Kritik: Die Unglaublichen 2
Pixar in Routine
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Der zweite Teil beginnt direkt an der Stelle, an der der erste Teil aufhört: Der Schurke “Tunnelgräber” hat sich erhoben und greift die Stadt an. Die namensgebende Superheldenfamilie und der kryokinetische Superheld Frozone (Stimme: Samuel L. Jackson) versuchen ihn aufzuhalten, scheitern jedoch und hinterlassen eine Spur der Verwüstung. Als Reaktion darauf beschließt die Regierung die Auflösung des Superhelden-Programms und somit die Chance auf eine mögliche Legalisierung von Superhelden.
Doch es gibt Hoffnung: Der Unternehmer und Superheldenverehrer Winston Deavor (Stimme: Bob Odenkirk) möchte das angeschlagene Image der Superhelden wieder aufpolieren, indem die alten Helden durch Mikrokameras ihre heroischen Aufträge mitfilmen. Helen Parr aka Elastigirl (Stimme: Holly Hunter) wird für die Einsätze ausgewählt, während Bob Parr aka Mr. Incredible (Stimme: Craig T. Nelson) sich um den Haushalt und die Kinder kümmert. Das schließt den Liebeskummer der Teenagerin Violet (Stimme: Sarah Vowell) und die Mathehausaufgaben von Dash (Stimme: Huck Milner) mit ein. Doch vor allem ist es das Baby Jack-Jack (Stimme: Eli Fucile), das plötzlich im Eiltempo multiple Fähigkeiten entwickelt.
Während Elastigirl ihr wiederaufgeblühte Karriere genießt, wird sie von dem mysteriösen Screenslaver auf Schritt und Tritt überwacht.
Als Die Unglaublichen 2 über ein Jahrzehnt nach dem ersten Film angekündigt wurde, hätte niemand damit gerechnet, dass sich die Handlung so kurzfristig nach dem ersten Teil abspielt – und damit direkt an das Ende des ersten Teiles anknüpft. Die Kontinuität zwischen Teil 1 und 2 ist ziemlich eindrucksvoll.
Das Problem ist jedoch, dass es kaum eine Entwicklung der Charaktere gegeben hat und somit die Ausgangssituation die gleiche ist. Man hätte einen längeren Zeitabstand aufstellen sollen, um die Auswirkungen der vergangenen Ereignisse und der neuen Familiendynamik zu thematisieren. Stattdessen steht die Familie nun praktisch vor dem selben Problem, dass sie bereits im ersten Teil hatte. Dadurch wirken die Ereignisse aus Die Unglaublichen nicht wirklich relevant und auch die Charaktere greifen auf alte Charakterzüge zurück, wenn auch etwas gereifter. Für eine ausgefeilte Fortsetzung wirkt die Prämisse des zweiten Teils dem ersten sehr ähnlich.
Doch betrachten wir mal den zweiten Teil als eigenständiges Werk. Den abenteuerlastigen Fokus auf Helen zu legen, während Bob diesmal den Familienpart übernehmen muss, ist erstaunlich clever umgesetzt und bringt eine neue Familiendynamik mit sich. Hier werden zwei Handlungsstränge miteinander verknüpft: Der blitzschnelle Superhelden-Action-Thriller mit Elastigirl und das ruhigere, komödiantischere Familiendrama mit dem überforderten Bob und seinen Kindern. Die Kinder haben endlich auch die Gelegenheit mehr von sich zu zeigen, vor allem Violet, die zuvor noch sehr im Hintergrund stand. Doch das herausstechendste Kind ist immer noch Superbaby Jack Jack.
Ein auftretendes Problem ist jedoch die Gewichtung. Zum einen sind die beiden Handlungsstränge noch zu lose miteinander verknüpft und wirken dadurch langgezogen. Zum anderen geraten bestimmte Helden stärker in den Hintergrund. Während Helen und Violet sowohl eine zunehmend charakteristische Entwicklung als auch actionlastige Screentime erhalten, wirken die Männer der Familie (abgesehen von Jack Jack natürlich) etwas vernachlässigt. Dennoch erhält die Familie genug Zeit zum glänzen.
Der neue maskierte Schurke namens Screenslaver kommuniziert anonym über Teleübertragungen und benutzt gehackte Bildschirme zur Hypnose und Manipulation. Seine kalte, kalkulierende Art ist ein krasses Gegenstück zu den aufgedrehten und geekigen Syndrome aus dem ersten Teil. Ein Schurke mit Potenzial.
Umso bedauerlicher ist es, dass Screenslaver dieses Potenzial nicht erfüllt. Auf die eindrucksvolle Einführung folgt eine schwache Auflösung mit einem durchschaubaren Twist. Zwar kommt das Thema über die Abhängigkeit gegenüber dem Bildschirm als clevere Satire rüber, doch dem Schurken mangelt es an einem bleibenden Eindruck. Besser wird es auch nicht dadurch, das sich sein Endspiel nicht groß von dem seines Vorgängers Syndrome unterscheidet.
„Go ahead, send your supers to stop me. Grab your snacks, watch your screens, and see what happens. You are no longer in control. I am.“
Screenslaver
Als Die Unglaublichen ihren unglaublichen Erstauftritt im Jahr 2004 hatten, war das Superhelden-Genre noch nicht vollends im Mainstream angekommen. Die clevere Superhelden-Hommage strömte nur so vor Originalität, die eine interessante Betrachtungsweise auf das Superhelden-Genre bot und ihm ein paar Seitenhiebe verpasste.
In Mitten des Superhelden-Hypes, indem sich MCU und DCEU um die cinematische Vorherrschaft bekriegen, sticht ein Film wie Die Unglaublichen 2 nicht mehr so sehr hervor. Viele neuen Themen und Konflikte wurden bereits behandelt und auch Die Unglaublichen 2 weist gewisse Ähnlichkeiten mit Filmen wie The First Avenger: Civil War auf. Trotzdem kann sich Die Unglaublichen 2 immer noch vom Comic-Einheitsbrei abheben. Selbst heute trauen sich nur wenige Superhelden-Filme zu einem so extremen Genremix. Wenn etwa Bob begeistert seinen eigenen Titelsong mitsingt, erschöpft den Haushalt übernimmt und im Anschluss mit seiner Familie die Schurken bekämpft, wirkt das nicht befremdlich, sondern passt zur ganz eigenen Pixar-Tonalität. Schlussendlich ist es eine selbstironische und abwechslungsreiche Alternative zu all den komplexen Superhelden-Universen und ihren unzähligen Filmen und wirkt nach wie vor als individueller Film mit eigenem Charme.
Die Unglaublichen 2 ist das, was man von Pixar erwartet. Ein durchdachtes und mühevoll konzipiertes Herzensprojekt. Trotz gewisser erzählerischer Schwächen zeichnet sich Die Unglaublichen 2 durch seinen aufwendigen Genremix aus Action-Spektakel, Familiendrama und Superhelden-Hommage aus, und das auch noch mit einigen der spektakulärsten Animationen der letzten Jahre. In Anbetracht des Gesamtbildes wirken die Kritikpunkte fast schon wie Nörgeleien, denn Die Unglaublichen 2 ist ein eindrucksvoller Film, der genauso gut ohne einen Vorgänger funktionieren würde. Grundsätzlich gilt die Pixar-Faustformel: Was für Pixar Mittelmaß ist, ist immer noch überdurchschnittlich.
Artikel vom 2. September 2018
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