Kritik: Resident Evil: Welcome to Raccoon City
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Abgeschnitten und vom Rest der Welt vergessen liegt die Kleinstadt Raccoon City inmitten eines dichten Waldes. Mit nur einer handvoll Häuser und den wenigen verschlafenen Einwohner:innen wäre sie wohl kaum einen Blick wert, wenn da nicht die Umbrella Corparation wäre, ein ebenso mächtiges wie mysteriöses Unternehmen, das hinter den Kulissen von Raccoon City an geheimen Experimenten herumbastelt.
Gemeinsam mit ihrem Bruder Chris (Robbie Amell) verbrachte Claire Redfield (Kaya Scodelario) dort die ersten Jahre ihres Lebens, bevor sie die Stadt in einer Nacht-und-Nebel-Aktion ohne ihn verlassen musste. Als sie schließlich Jahre später in die Heimat zurückkehrt, ist Raccoon City kaum noch wiederzuerkennen: Umbrella hat die Stadt aufgegeben und die Bewohner:innen scheinen nach und nach dem Wahnsinn zu verfallen. Gemeinsam mit dem Polizisten-Neuling Leon Kennedy (Avan Jogia) und der STARS Special Einheit rund um Chris Redfield versuchen die letzten Überlebenden von Raccoon City die Nacht zu überstehen und Umbrellas dunkle Geheimnisse zu lüften.
Die Reise der Resident Evil-Marke durch die Filmwelt könnte fast schon Pate für einen eigenen Serienteil sein. Trotz der Sturmflut an schlechten Reviews und verstimmten Fans der Videospiele, erwachten die Filme von Paul W.S. Anderson immer wieder auf ein Neues zum Leben, sodass es ganze sechs Teile brauchte, bis die Reihe rund um Milla Jovovich endlich mit einem letzten kehligen Stöhnen ins Grab kippte.
Während die Filmreihe unter die Erde wanderte, erlebten die Spiele allerdings eine regelrechte Renaissance. Der siebte Teil und besonders die modernen Neuauflagen von Teil 2 und 3 schürten das Feuer der Zombie-Serie und machten Resident Evil wieder zum Thema Nummer 1 des Horror-Gamings. Bei einem derartigen Glückswurf in der Popkultur kommt es, wie es kommen muss: bevor man sich versieht, krochen auch die Filme, angelockt vom frischen Blut des Erfolgs, zurück aus der Versenkung. Der ofenwarme Neustart der Serie lässt Andersons Filme hinter sich und verspricht eine treuere Adaption der Spiele mit den Figuren, die wir kennen und lieben.
Wer nun die Handlung der Spiele kennt, könnte im Angesicht dieser Zusammenfassung durchaus anerkennend mit dem Kopf nicken. Resident Evil hält sein Versprechen und orientiert sich in der Handlung stark an den ersten beiden Videospielen. So begleitet das Publikum einerseits die STARS-Einheit, die einem Notruf aus dem mysteriösen Herrenhaus des Spencer-Anwesend nachgeht (Teil 1) und andererseits Leon und Claire, die sich vor der anrückenden Zombiehorde in der städtischen Polizeistation verbarrikadieren (Teil 2).
In dieser Werktreue geht der Film sogar so weit, dass er Zwischensequenzen aus der Vorlage Shot für Shot nacherzählt, um dem Spiel nicht nur in der Story, sondern auch optisch gerecht zu werden. Dabei sticht besonders das Anwesen und die Polizeistation heraus, die er mit einer spürbaren Liebe zum Detail umsetzt. So löst das erste Erscheinen der ikonischen Police Station-Eingangshalle auf der großen Leinwand direkt schaurige Nostalgiegefühle aus. Zwar sieht man sich relativ schnell an der handvoll Sets satt, doch in diesen Zitatmomenten überzeugt Resident Evil.
Während solche Elemente im kleinen Rahmen funktionieren, werfen sie im Gesamtbild allerdings die Frage nach dem Sinn hinter einer Adaption auf: Reichen augenzwinkernde Seitenhiebe für einen guten Film oder stehen sie dem vielleicht sogar im Weg? Aus aktuellem Anlass könnte man Resident Evil nun mit der brandneuen Serie Arcane vergleichen. Fast zeitgleich zum neuen Ausflug nach Raccoon City erschien die animierte Netflix-Show rund um Figuren aus dem League of Legends-Videospieluniversum. Der entscheidende Unterschied ist dabei, dass sich Arcane auf wenige Elemente und Figuren der Vorlage konzentriert und diese in eine originelle Geschichte einbettet, die sowohl Fans als auch Neulinge mitreißt.
Natürlich finden sich auch in der League of Legends-Welt etliche Querverweise und Rätsel für Kenner:innen, doch sie bleiben im Hintergrund, während sie bei Resident Evil als alleiniges Rückgrat des gesamten Filmes herhalten müssen. Videospielelemente wie die Polizeistation sorgen zwar für kurze “Aha! Das hab ich schonmal gesehen”-Momente, doch steuern nichts Essenzielles zur Qualität des Filmes bei. Resident Evil bombardiert das Publikum pausenlos mit Easter-Eggs und angeblicher Werktreue, um zu kaschieren, dass die Handlung unter ihren oberflächlichen Schauwerten weder ein tiefes Verständnis für die Spiele besitzt, noch als eigene Geschichte herhalten kann.
Denn wer sich nicht blenden lässt und Resident Evil als eigenständigen Film betrachtet, wird merken, dass die Grundpfeiler des Films ebenso marode sind, wie seine vor sich hin schimmelnden Zombies. Dabei fangen die Probleme bereits bei der Entscheidung an, zwei Videospielhandlungen in unter zwei Stunden zu erzählen. Ohne einen richtigen Spannungsbogen hetzt der Film durch die aufs Mindeste reduzierten Gerippe der Originalhandlungen und erzählt zwei belanglose Geschichten ohne dramaturgische Höhepunkte oder Charakterentwicklung.
Dazu kommt, dass sich die beiden Handlungsstränge größtenteils getrennt voneinander abspielen. So springt der Film munter zwischen zwei Schauplätzen hin und her und nimmt dem Publikum jede Chance, sich länger auf eine Figurenkonstellation oder Handlungsentwicklung einzulassen. Hätte man sich stattdessen auf das deutlich stärkere Setting des Spencer-Anwesens konzentriert, wäre Resident Evil wenigstens einem roten Faden gefolgt.
Letztendlich sind es jedoch die Figuren, die dem Gewirr die Krone aufsetzen. Der Film beschriftet austauschbare Archetypen mit wichtigen Namen aus der Spielereihe und hofft, dass das das Publikum dadurch die entsprechenden Eigenschaften der Vorlage hineinprojiziert. Mit Ausnahme von Claire Redfield, die mit viel Wohlwollen noch als halbgare Figur durchgehen könnte, ist Resident Evil dadurch ein uninspiriertes Charakterchaos, aus welchem nicht eine einzige markante Figur heraussticht. Albert Wesker (Tom Hopper), Jill Valentine (Hannah John-Kamen), Chris Redfield… für Neulinge bleiben diese Namen langweilige Abziehbilder, für Fans werden sie zur absoluten Frechheit.
Die Spitze des Eisbergs ist dabei der von Avan Jogia gespielte Leon S. Kennedy. Der vielleicht bekannteste Held der gesamten Resident Evil Marke verkommt in der Verfilmung zu einem planlosen Taugenichts, der von Fettnäpfen zu Fettnäpfen stolpert. So macht die Filmversion des einst so pflichtbewussten Helden ein gemütliches Nickerchen am Schreibtisch, während keine zehn Meter vor ihm ein LKW explodiert und ein brennender Zombie stöhnend auf ihn zuwankt.
“Du fragst dich sicher, warum ich Polizist geworden bin. Das weiß ich auch nicht.”
Leon S. Kennedy in Resident Evil: Welcome to Raccoon City
Was für einen schnellen Lacher herhalten soll, macht Leons Figur für alle Zuschauer:innen (Fan oder nicht) zu einer billigen Witzfigur ohne Konflikt oder Persönlichkeit. Welcher Zombie hier noch nach Gehirn-Futter sucht, sollte schleunigst über eine Nahrungsumstellung nachdenken.
Während die Filmreihe von Paul W.S Anderson mit viel Augenzwinkern noch als Trash-Genuss durchgehen kann, ist der Neustart der Resident Evil-Marke nicht mehr als eine müde Nacherzählung der Videospielhandlung. Dabei verwechselt der Film eine Adaption im Geiste der Vorlage mit eindimensionalem Fanservice und scheitert daran, eine Geschichte zu erzählen, die über naheliegende Reverenzen hinausgeht. Einstellungen oder Locations aus der Vorlage stehen stets im Vordergrund, während essenzielle Aspekte wie Plot-Struktur oder Charakterisierung ignoriert werden. Resident Evil: Welcome to Raccoon City ist ein überladendes und konfuses Reboot, welches weder für Fans noch für Neueinsteiger:innen funktionieren wird.
Artikel vom 8. Dezember 2021
Man hat die Macher gewarnt, aber man wollte nicht auf die Fans hören. Für wen auch immer das gemacht wurde, aber für einen Fan seit RE1 ganz sicher nicht.