend einsetzt und stinknormale Landschaften in bildgewaltige und furchterregende Settings verwandelt.
Die Kamera ruht sich nicht aus und fängt das Geschehen aus allen denkbaren Blickwinkeln ein. Dabei schraubt der Kameramann sein Gerät immer wieder vom Stativ ab und beweist, dass Shaky-Cam einen unglaublich immersiven Effekt haben kann – wenn man es denn richtig macht. In anderen Sequenzen gibt’s dann doch auch mal stoische Totalaufnahmen zu betrachten, die meistens die Absurdität einer Situation einfangen. z.B. als die Gruppe von Soldaten den Geländewagen des „Hauptmanns“ durch den Matsch zieht. Diese Einstellung hat es letztendlich sogar aufs Filmposter geschafft.
Ebenso furchteinflößend ist der maschinelle und dissonante Filmscore, der sich mehr wie verzerrter Kriegsartillerie-Krach anhört als Musik. In Kombination mit den tristen Schwarz-Weiß-Aufnahmen funktioniert der Score sehr effektiv. Da kann man sich nur zu gut in das Trauma der Deserteure und Kriegszitterer einfühlen, auch wenn zweites nicht wirklich aufgegriffen wird.
Doch leider ist nicht alles in Der Hauptmann so effektiv wie die audiovisuelle Umsetzung.
Wie so oft in deutschen Filmen, haben die Schauspieler ein Problem mit natürlich wirkenden Dialogen. Gespräche wirken oft hölzern und gleichzeitig überspielt, so als ob der Cast zu einem Theaterpublikum sprechen würde. Da hilft auch das immer wieder erzwungene Nuscheln nicht weiter.
Max Hubacher kann man sein Overacting verzeihen, da er ja zum Großteil des Films in die Rolle des „Hauptmanns“ schlüpft. Die authentischste Performance liefert Milan Peschel als Freytag, der dem Hauptmann als erstes über den Weg läuft und sich schnell als unterwürfiger Diener beweist. Frederick Lau als Deserteur, der das Rollenspiel von Willi Herold zu durchschauen scheint, steigert sich mit Herzblut in seine psychopathische Rolle hinein, auch wenn ein paar seiner Ausraster zu überspitzt wirken.
Der Hauptmann baut von Anfang an ein großes Suspense-Konstrukt auf. Wie lange wird Willis Rollenspiel unentdeckt bleiben? Schwentke arbeitet dabei mit den üblichen Nazi-Klischees, die wir bereits aus Inglourious Basterds und Co. kennen. Es gibt wieder SS-Offiziere, die sich fiese Psychospielchen erlauben und alles zu durchschauen scheinen, in manische Wutanfälle verfallen, nur um sich wenige Minuten später wieder im eloquenten Deutsch über die fehlende Disziplin deutscher Soldaten zu brüskieren. Das hat man alles schon gesehen und ist lange nicht mehr so überraschend wie in älteren Nazi-Filmen.
Artikel vom 24. März 2018
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