Kritik: The Banshees of Inisherin
Nett sein ist nicht genug
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Nett sein ist nicht genug
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Pádraic (Colin Farrell) und Colm (Brendan Gleeson) könnten unterschiedlicher nicht sein. Während Colm ruhig, poetisch und in sich gekehrt ist, scheint der deutlich jüngere Pádraic nur Interesse für seinen Esel und das Bier im Pub zu haben. Daher beschließt Colm eines Tages, die Freundschaft zu kündigen.
Was Pádraic zuerst für einen schlechten Aprilscherz hält, entwickelt sich zu einem höllischen Kleinkrieg zwischen zwei Männern, die komplett aneinander vorbei reden.
Regisseur Martin McDonagh vereint sein Lieblings-Duo, bestehend aus Colin Farrell und Brendan Gleeson, nur um sie sich auf die zäheste Art und Weise wieder zu trennen. Er invertiert die Dynamik zwischen beiden Hauptdarstellern, die Brügge sehen … und sterben? zu einem besonderen Film gemacht hat.
Im Gegensatz zu seinen letzten Filmen, die zwar eine gewisse Tristheit in sich trugen, diese aber immer wieder mit schwarzem Humor aufgelockert wurde, wird die Stimmung in The Banshees of Inisherin vom kargen und leeren Setting der irischen Insel und den verwitterten Gesichtern der Bewohner geprägt.
The Banshees of Inisherin stellt die Bedeutung von bewussten Trennungen im eigenen Leben dar. Colm befindet sich in einer Midlife Crisis und möchte seine Zeit nicht länger vergeuden. Er möchte musizieren und der Nachwelt etwas hinterlassen. Für Pádraic hingegen ist das Mindset von Colm unverständlich, da er nur vor sich hinlebt. Pádraic wird immer verzweifelter, je mehr Colm sich rechtfertigt, nicht mehr mit ihm befreundet zu sein. Das führt zu einem einseitigen Trennungsschmerz und einem Machtgefälle, wie man es sonst nur aus Beziehungen kennt.
Auch wenn die Situation immer wieder ins Absurde abdriftet, wird sehr schnell klar, dass McDonagh keine Komödie inszenieren wollte. Die Witze sind so subtil und übertüncht mit der Tristheit der Situation, dass man, wenn überhaupt, nur aus Mitleid für Pádric lachen kann.
Die Ausweglosigkeit und Machtlosigkeit, seinem eigenen Leben zu entkommen, wird durch Colms Drohung, sich jedes Mal einen Finger abzuschneiden, wenn Pádraic noch einmal mit ihm reden sollte, auf die Spitze getrieben. Dadurch kann sich Colm auch nicht mehr seinem Traum vom Geigespielen widmen: ein Teufelskreis, der beinahe schon pathologisch wirkt, da es Colms Leben nur noch trauriger gestaltet.
In The Banshees of Inisherin treffen zwei Ethiken aufeinander: Pádraic betont immer wieder, dass er einfach nur “nett” sein will und erwartet, dass andere seine Nettigkeit erwidern. Für Colm hingegen ist das nicht genug. Er möchte kein Niemand sein, sondern ein Jemand, der etwas bewirkt. Nett sein ist für ihn Zeitverschwendung und ein akuter Zeitfresser, der ihn daran hindert, etwas zu erreichen. Colm gibt mehr oder weniger anderen die Schuld daran, dass seine Lebensziele nicht wahr werden. Sein plötzliches Aufwachen erscheint beinahe radikal und manisch und doch irgendwo nachvollziehbar. Der schmale Grat zwischen Verbitterung, Muse und Depression wird von Brendan Gleeson so authentisch porträtiert, dass seine Nominierung für den besten Nebendarsteller keine Überraschung ist.
Der irische Flair wird nicht nur durch das Setting vermittelt, sondern auch durch die irischen Darsteller:innen und Martin McDonaghs schwarz-komödiantische Handschrift. Dennoch ist The Banshees of Inisherin nicht einmal ansatzweise so lustig wie beispielsweise Brügge sehen … und sterben?. Die triste Atmosphäre wird mehr oder weniger stringent durchgezogen.
Aufgrund seiner kalten Inszenierung fehlt es dem Film etwas an Biss und Wortwitz, die McDonaghs letzte Filme zu absoluten Hits gemacht haben. Die vielschichtige Genialität eines Three Billboards Outside Ebbing, Missouri ist weniger offensichtlich, versteckt sich aber im Subtext. Damit ist The Banshees of Inisherin kein Film für Menschen, die nach guter Unterhaltung suchen.
The Banshees of Inisherin gehört zwar zu den schwächeren Filmen von Martin McDonagh, fasziniert aber dennoch durch sein subtiles Skript und die bittere, trostlose Inszenierung. Brendan Gleeson und Colin Farrell brillieren einmal wieder mit großartigen Darbietungen, auch wenn sie mit weniger Wortwitz ausgerüstet werden, als man es vielleicht erwartet hätte.
Artikel vom 22. Februar 2023
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