Kritik: Vaiana
DIE MACHT DES ANIMATIONS-GENRES
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Als der Halbgott Maui (Dwayne Johnson, Deutsch: Andreas Bourani) das Herz der Göttin Te Fiti stiehlt, legt sich ein Fluch über ganz Ozeanien, der die Schifffahrt unmöglich macht: Dunkle Kreaturen halten Einzug in das Meer und die Böden der Inseln verlieren ihre Fruchtbarkeit. Bevor eine Hungersnot eintritt, macht sich Prinzessin Vaiana (Auli’i Cravalho, Deutsch: Lina Larissa Strahl) auf die gefährliche Suche nach Maui, um das Herz der Göttin zurückzugeben und den Fluch aufzuheben.
Nur widerwillig schließt sich der arrogante und schrankbreite Halbgott der Prinzessin an. Dennoch sind sie aufeinander angewiesen. Ihre übernatürlichen Fähigkeiten ergänzen sich: Maui ist ein Gestaltwandler und Vaiana kann das Meer bändigen. Nur der dümmliche Hahn Heihei, der aus Versehen auf dem Floß landet, scheint nicht für viel zu gebrauchen zu sein.
Die ozeanischen Inseln waren einst das Reich der Seefahrer. Vor mehreren 1000 Jahren bereisten die Stämme der paradiesischen Inseln bereits das Meer – denn das Wasser trennt die Inseln nicht voneinander, es „verbindet“ sie.
Die Geschichte hat jedoch eine mysteriöse Lücke: Warum stellten die Polynesier für ein ganzes Jahrtausend die Seefahrt ein? Geschichtsforscher haben darauf keine Antwort – Walt Disney schon.
Die Blaupause einer jeden Disney-Prinzessin: Wespentaille, hauchdünne Extremitäten und Kussmund. In Vaiana distanziert man sich von diesem Bild – endlich! Die titelgebende Prinzessin wirkt markanter und authentischer als es je eine ihre Vorgängerinnen war. Bildhübsch ist sie dennoch.
Allgemein ist das Charakter-Design in Vaiana meisterhaft: Gestalt und Mimik der Menschen wirken absolut realistisch, verlieren aber nicht die wichtige Cartoon-Note, die sie vor dem Uncanny-Valley fern hält. Ich gehe so weit zu behaupten, dass animierte Menschen noch nie besser funktionierten als in diesem Film!
Sehr untypisch: Für einen Animationsfilm hat Vaiana nur wenige Charaktere. Im Gegensatz zu Streifen wie Pets oder Findet Dorie, die gefühlt alle paar Minuten ein neues sprechendes Tier einführen, folgt diese Geschichte über die meiste Zeit den beiden Hauptcharakteren: Vaiana und Maui. Während diese isoliert, mit niemand weiterem als einen verrückten Hahn, über den Ozean schippern, wirkt der Film sehr persönlich und fokussiert.
Dementsprechend ist Vaiana auch weniger mit Humor gespickt, als man es von Animationsfilmen heutzutage erwarten würde. Zwar sorgt die Chemie zwischen der Prinzessin und dem Halbgott für potente Witze, die aber nie Überhand nehmen. Ob der Hahn Heihei wirklich für seine drei Lacher ein Teil des Films sein musste? Wieso durfte das viel süßere Schwein Pua nicht mit auf die Reise?
Während Pixar für Innovation und Einfallsreichtum steht, mag Disney es eher klassisch und traditionell. So ist die Geschichte von Vaiana im Kern auch „nur“ die übliche Heldenreise einer Prinzessin, die über sich hinaus wachsen muss. Trotzdem zeigt der Film mehr Mut, als zum Beispiel noch Die Eiskönigin.
Neben dem vorbildlichem Charakterdesign, rückt der Musical-Anteil weiter in den Vordergrund. Gesungen wird aber immer noch – und zwar oft. Selbst bei Dialogszenen ist der fantastische Soundtrack immer präsent und wird ein eigenständiges Element der Erzählung.
Hinter der Musik stecken Opetaia Foa’i, Mark Mancina (Tarzan) und Lin-Manuel Miranda, die ethnische Musik mit klassischen Musical-Nummern verschmelzen lassen. Der Soundtrack wummert bombastisch aus den Kinoboxen und gehört mit zu den besten, die Disney je abgeliefert hat. Gänsehaut? Jap.
Ein bisschen Sentimentalität gehört eben auch dazu. Da wir dieses Mal als Protagonistin aber kein zerbrechliches Püppchen mit Liebeskummer haben, fällt der typische Disney-Kitsch dann doch weniger kitschig aus. Zwar zerrt die Handlung nicht an den ganz tiefen Emotionen, wie es zum Beispiel einige Pixar-Filme tun, aber die Warmherzigkeit des Films erinnert an die besseren Disney-Klassiker, wie Aladdin, Die Schöne und das Biest oder König der Löwen.
Spätestens seit Avatar – Aufbruch nach Pandora wissen wir, wie schön „künstliche“ Natur sein kann. Tatsächlich versprüht auch Vaiana diesen Wow-Effekt, der uns von weißen Stränden, türkisfarbene Riffs und tropischen Wäldern träumen lässt – das Timing zur Weihnachtszeit ist perfekt!
Besonders bei der Wasseranimation fällt einem die Kinnlade runter. Sobald im Finale ein wahres Effekt-Feuerwerk verschossen wird, setzt dieser Animationsfilm klar neue Maßstäbe in seinem Genre.
Sehr unterhaltsam ist außerdem eine Actionszene, die in ihrer Machart direkt an Mad Max: Fury Road angelehnt ist – nur Mit Wasser statt Sand.
Lasst euch von Helene Fischer, die das Titellied singt, nicht abschrecken: Vaiana haut alles raus, was wir von einem Disney-Musical erwarten und noch viel mehr. Der himmlische Soundtrack und die atemberaubende Kulisse machen aus diesem Film ein „Instant-Classic“ der Disney-Filmografie, auch wenn in einigen anderen Animations-Filmen deutlich mehr gelacht wird.
Artikel vom 7. Dezember 2016
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