Die Hauptausstellungsstücke dieser Kunstgalerie sind über 900 Figuren, die von 12 Skulpteuren in akribischer Handarbeit erstellt wurden. Aber auch die Puppenhaus-Sets des Films erwachen durch einzigartige Liebe zum Detail zum Leben.
Inszeniert sind diese einfallsreichen Exponate in Andersons gewohnt eigensinniger visuellen Ästhetik, die von einer Obsession zur Symmetrie bestimmt wird. In Isle of Dog wirkt diese jedoch weitaus weniger erzwungen als noch in Grand Budapest Hotel. Denn dieses Mal reichen sich Inszenierung und Setting die Hand, indem Andersons Ästhetik auch als eine Hommage an Bunraku, das traditionell japanische Puppenspiel, gelesen werden kann.
Aber auch mir, dem Mitteleuropäer, bereiten die zentrierte Perspektive und die mechanischen Puppenbewegungen eine konstante Freude, wecken sie doch seelige Erinnerungen an das Kasperle-Theater meiner Kindergartentage.
West-Ost, Schwarz-Weiß
Auch sonst trägt das japanische Setting einen entscheidenden Teil zum Charme des Films bei. Mit Freude zum Detail zaubern Wes Anderson und Kunichi Nomura, der Co-Autor des Films, eine Fülle kultureller Anekdoten auf die Leinwand: Die Zubereitung von Sushi, das Yakuza-Tattoo auf Kobayashis Rücken oder die Hachikō-Statue am Ende des Films sind dabei nur die offensichtlichsten.
Doch auch wenn die Absicht, japanischer Kultur Tribut zu zollen, wahrhaftig und voll guten Willens sein mag, bietet Isle of Dogs dennoch Anlass zur Kritik.
Während die hündischen Protagonisten dank der Stimmen berühmter Hollywood-Stars zum Leben erwachen, sind die japanischen Figuren überwiegend herzlose Marionetten (Atari ausgenommen). Dass es in Andersons Geschichte eine vorlaute, naseweiße, amerikanische Austauschschülerin braucht um dem japanischen Regime Probleme zu machen, wirkt dabei umso mehr aus der Zeit gefallen (Stichwort: Weltpolizei USA). Hätte es statt eines amerikanischen Agent Provocateurs nicht auch eine mutige Japanerin getan? (Lies hier eine Meinung, die mir widerspricht)
Eine Persiflage im Hundepelz
Das Herz von Isle of Dogs sind jedoch die namensgebenden Vierbeiner, die Atari während seines Abenteuers auf Trash Island trifft. Mit den liebevoll gezeichneten (bzw. modellierten) Charakteren gelingt eine spitzzüngige Persiflage menschlichen Verhaltens. Mit ihren Ticks und Wehwehs halten uns die Alpha-Kläffer Boss (Bill Murray), Rex (Edward Norton), King (Bob Balaban) und Duke (Jeff Goldblum) auf amüsierende Weise den Spiegel vor. Das gilt aber vor allem für Chief (Bryan Cranston), dessen trockenes Machogehabe irre komisch ist. Besonders seine unbeholfenen Annäherungsversuche gegenüber der grazilen Nutmeg haben eine trockene Komik an sich.
Unterstrichen werden Setting und Charaktere von einem stimmungsvollen Score, der augenzwinkernd an eine japanische Interpretation von Ennio Morricones Komposition zu Spiel mir das Lied vom Tod erinnert. Mit seinen einsamen, fremdartigen Tonfolgen trägt der Score zur umso dichteren, leicht bedrückenden Atmosphäre des Films bei.
Gesellschaftskritik geht unter
Isle of Dog – Ataris Reise will nicht nur putziges Wohlfühlkino sein. Deutlich lassen sich Anspielungen auf aktuelles Zeitgeschehen vernehmen: Tierschutz, Fake News, Umweltverschmutzung und die Gefahr autokratischer Systeme versucht Anderson seiner herzerwärmenden Story unterzumischen. Trotz des guten Willens verkommen diese jedoch zu verschwommener Hintergrundmalerei, während die Musik – pardon– das Puppentheater vorne spielt. Was Tierfilmen wie Okja oder sogar Chicken Run gelingt, nämlich Charaktere und Handlung emotional in einem bedrückenden Setting zu verankern, will sich hier nicht einstellen. Zu einfach und zu klischeebehaftet ist Andersons Versuch – ohne den Isle of Dogs besser dran wäre.
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