Kritik: Aufbruch zum Mond
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In den 1960er-Jahren tritt zwischen den USA und der Sowjetunion der Wettlauf um die „Vorherrschaft im All“ in die heiße Phase. In der Hoffnung die Konkurrenten zu übertrumpfen, schickt die US-amerikanische Raumfahrtbehörde NASA Neil Armstrong (Ryan Gosling) und Buzz Aldrin (Corey Stoll) auf eine wahnwitzige Reise zur Mondoberfläche.
Was dann passiert ist Allgemeinwissen: Mit den Worten „Das ist ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein riesiger Schritt für die Menschheit“, betritt Neil Armstrong am 21. Juli 1969 als erster Mensch den Mond. Was weniger bekannt ist, sind die Opfer auf dem Weg dorthin. Dieser Perspektive widmet sich Damien Chazelles (Guy and Madeline on a Park Bench, Whiplash, La La Land) vierter Kinofilm Aufbruch zum Mond, bzw. First Man, wie der Streifen im Original heißt.
Aufbruch zum Mond sucht – und findet – den Anschluss an eine Reihe überaus erfolgreicher Weltallfilme der letzten Jahre (Gravity, Interstellar, Marsianer etc.), steht jedoch mehr in der Tradition alter Klassiker wie Apollo 13, in denen Raumfahrt mehr Wagnis als Wunder war.
Diesen Pioniergeist der jungen Raumfahrt fängt Chazelles schmucklose Inszenierung stimmungsvoll ein und bereichert somit das Weltraum-Genre ungemein. Ratternde Fluggeräte, rostige Baugerüste und dreckige Mannschaftslogis sowie eine Reihe fataler Rückschläge führen uns eindrucksvoll vor Augen (Eröffnungssequenz!), welch Risiko und Wahnsinn die Apollo-Missionen der 60er-Jahre waren.
Zu alledem fällt es bei der episodischen Erzählweise des Films schwer, zu erkennen, worum es dem Film wirklich geht: Raumfahrt? Trauerbewältigung? Ehekrisen? Opferbereitschaft? Politik? Zu viel wird angeschnitten, zu wenig durchgezogen. Was schade ist, denn Chazelles gewohnt-einfühlsame Inszenierung verleiht vielen Szenen eine besondere Stimmung und Spannung, die sich jedoch nur selten entfalten können, da alsbald wieder zur nächsten Episode gesprungen wird.
Während sich die Handlung als Fehlzündung erweist, kann Aufbruch zum Mond zumindest mit interessanten, tiefgründigen Charakteren aufwarten. So viel bleibt unausgesprochen zwischen den Figuren des Films, dass es zugleich spannend und schwer zu ertragen ist, zuzusehen.
Besonders das durch Schicksalsschläge belastete Verhältnis zwischen Neil Armstrong und seiner Frau Janet Armstrong ist kraftvoll inszeniert und verleiht dem sonst so mechanischen Film einen emotionalen Kern, der mitunter sogar zu Tränen rührt – was jedoch kaum auf das Konto von Shooting-Star Ryan Gosling geht.
Mit Aufbruch zum Mond bleibt Ryan Gosling seinem Markenzeichen treu und mimt zum x-ten Mal den wortkargen Stoiker. Doch während Goslings ikonisches Porträtieren nach innen gekehrter Figuren in Filmen wie A Place Beyond the Pines und Blade Runner 2049 noch funktioniert haben mag, gelingt es Regisseur Damien Chazelle nicht, Armstrongs sichtlich kompliziertes Innenleben filmisch so zu verpacken, dass wir verstehen, was in unserem Protagonisten vor sich geht.
In La La Land, wo die beiden bereits mit Oscar-prämiertem Erfolg zusammenarbeiteten, gelang das noch: Musik und Tanz dolmetschten uns das Gefühlsleben eines verschlossenen Charakters. In First Man fehlt eine solche Metapher jedoch. Das Resultat: Chazelles Hauptfigur bleibt ein Mysterium – was trotz anfänglich unterhaltendem Rätseln, spätestens in der abrupten Endszene jedoch nicht mehr funktioniert – sondern tief enttäuscht.
Hinzu kommt, dass die zentrale Frage, was einen Familienvater dazu antreibt, eine Suicide Mission zum Mond anzutreten, nicht – bzw. nur äußerst platt – beantwortet wird.
Ganz anders gebart sich dahingegen Claire Foy (The Crown, Unsane – Ausgeliefert). Unter Chazelles Regiearbeit blüht die Britin wahrhaft auf. Zwar sind auch ihr sind wenige Szene gegönnt, in denen sie ihr Gefühlsleben ausbreiten darf, doch nutzt sie diese mit physischer Präsens und intensivem Schauspiel, das den Atem verschlägt. Wortwörtlich: Foy spielt Gosling auf den Mond.
Artikel vom 6. November 2018
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