Kritik: The Favourite – Intrigen und Irrsinn
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England im frühen 18. Jahrhundert: Das Land befindet sich im kräftezehrenden Krieg gegen Frankreich und die schwache Königin Anne (Olivia Colman) ist mit der Lage sichtlich überfordert. Eigentlich ist sie auch nur eine Marionette ihrer heimlichen Liebhaberin Herzogin Churchill (Rachel Weisz), die alle politischen Entscheidungen für die Königin trifft.
Als eine Hofmagd namens Abigail (Emma Stone) den königlichen Palast betritt, wird das ganze Spiel auf den Kopf gestellt. Sie wird nämlich schnell zur Lieblings-Magd der Königin und Herzogin Churchill sieht ihren Machteinfluss in Gefahr. Es entwickelt sich ein Machtspiel ohne Grenzen und Moral …
The Favourite beginnt mit einem inbrünstigen Akkord klassischer Musik, während Königin Anne von ihren Hofmädchen in ein stattliches Gewand eingehüllt wird. Es ist jedoch nicht die feine Seite des Barocks, die Regisseur Giorgos Lanthimos einfangen will. Ebenso wie sein Vorgängerwerk The Killing of A Sacred Deer ist der Film grotesk und makaber.
Die Schminke des Adels wird mit Schleifpapier weggeschmirgelt. Hinter dem Hokuspokus deckt Lanthimos die Dekadenz und Perversion einer oberflächlichen Gesellschaft ohne Werte auf. Immer wieder rutscht die harmonische Musik in monotones Gequietsche ab, das sich über minutenlange Szenencollagen zieht, die das Maximum der menschlichen Abartigkeit zeigen. Krankhafte Fressorgien und groteske Balztänze reihen sich aneinander und machen aus The Favourite ein saukomisches Historiendrama der besonderen Art.
Nein, das ist kein Oscar-Baiting. Zumindest nicht wirklich. Vielmehr ist The Favourite die Dekonstruktion eines typischen Oscar-Films, der trotzdem hinterlistig in Richtung der Awards schielt. Die eben beschriebene Tonalität des Films, die Prunk und Prügel miteinander verwebt, ist einzigartig und bemerkenswert. Auch der visuelle Stil ist ausgesprochen mutig.
Die Kamera porträtiert die Protagonisten nicht aus erhabenen Perspektiven, sondern zeigt sie aus den ungünstigsten Blickwinkeln, die man sich nur vorstellen kann. Die Königin von England mag auf ihren Gemälden aussehen wie ein Schwan, doch die Einstellungen von Kameramann Robbie Ryan erinnern mehr an eine unabsichtlich eingeschaltete Frontcam. Fratzen, Doppelkinn und Sabber werden mit gnadenlos ehrlichen Shots glorifiziert.
Immer wieder hat man das Gefühl, das barocke Setting durch ein Guckloch zu beobachten. Für Panoramaaufnahmen verwendet Ryan gelegentlich ein gewölbtes Fischauge, das dem Setting eine ganz neue Authentizität verleiht. Wir beobachten das Geschehen in einem Palast des 18. Jahrhunderts und nichts wirkt dabei stilisiert oder romantisiert.
The Favourite macht sich nichts vor. Der Film hat weder feministische, noch politische Intentionen. Es ist einfach nur ein bitterböses Psychoduell zwischen drei Frauen. Sowohl die Protagonisten, als auch die Antagonisten sind Frauen – soweit man überhaupt zwischen gut und böse unterscheiden kann.
Dieser “Zickenkrieg” wird vom Trio Stone, Weisz und Colman erstklassig vorgeführt. Das zeigt sich vor allem in jenen Szenen, in der alle drei Schauspielerinnen auf der Bühne stehen und die Dynamik ins Rollen kommt. Besonders stark ist jedoch die schrullige Performance von Olivia Colman (Broad Church) als Königin Anne. Sie stiehlt sogar Emma Stone die Show und das mag was heißen. Man lacht über sie, ekelt sich vor ihr und hat letztendlich nur noch Mitleid. Im irrsinnigen Machtspiel ist sie nämlich die Unschuld in Person.
Colmans Charakter ist derart präzise ausgemalt, dass sie die Top-Favoritin für den Oscar “Beste Hauptdarstellerin” ist. Emma Stone und Rachel Weisz kämpfen ebenfalls beide um den Oscar “Beste Nebendarstellerin”. Wie fies. Jetzt müssen die beiden ihr Duell sogar im echten Leben austragen.
Tatsächlich endet The Favourite recht antiklimatisch. Der letzte Shot des Films ist zwar eine nachdrückliche Metapher, welche die Siegerin des Machtspiels kürt – doch das Finale kann uns emotional und dramatisch nicht abholen. Man würde sagen: “Irgendwas fehlt”. Irgendwas wäre in diesem Fall ein letztes Crescendo, das die Energie des Films vollständig entlädt.
Seit diesem Film ist das Genre Historien-Drama-Komödie definitiv ein Begriff. Regisseur Lanthimos ist nicht interessiert an konservativer Filmkunst und bedeutungsschwangeren Aussagen, sondern präsentiert ein skurriles, lautes und dekadentes Porträt der frühen Barockzeit. Die ausgetragene Schlacht zwischen den drei Hauptcharakteren ist grotesk und unterhaltsam, gespickt mit grandiosen Schauspielleistungen. Leider verpufft der Großteil der Energie in ein antiklimatisches, wenngleich auch intentional gewähltes Finale. The Favorite ist kein typischer Oscar-Film, obwohl er danach aussieht – und ist vielleicht gerade deswegen “der Favorit” der Academy.
Artikel vom 29. Januar 2019
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