Versace-Geschwister als Fußnote
Cuba Gooding Jr. als O.J. Simpson war eher schwaches Casting. Staffel 2 hat dazugelernt, denn die Besetzungen sind mehr als perfekt; sie sind echte Doppelgänger. Edgar Ramírez als Gianni Versace ist von seinem wahren Vorbild ununterscheidbar. Hier sitzt der Look, die Gestik und der italienische Akzent. Auch Penélope Cruz als Giannis Schwester Donatella imitiert die Vize-Präsidentin der Modefirma lupenrein. Leider haben die beiden überraschend wenig zu tun. Man erfährt nicht viel über das Leben der italienischen Modedesigner. Versaces Figur wird sogar absichtlich verschwommen, beinahe schon mystisch dargestellt. Eine mutige Entscheidung – und dennoch die richtige Entscheidung.
Die Geschichte der Versaces überschneidet sich nur am Anfang und am Ende der Staffel mit Cunanans Hauptstory. Dennoch werden immer wieder Parallelen gezogen, die Versaces und Cunanans Werdegänge als konträre Gegensätze darstellen. Versace ist der Erschaffer, Cunanan der Zerstörer. American Crime Story zeigt hervorragend, wie Ereignisse aus der Vergangenheit die Psyche eines Menschen formen können. Werden Psychopathen geboren oder gemacht? Die Serie scheint die Antwort zu kennen.
Gesellschaftliche Statements
Cunanan wird zum Opfer seiner eigenen Selbstdarstellung. Das Konstrukt aus Selbstinszenierung, Oberflächlichkeit und Lügen ist so wackelig wie ein Kartenhaus und droht jederzeit einzubrechen. Damit erlaubt sich American Crime Story einen Seitenhieb gegen die „Generation Instagram“, deren größtes Interesse es zu sein scheint, Freunde und Bekannte mit Oberflächlichkeiten zu beeindrucken. Wer diesem Druck der kapitalistischen Gesellschaft nicht standhalten kann, dem droht die Entfremdung. Wohin diese Entfremdung führen kann, offenbart Staffel 2 auf grausame Weise. American Crime Story zeigt mit dem Finger, statt den Finger zu erheben, wodurch die Message noch eindringlicher wirkt.
Eine ebenso große Rolle spielt Homosexualität. Es ist kein Zufall, dass sich Cunanan nur schwule Männer als Opfer ausgesucht hat. Während Versace sein Coming-Out vor laufender Kamera festhält, haben die anderen Mordopfer ihre Sexualität vor der Gesellschaft weitgehend versteckt. Projiziert Andrew Cunanan seinen eigenen Konflikt auf seine Opfer? Die Antwort ist nicht einfach und entfaltet sich erst am Schluss in ihrer Vollständigkeit. Hier haben die Drehbuchautoren ganze Arbeit geleistet: Das Finale der Staffel schließt den Kreis einer stringenten Erzählung, die keine Lücken lässt. Story-Lücken werden gestopft und Charakterentwicklungen vorbildlich zu Ende geführt. Von dieser Stringenz können sich andere Serien eine Scheibe abschneiden!
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