Kritik: Baby Driver
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Der unverschämt schneidige Bankräuber Buddy (Jon Hamm), sein hinterlistiges Herzblatt Lady (Eiza González) und eine Reihe weiterer ominöser Gestalten, deren Namen eingängiger sind als eine Abba-Playlist, stehlen Moneten für Unterwelt-Boss Doc (Kevin Spacey). Die Beute wird geteilt, die Crew bei jedem Coup ausgetauscht. Die einzige Konstante ist Baby (Ansel Elgort) – der Fluchtfahrer.
Baby ist der Schnellste. Doch Baby redet nicht viel – es lebt lieber in seinem iPod. Aufgrund eines Tinnitus, den sich Baby bei einem tragischen Ereignis zugezogen hat, beschallt es seinen Alltag mit Musik-Playlists, die auf jede Lebenssituation perfekt zugeschnitten sind. Nicht nur Filme brauchen Soundtracks, Alltage auch.
Natürlich ist Baby kein echtes Baby, und Baby Driver ist auch kein Sequel zu The Boss Baby. Hinter Sonnenbrille und Kopfhörern versteckt sich ein junger, nachdenklicher Mann, der durch eine süße Bedienung namens Debora (Lily James)in die Realität zurückgeholt wird. Baby verliebt sich und will aus dem Bankraub-Geschäft raus. Doch das lässt Doc nicht zu…
Songs in Filme zu schmeißen ist einfach. Blockbustern wie Suicide Squad, die Szenen mit willkürlichen Evergreens „aufcoolen“ möchten, wurde nun zum Glück eine Messlatte vor den Kopf gestoßen: Baby Driver ist zwar kein Musical, doch noch nie wurden Songs so kongenial in einen (Blockbuster-)Film integriert. Die Musik passt nicht zur Szene, die Szene passt zur Musik. Und zwar hauteng.
Regisseur Edgar Wright, der bereits die bissige „Cornetto-Trilogie“ (Shaun of the Dead, Hot Fuzz und The World’s End) auf die Filmwelt losließ und von der Kritik gefeiert wurde, übertrifft sich wieder selbst. Wright hat schon bewiesen, dass seine pulsierende, aufgedrehte Inszenierung etwas Besonderes ist – doch in Kombination mit perfekt abgestimmter Musikbeschallung entsteht daraus eine explosive Mixtur, die selbst Chazelles Pirouetten drehendes La La Land auf die Schnauze fliegen lässt.
Wright beweist ab der ersten Sekunde, dass Baby Driver kein 08/15-Actionfilm ist. Wir bekommen eine fünf Minuten lange Verfolgungsjagd serviert, die zu den kreativsten Action-Eröffnungs-Sequenzen aller Zeiten gehört. Die Inszenierung ist derart fetzig und rasant, dass Kinozuschauer nicht nur sich selbst, sondern auch ihr Popcorn auf dem Nebensitz anschnallen. Die Szene ist sogar so „nice“, dass Sony Pictures den kompletten Clip auf YouTube veröffentlichte – und der ging, samt des Songs „Bellbottoms“ von The Jon Spencer Blues Explosion, sofort viral.
Wer glaubt, das Rasanteste nun schon gesehen zu haben, fällt schnell von seinem Glauben ab. Es reiht sich eine virtuose und kreative Action-Szene an die nächste. Die hektischen Schnitte werden zu keinem Zeitpunkt unübersichtlich – im Gegenteil, man kann die Route der Autos durch die Stadt beinahe nachvollziehen. Wenn dann selbst Polizei-Sirenen, Schüsse und Anschnall-Zeichen zum Takt der Musik pulsieren, sollte jeder Action-Fan seine Dosis an Adrenalin erreicht haben.
Man lacht nicht viel in Baby Driver. Stattdessen ertappt man sich eher bei einem Dauer-Grinsen, dass vor allem der lässigen Dialoge geschuldet ist. Die Atmosphäre erinnert an ein Gemisch aus Pulp Fiction und der Oceans-Filme. Eine Komödie ist Wrights neuer Film also nicht wirklich.
Im Gegenteil, die Story ist zu Teilen erstaunlich bedacht, angereichert mit bittersüßen Momenten und unterschwelliger Moral. Tatsächlich ist Baby Driver vermutlich der erste Heist-Film, der die Botschaften „Rasen ist geil“ und „Rasen ist tödlich“ subtil miteinander verbindet.
Die skurrilen Figuren der Verbrecherbande, die so gar nicht zu einander passen und sich dennoch die Plätze in einem Viertürer teilen müssen, sind herrlich amüsant. Cooler als Jon Hamm ist nur sein Undercut, hitziger als Jamie Foxx ist nur Baby’s roter Subaru. Ansel Elgort funktioniert als stiller Protagonist einwandfrei, obwohl ihm die Nebencharaktere hin und wieder die Show stehlen.
Die einzige Delle im Skript ist Baby’s Love Interest Debora. Lily James zeigt zwar eine sehr charismatische Performance, doch ihr Charakter ist nichts weiter als die Fassade eines unschuldigen Mädchens, dass in die Verbrecherwelt verschleppt wird. Entsprechend schleppend fallen die ruhigeren Szenen zwischen Baby und Debora auf – aber auch nur, weil der restliche Film mit Höchstgeschwindigkeit unterwegs ist.
Bei Edgar Wright-Filmen ist ein fetziges Finale unerlässlich. Der britische Regisseur drückt nochmal wie wild alle Knöpfe seines Regie-Controllers, um möglichst alle Kombinationen von Action und Musik rauszuhauen – und rundet das Action-Fest mit einem wuchtigen Finisher ab, der aber nicht nur aus Auto-Heists besteht. Etwas nervig ist hingegen das altbekannte „letzte Aufbäumen“ des Schurken, das beinahe bis zum Exzess getrieben wird. Abseits dieser Repliken bietet das Finale aber auch einige unerwartete Überraschungen.
Artikel vom 6. August 2017
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