Kritik: Horizon
EPOS MIT STARTSCHWIERIGKEITEN
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Irgendwo im amerikanischen Westen gründet eine handvoll Abenteurer eine Siedlung namens “Horizon”. Tage später werden die Invasoren vom ansässigen Stamm der Westlichen Apachen attackiert. Doch wenig später trifft der nächste Treck in den Ruinen ein – Horizon ist tot, es lebe Horizon. Eroberung und Rückeroberung sind das blutige Schicksal der Stadt. Lt. Gephart (Sam Worthington) versucht die Einwohner zu schützen, doch sieht besorgt, wie immer mehr Siedler eintreffen und fürchtet den unvermeidlichen Konflikt mit den Ureinwohnern. Lucy (Jena Malone) wird erbarmungslos von Caleb (Jamie Campbell Bower) und Junior (Jon Beavers), den Söhnen ihres gewalttätigen Ex-Mannes, gejagt. Der Pferdehändler Hayes (Kevin Costner) gerät zufällig ins Kreuzfeuer als er eine Unbeteiligte schützt. Der junge Pionsenay (Owen Crow Shoe) beobachtet sorgenvoll die Ausbreitung der Siedler im Land, sein Stamm ist zerrissen zwischen dem Glauben an ein Zusammenleben und dem Griff zu den Waffen. Und der von Matthew (Luke Wilson) angeführte Treck hat noch keine Ahnung von den Gefahren des Westens. Voller Hoffnung fahren sie Tag für Tag weiter westwärts…
In den USA geht es 2024 um alles – mal wieder. Im Wahljahr der Präsidentschaft wird das Blaue vom Himmel versprochen und der Teufel in allen Farben an die Wand gemalt. Denn das Land muss sich als “westliche Schutzmacht” die Fragen stellen, wie es weitergehen soll. Wofür auch immer er eigentlich steht, “der Westen” wankt. Die USA sind innerlich zerrissen. Freiheit, Recht und Gesetz werden wieder offen in Frage gestellt. Bei der Frage, wohin es gehen soll, kann es helfen zurückzusehen, woher man kommt. Auftritt Kevin Costner.
Hollywoods Rodeoreiter sitzt seit mehr als 40 Jahren fest im Sattel und selbst legendäre Flops wie Waterworld oder Postman können ihn nur kurzzeitig abwerfen. Aufstehen, Staub abschütteln, zurück in den Regiestuhl. In Horizon erzählt der bewiesene Western-Fan nun nicht irgendeine Cowboy-Story, er schürft nach dem Geist des Westens. So eröffnet Horizon mit einem der ursprünglichsten Akte der US-Geschichte. Ein Mann treibt einen Pfahl in den Boden, spannt Schnüre und verkündet: “Dies ist mein Besitz”. Die Hammerschläge auf die Pfähle sind wie Funkenschlag im trockenen Wald. Die Inbesitznahme des Kontinents (sprich: Vertreibung der Indigenen) ist zu gleichen Teilen DNA und Virus des Landes. Alle Hoffnung und alle Probleme resultieren daraus. Und der Strom an Siedlern reißt nicht ab.
Auch der Film selbst wird von immer neuen Figuren bevölkert, Costners Ensemble nimmt Serien-typische Ausmaße an. Die vielen Handlungsstränge führen der Story jeweils eine Handvoll Menschen zu. Es ist bemerkenswert, wie Charaktere mit wenigen Pinselstrichen gezeichnet und aufgerichtet werden und mit tatsächlichem Wiedererkennungswert bestehen. Größtenteils geschieht das durch mangelnde Tiefe der Figuren und dem Rückgriff auf Archetypen des Genres. “Lonesome Hero” Hayes (Kevin Costner) kommt aus der “Harte Schale, weicher Kern”-Schublade, “Bad Guy” Caleb Sykes (Jamie Campbell Bower) ist düster, aber ohne Motivation.
Nebenfiguren sind auch reichlich vorhanden, jedoch eher funktional als emotional. Egal ob Love Interest, tickende Zeitbombe oder Klotz am Bein, viele der Figuren sind leider nur Steigbügel für die weitere Story und leicht durchschaubar. Selbst für den Comic Relief gibt es direkt mehrere Personen. Costner ist ein Fan des klassischen Westerns und so gibt es auch hier Tollpatsche, die zu Banjo-Klängen herumstolpern. Das ist angenehm klassisch, aber selten wirklich lustig.
Der Fokus auf die Figuren vernachlässigt das, was um sie herum geschieht. Zu wenige große Einstellungen lassen die Landschaft erkunden. Egal ob die Maler der “Hudson River School” oder John Ford, den großen Bild-Erschaffer des Westerns gelang es immer, das Land selbst sprechen zu lassen: Einsamkeit, Hoffnung, Chance – All das steckt in den Sandkörnern und Baumnadeln. Die Sets des Films sind etwas zu sauber, die Hemden weißer als glaubhaft, die Frisuren sitzen. Nach Spät- und Anti-Western vollzieht Costner nun die Rolle Rückwärts und inszeniert quasi einen Anti-Antiwestern, der weniger schmutzig, dafür epischer sein soll. Lang ist er zweifelsohne, breit auch, doch ist die bisherige Tiefe der Story überschaubar.
Neuen Serien verzeiht man gerne etwas maue erste Folgen, schließlich müssen erst Charaktere und Szenario etabliert werden. Der erste Teil dieses ambitionierten Western-Epos fühlt sich tatsächlich wie ein Einstieg an. Unzählige Figuren, Konstellationen und Konflikt-Keime werden gesät. Fans des Genres haben Spaß, doch der fesselnde Auftakt einer Reihe ist hier nicht gelungen. Horizon verspricht ein Epos mit langem Atem zu werden, welches statt blutiger, kurz aufflammender Action eher eine ausführliche Studie von Tod, Scheitern, Hoffnung und Heldentum ist.
Artikel vom 22. August 2024
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