Man möchte ihm sowohl helfen als auch wegsperren – und das meist gleichzeitig.
Eine ordentliche Portion Scorsese
Verkommene New York-inspirierte Großstadt? Bizarre Charakterstudie? Unzuverlässiger Erzähler? Klingt ganz so, als wäre Regisseur Martin Scorsese nicht weit. Und tatsächlich kann man ganz deutlich Parallelen zu seinen Werken sehen, darunter Taxi Driver und The King of Comedy. Das macht sogar Sinn, zumal Martin Scorsese ursprünglich am Film mitwirken sollte. Hierbei folgt der Handlungstrang einem sehr charakterfokussierten Abstieg in den Wahnsinn. Dabei ist der Abstieg so rasant, dass es für den Protagonisten fast schon kafkaeske Züge annimmt, bis die Realitätswahrnehmung verzehrt wird und die Frage nur noch lautet, wann er durchdreht und wie sehr. Todd Philips versucht nicht mal die Inspirationen zu verheimlichen. Man könnte sogar meinen, er würde Scorseses unverkennbarem Filmstil Tribut zollen und dabei etwas komplett Eigenes und Originelles schaffen.
Mach Platz, Rupert Pupkin. Der neue “King of Comedy” ist da. Oder so in etwa…
Horror durch Comedy
Joker ist düster, richtig düster. Es baut früh eine Atmosphäre des Horrors und der konstanten Spannung auf, die ein stetig verstörtes Gefühl zurücklässt. Bemerkenswert ist, dass der Film diese Spannung durch “Comedy” aufbaut. Momente und Elemente, die in jedem anderen Kontext witzig wären (vor allem Cringe-Comedy) trägt nur zu der Düsternis bei. Vor allem Arthurs zwanghaftes Lachen bei emotionalen Belastungen trägt perfekt zum Gefühl der Dissonanz bei, die den ganzen Film über begleitet. Arthurs sozial unfähiges und realitätsfernes Verhalten, ebenso wie seine subjektive Realitätswahrnehmung im Allgemeinen bricht unser Gefühl der Scham und der gesellschaftlichen Konventionen. Und wenn mal ein komischer Moment kommt, entlockt es uns ein nervöses Lächeln.
Clown-Strophobie
Doch Arthur ist nicht der einzige Verrückte. Gotham City ist ein größerer Schrottplatz denn je, mit aufgestapelten Müllhalden, Superratten (wortwörtlich) und Bruchbuden, die praktisch auseinander fallen. Trotz der eigentlichen Stadtsmetropole wirkt die Atmosphäre ständig verengt und klaustrophobisch. Wände, enge Pässe und flackernde Lichter tragen direkt zum steigenden Unmut des Protagonisten und der Aufständischen bei, deren Aggressivität dadurch um ein mehrfaches stärker erscheint.
Und das Verstörendste von allem: Je verrückter Arthur dann wird, desto offener wirkt die Welt um ihn rum. Sofern diese Welt überhaupt real ist…
Ein Joker zum lieb haben?
Der Phoenix-Joker ist zweifellos der realistischte Joker. Kein bösartiges Genie, kein Comic-Schurke mit thematisch-passenden Waffen, nur ein psychisch labiler Mann, der die unschöne Seite der Gesellschaft kennengelernt hat, bis er durchdrehte. Eine sehr relevante (wenn auch doch zu offensichtliche) Botschaft, die sehr viele Kontroverse hervorgerufen hat. Denn von gewisser Sympathie mal abgesehen ist der Joker und seine Anhänger eine zerstörerische Macht und der Film scheut nicht davor, es entsprechend zu präsentieren.
Doch bei diesem “realen” Joker stellt sich die Frage: Wie viel von ursprünglichen Joker ist noch übrig? Hier liegt der Fokus an der Entwicklung eines individuellen Protagonisten. Die Rolle des bekannten DC-Schurken kommt erst an zweiter Stelle. Gelegentlich wirkt es so, als würden diese zwei Rollen miteinander konkurrieren. Das merkt man, wenn Charaktere wie Thomas Wayne (Brett Cullen) und auch Bruce Wayne (Dante Pereira-Olson) ebenfalls auftauchen und am Anfang wie notwendige Fremdkörper wirken. Zwar gliedern sie sich mit der Zeit in die Handlung ein, doch es stellt sich die Frage, wie sehr die Parallelen der Vorlage entsprechen sollen. Denn ein realer Joker zieht einen ebenso realen Batman an.
Doch bis es dazu kommt, springen wir zum wohl verdienten Fazit:
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