8.9/10

Kritik: The Punisher – Staffel 1

JON BERNTHAL IM BLUTRAUSCH

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Genres: Action, Comic, Drama, Startdatum: 17.11.2017

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Als der wortkarge “Punisher” in der zweiten Staffel von ‘Daredevil’ auftauchte, machten Comic-Fans wahre Luftsprünge. Leider wurde das volle Potenzial des vielschichtigen Charakters nicht ausgeschöpft. Das möchte Netflix nun mit einer eigenen Serie nachholen. Ob das gelingt, erfahrt ihr in unserer Kritik.

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#NetflixAndChill #Meta #AdvocatusDiaboli

Darum geht’s

One batch, two batch, penny and dime – Für Ex-Marine und Kriegsveteran Frank Castle (Jon Bernthal: The Walking Dead, Baby Driver) ist die Welt nur noch ein trostloser Ort. Seit seine Frau und Kinder ermordet wurden, sinnt der geplagte Einzelgänger auf Rache. Systematisch pustet er allen Schergen die Lichter aus, die etwas mit dem Attentat auf seine Familie zu tun hatten. Das gelingt ihm auch – zunächst.

Gerade, als “The Punisher” seine Mordinstrumente verstauen will, nimmt der mysteriöse Hacker David “Micro” Lieberman (Ebon Moss-Bachrach) Kontakt zu ihm auf. Er berichtet Frank, dass hinter dem Mord an seiner Familie eine viel größere Verschwörung steht, in der auch sein alter Kamerad Billy Russo (Ben Barnes, Westworld) verwickelt ist. Zeitgleich geht die Homeland-Security-Agentin Dinah Madani (Amber Rose Revah) dem Verdacht nach, dass Heroin aus dem Kriegsgebiet in Afghanistan geschmuggelt wurde. In ihren Ermittlungen stößt sie auf eine geheime Spezialeinheit, in der auch Castle und Russo zugange waren…

Marvel meldet sich mit Wucht zurück

Nachdem Netflix ein wahres Marvel-Feuerwerk abgeschossen hatte, folgte mit Iron Fist ein derartiger Rohrkrepierer, dass sogar die sehnlich erwartete Superhelden-Reunion The Defenders davon in Mitleidenschaft gezogen wurde. Folgerichtig wählen die Showrunner eine andere Herangehensweise: The Punisher – Staffel 1 ist befreit von maskierten Superhelden und kommt stattdessen um einiges bodenständiger und realistischer daher.

Optisch fügt sich das Netflix Original in die Reihe seiner Vorgänger ein. In dunklen, blau-unterkühlten Bildern wird New York City in Szene gesetzt. Der Produktionsaufwand ist sehr hoch, die Inszenierung durchweg kreativ gestaltet, die Atmosphäre dicht und die Story dreht sich endlich mal nicht um irgendeinen mystischen Firlefanz. Im Gegenteil, die Autoren von The Punisher – Staffel 1 besinnen sich auf eine lebensnahe Geschichte, die zudem mit brandaktuellen Themen aufwartet.

Traumatisierte Figuren und heftige US-Kritik

Einen Coup landet The Punisher – Staffel 1 mit seinen nahbaren, vielschichtig geschriebenen Figuren. Im Fokus stehen größtenteils vom Krieg schwer traumatisierte Veteranen, die sich in ihrer alten Heimat nicht mehr zurecht finden oder zu sehr unter den Folgen ihrer brutalen Erlebnisse leiden. Manche suchen Halt in Selbsthilfegruppen, andere verbittern auf der Suche nach ihrem neuen Platz in der Gesellschaft. Dabei geizen die Autoren auch nicht an offensiver Kritik am Verhalten der amerikanischen Obrigkeit gegenüber eben jener Heimkehrer und den fahrlässigen Waffengesetzen der USA. Das ist mutig, angesichts der Story äußerst konsequent und im Hinblick auf die jüngsten Ereignisse in Amerika leider aktuell wie nie.

Was geschieht, wenn dir alles genommen wird?

Neben der Selbstjustiz (dazu später mehr) behandeln die Macher auch Themen wie die Einsamkeit und Isolation der Protagonisten sowie deren Umgang mit dem Verlust von geliebten Menschen. Dem Zuschauer wird gerade Frank Castles innerer Kampf förmlich aufgezwungen, wenn sich in dessen Träumen die Ermordung seiner Frau immer wieder schmerzhaft abspielt. Dadurch wird Castles Handeln erklärt, was seinen Rachefeldzug nachvollziehbar macht. Doch auch viele der anderen Figuren haben ihre eigenen Kämpfe auszufechten, verschont bleiben hier die wenigsten.

„Now the only person you’re punishing is you.“

Curtis zu Frank Castle

Insgesamt ist die Story in The Punisher – Staffel 1 unglaublich gut erzählt. Die verschiedenen Elemente aus Rache-Drama, Politthriller und Action-Brett werden klug und in sich stimmig miteinander verwoben und sorgen so durchgängig für enorme Spannung. Klarer Fall für eine ordentliche Binge-Session. Da ist es auch zu verschmerzen, dass einige Handlungsstränge vorhersehbar sind und sich die Charaktere hin und wieder ein wenig schusselig anstellen (Iron Fist lässt grüßen).

Meisterliche Schauspielkunst

Jon Bernthal ist als Punisher eine Wucht. Grummelnd, nuschelnd, tobend, leidend, für eine Sekunde nahbar und zerbrechlich, dann wieder im wahrsten Sinne wütend und blind vor Zorn. Noch nie wurde Castles Figur so viel Leben eingehaucht (na gut, Thomas Jane und Dolph Lundgren sind auch keine wirkliche Konkurrenz). Bernthal lebt diese Rolle und sprengt mit seiner Präsenz förmlich das Heimkino. Dabei macht er nicht nur als ballernder Berserker eine überragende Figur, vor allem auch seine emotionalen Momente treiben dem Zuschauer einen dicken Kloß in den Hals. Trotz der durch ihn verursachten Kollateralschäden und Leichenberge wünscht man dem zeternden Hünen nichts mehr, als dass er endlich Frieden findet.

Wer sich jedoch eine One-Man-Show ausgemalt hat, wird eines Besseren belehrt. Denn auch alle anderen Schauspieler überzeugen bis in die kleinsten Nebenrollen. Allen voran Ebon Moss-Bachrach, der nuanciert, zerbrechlich und gleichzeitig mit feinem Humor aufspielt und damit einen wichtigen Gegenpart zu Jon Bernthal darstellt. Als zwielichtiger und nur selten durchschaubarer Antagonist sorgt zudem Ben Barnes für eine echte Überraschung: seinem schmierigen Businessman mit Sunnyboy-Lachen zuzusehen ist ein echtes Vergnügen. Für kontrastreiche Facetten sorgt Jason R. Moore als Selbsthilfegruppenleiter Curtis.

Ebenso positiv verhält es sich mit dem weiblichen Neuzugang Amber Rose Revah, die für die Krimi-Elemente zuständig ist und überzeugt. Deborah Ann Woll ist den Fans bereits als Karen Page aus Daredevil und Co. bekannt und macht ihre Sache gewohnt gut.

Journalistin Karen Page (Deborah Ann Woll) ist eine der wenigen Verbindungen zum bisherigen Netflix-MCU.

Deborah Ann Woll als Karen zielt mit einer Pistole in einem Szenenbild für Kritik The Punisher

Noch blutiger, noch brachialer

Der Punisher macht in Daredevil schon keine Gefangenen und ließ den Bodycount in die Höhe schnellen. Für die eigene Serie forderten Fans nichts geringeres, als ein knietiefes Blutbad – und Netflix liefert ab. Keine Ahnung, wie viel Blut man verlieren und wie viele Schüsse man kassieren kann, aber Frank Castle & Co. pushen sicherlich die Grenzen des Möglichen. Im Viertelstundentakt werden Schädel zerschossen, Soldaten in die Luft gesprengt und Pro- wie auch Antagonisten mit den bloßen Fäusten zu Klump geschlagen. Für den Zuschauer sind viele Szenen eine Zumutung, vor allem die letzten Folgen sind nur schwer ertragbar.

Doch ist die Gewaltdarstellung reiner Selbstzweck? The Punisher – Staffel 1 geht äußerst kritisch und zugegeben sehr intelligent an diese berechtigte Frage heran. Natürlich fiebert man mit Frank Castle mit – doch die Grenzen zwischen Gut und Böse verschwimmen hier sehr schnell. Ist unser “Held” nun ein gestörter Massenmörder? Was unterscheidet ihn von den anderen Figuren der Serie, die ebenfalls über Leichen gehen, dabei aber nicht die Sympathien des Zuschauers erringen? Ist Castles Weg der Selbstjustiz wirklich noch gerechtfertigt, wenn drei Tote durch Hunderte aufgewogen werden?

Es sind unangenehme Fragen, welche die Showrunner direkt an den Zuschauer zurückstellen und ihn damit zwingen, das Gesehene in viel kritischerem Licht zu betrachten, als man es sonst gewohnt ist. Hier ist kein Platz für lupenreine Helden, nur für angreifbare Charaktere.

Fazit

8.9/10
Sehr gut
Community-Rating: (2 Votes)
Handlung 9/10
Schauspiel 9/10
Spannung 8.5/10
Charaktere 9/10
Tiefgang 9/10
Details:
Showrunner: Steve Lightfoot,
FSK: 18 Epiosden: 13
Besetzung: Amber Rose Revah, Ben Barnes, Ebon Moss-Bachrach, Jaime Ray Newman, Jon Bernthal,

The Punisher – Staffel 1 ist schonungslos brillant

Netflix geht in vielerlei Hinsicht die Extrameile: Fanliebling Frank Castle ist nicht nur vielschichtig geschrieben, sondern vor allem erstklassisch von Jon Bernthal interpretiert. Die Geschichte ist von der ersten Sekunde an fesselnd, die Figuren ambivalent, die Inszenierung realitätsnah und fernab der bislang gewohnten Superhelden-Keilerei. Die Drehbuchautoren erreichen durch ihre bemerkenswerte Arbeit nicht nur, dass eine kompromisslose Comicverfilmung ihren Weg ins Heimkino gefunden hat, sondern dass diese durch ihre kritischen Untertöne eine selten gesehene Tiefe an den Tag legt. Das Serienuniversum von Marvel hat einen neuen Zenit erreicht!

Artikel vom 28. November 2017

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