8.5/10

Kritik: Isle of Dogs – Ataris Reise

MACHT MÄNNCHEN ABER BEISST NICHT

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Genres: Abenteuer, Animation, Komödie, Startdatum: 10.05.2018

Interessante Fakten für…

  • Das Haar der Hunde besteht aus Alpakawolle.
  • Der Titel “Isle of Dogs” ist ein Wortspiel. Schnell und flüssig gesprochen klingt es wie “I Love Dogs”.
  • Die meisten (aber bei weitem nicht alle) Aufnahmen im Film haben einen geraden Kamerawinkel, entweder horizontal oder vertikal, da sie sich nur um 90 Grad bewegen. Außerdem werden alle Gebäude und Figuren entweder von geradeaus, von der Seite oder von oben betrachtet.

In Isle of Dogs – Ataris Reise, dem neuesten Film des außergewöhnlichen Wes Anderson, kämpft ein hündisches Puppen-Ensemble um die Freiheit. Warum es dem meisterhaft-inszenierten Stop-Motion-Film dennoch an Biss fehlt, erfährst du in unserer Kritik.

#storysüchtig #strangerthings #schwarztee

Darum geht’s

Japan, in 20 Jahren: Hunde-Hasser Mayor Kobayashi (gesprochen von Kunichi Nomura) nutzt den Ausbruch von „Hundeschnauzen-Fieber“, um die Vierbeiner der Metropole Megasaki City auf die Mülldeponie Trash Island zu verbannen. Kobayashis Pflegesohn Atari (Koyu Rankin) will seinen Hund Spot zurück und tritt eine wagemutige Rettungsmission an. Pfotenkräftige Unterstützung findet der 12-Jährige in einem Rudel Mischlingshunde, die Seite an Seite mit Atari Trash Island durchkämmen.

Hand in Hand: Setting und Inszenierung

Isle of Dog lädt zu einem Feuerwerk von Adjektiven ein. Zum einen ist der Animationsfilm absurd, skurril und naiv, dann wieder vorhersehbar und einseitig, aber eben auch atmosphärisch und bewegend. Was Wes Andersons (Grand Budapest HotelMoonrise Kingdom, Der fantastische Mr. Fox) neuesten Film jedoch im Kern ausmacht, ist die offensichtliche Hingabe eines leidenschaftlichen Kreativteams, das jedes Frame des Films in ein kleines Kunstwerk verwandelt.

Die Hauptausstellungsstücke dieser Kunstgalerie sind über 900 Figuren, die von 12 Skulpteuren in akribischer Handarbeit erstellt wurden. Aber auch die Puppenhaus-Sets des Films erwachen durch einzigartige Liebe zum Detail zum Leben.

Inszeniert sind diese einfallsreichen Exponate in Andersons gewohnt eigensinniger visuellen Ästhetik, die von einer Obsession zur Symmetrie bestimmt wird. In Isle of Dog wirkt diese jedoch weitaus weniger erzwungen als noch in Grand Budapest Hotel. Denn dieses Mal reichen sich Inszenierung und Setting die Hand, indem Andersons Ästhetik auch als eine Hommage an Bunraku, das traditionell japanische Puppenspiel, gelesen werden kann.

Aber auch mir, dem Mitteleuropäer, bereiten die zentrierte Perspektive und die mechanischen Puppenbewegungen eine konstante Freude, wecken sie doch seelige Erinnerungen an das Kasperle-Theater meiner Kindergartentage.

West-Ost, Schwarz-Weiß

Auch sonst trägt das japanische Setting einen entscheidenden Teil zum Charme des Films bei. Mit Freude zum Detail zaubern Wes Anderson und Kunichi Nomura, der Co-Autor des Films, eine Fülle kultureller Anekdoten auf die Leinwand: Die Zubereitung von Sushi, das Yakuza-Tattoo auf Kobayashis Rücken oder die Hachikō-Statue am Ende des Films sind dabei nur die offensichtlichsten.

Doch auch wenn die Absicht, japanischer Kultur Tribut zu zollen, wahrhaftig und voll guten Willens sein mag, bietet Isle of Dogs dennoch Anlass zur Kritik.

Während die hündischen Protagonisten dank der Stimmen berühmter Hollywood-Stars zum Leben erwachen, sind die japanischen Figuren überwiegend herzlose Marionetten (Atari ausgenommen). Dass es in Andersons Geschichte eine vorlaute, naseweiße, amerikanische Austauschschülerin braucht um dem japanischen Regime Probleme zu machen, wirkt dabei umso mehr aus der Zeit gefallen (Stichwort: Weltpolizei USA). Hätte es statt eines amerikanischen Agent Provocateurs nicht auch eine mutige Japanerin getan? (Lies hier eine Meinung, die mir widerspricht)

Eine Persiflage im Hundepelz

Das Herz von Isle of Dogs sind jedoch die namensgebenden Vierbeiner, die Atari während seines Abenteuers auf Trash Island trifft. Mit den liebevoll gezeichneten (bzw. modellierten) Charakteren gelingt eine spitzzüngige Persiflage menschlichen Verhaltens. Mit ihren Ticks und Wehwehs halten uns die Alpha-Kläffer Boss (Bill Murray), Rex (Edward Norton), King (Bob Balaban) und Duke (Jeff Goldblum) auf amüsierende Weise den Spiegel vor. Das gilt aber vor allem für Chief (Bryan Cranston), dessen trockenes Machogehabe irre komisch ist. Besonders seine unbeholfenen Annäherungsversuche gegenüber der grazilen Nutmeg haben eine trockene Komik an sich.

Unterstrichen werden Setting und Charaktere von einem stimmungsvollen Score, der augenzwinkernd an eine japanische Interpretation von Ennio Morricones Komposition zu Spiel mir das Lied vom Tod erinnert. Mit seinen einsamen, fremdartigen Tonfolgen trägt der Score zur umso dichteren, leicht bedrückenden Atmosphäre des Films bei.

Gesellschaftskritik geht unter

Isle of Dog – Ataris Reise will nicht nur putziges Wohlfühlkino sein. Deutlich lassen sich Anspielungen auf aktuelles Zeitgeschehen vernehmen: Tierschutz, Fake News, Umweltverschmutzung und die Gefahr autokratischer Systeme versucht Anderson seiner herzerwärmenden Story unterzumischen. Trotz des guten Willens verkommen diese jedoch zu verschwommener Hintergrundmalerei, während die Musik – pardon– das Puppentheater vorne spielt. Was Tierfilmen wie Okja oder sogar Chicken Run gelingt, nämlich Charaktere und Handlung emotional in einem bedrückenden Setting zu verankern, will sich hier nicht einstellen. Zu einfach und zu klischeebehaftet ist Andersons Versuch – ohne den Isle of Dogs besser dran wäre.

Fazit

8.5/10
Stark
Community-Rating:
Handlung 7.5/10
Charaktere 8.5/10
Musik 8.5/10
Visuelle Umsetzung 9.5/10
Atmosphäre 8.5/10

Isle of Dogs ist eine berührende Geschichte über Freundschaft und Willenskraft und beinhaltet einen wichtigen Appell, sich gegen Ungerechtigkeit zur Wehr zu setzen. Mit den liebevoll, bis ins kleinste Detail gestalteten Charakteren und Szenerien gelingt eine ironische Persiflage menschlichen Verhaltens, die für ein konstantes Schmunzeln sorgt. Die gesellschaftskritischen Anspielungen, die sich Wes Andersons Film auf die Fahne zu schreiben versucht, bleiben jedoch Beiwerk und müssen sich den Vorwurf der Klischeehaftigkeit gefallen lassen.

Artikel vom 10. Mai 2018

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