Kritik: Free Fire
QUANTUM TARANTINO
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Boston, 1978: Um einen Waffenhandel abzuschließen treffen in einer staubigen Lagerhalle zwei Ganoven-Gruppen aufeinander. Auf der Käuferseite befinden sich die Iren Chris (Cillian Murphy) und Frank (Michael Smiley), die Waffen für den irischen Bürgerkrieg einkaufen wollen. Mitgebracht haben sie außerdem die abgeranzten Kleinganoven Stevo (Sam Riley) und Bernie (Enzo Cilenti). Als Verkäufer tritt der Südafrikaner Vernon (Sharlto Copley) auf, dessen Seite von Martin (Babou Cessay), Harry (Jack Reynor), Gordon (Noah Taylor) und dem Auftragsgangster Ord (Armie Hammer) verstärkt wird. Wie zu erwarten platzt der von Misstrauen geplagte Deal nach kurzer Zeit und artet in einem Blutbad aus. Mittelsfrau Justine (Brie Larson), die den Deal einfädelte, gerät dabei zwischen die Fronten.
Auf den Punkt gebracht ist Free Fire genau eins: ein Höllenspaß. „Höllisch“, weil die Gangster der tödlichen Zahn-um-Zahn-Logik ihres Gewerbes nicht entgehen können und sich unaufhaltsam – und wider besseres Wissen – ihr eigenes Grab schaufeln. Und „Spaß“, weil die Actionkomödie des Briten Ben Wheatley ihr Publikum in die Sitze presst wie eine Achterbahn beim Beschleunigen.
Während sich im Film die Weitläufigkeit der Lagerhalle zu knapper Deckung hinter einem Haufen Industrieschrott verengt, passiert das Gleiche im Kinosaal: Ich ziehe meinen Kopf ein, damit der Kugelhagel über meine Sessellehne hinweg saust.
„I hate those fucking freelance jobs.“
Ein Auftragskiller beschwert sich über seinen Arbeitsalltag.
Dieser Effekt wird einerseits hervorgerufen von engen und bodennahen Kameraeinstellungen, die das Gefühl erwecken zwischen die Fronten geraten zu sein und zum anderen von hervorragenden Toneffekten. Anders als in Hacksaw Ridge (fanden wir ansonsten doof!) ist das Sounddesign jedoch nicht bitterernst, sondern urkomisch. Wer genau hinhört, der wird sich an alte Zeichentrickfilme erinnert fühlen, wenn etliche Querschläger durch die Lagerhalle pfeifen, zischen, surren, scheppern und klirren. Abgerundet wird das Ganze von einem hervorragenden Schnitt, der den Film besonders gut aussehen lässt.
Was Free Fire umso unterhaltender macht sind die, von schwarzem Humor und Situationskomik getränkten Dialoge. Hier wird nicht auf gut Glück mit Schrot geschossen. Nein, jede Line sitzt wie ein wohlplatzierter Headshot und sorgt für schallendes Gelächter. Anders als im „Tarantino-Universums“, bei dessen Charakteren immer auch die Coolness eines sonnenbrillentragenden Gangsta-Machos mitschwingt, machen sich Wheatleys Figuren dabei wundervoll lächerlich. Ironischerweise wirken sie dadurch aber umso authentischer.
„Shoot with two hands, Vern!“
Nachhilfe im Feuergefecht: Auftragskiller Ord gibt Vernon Tipps
Angeführt wird das Ensemble wundervoll schräg gezeichneter Charaktere von Sharlto Copley, dessen überdrehte Darstellung des Waffenhändlers Vernon der Komödie die Krone aufsetzt. Cillian Murphy, der am ehesten als Protagonist gelten darf, sorgt für einen etwas besonneneren Gegenpol und schafft es im Wirrwarr des Kugelhagels einen überzeugenden Flirt mit Brie Larsons Rolle Justine abzuhalten. Etwas enttäuschend ist lediglich, dass die aufstrebende Larson (Raum, Kong: Skull Island), die von der Werbemaschinerie als Hauptact beworben wurde, weniger Screentime bekommt, als ihr gebührt. Dennoch überzeugt sie und zeigt den testosterongesteuerten Männerfiguren, wer die (Schlag-)Hosen anhat.
Free Fire ist radikal, denn Ben Wheatleys Film reizt seine Prämisse rigoros aus. Während ein Shootout zwischen Gangsterparteien in den meisten Filmen den Höhepunkt oder das Finale markiert, schert sich der britische Regisseur, der zusammen mit seiner Frau Amy Jump auch das Drehbuch schrieb, wenig um ein Vorspiel und kommt gleich zur Sache. Einen konkreten Höhepunkt gibt es dabei nicht. Statt einem sorgfältig ausgearbeiteten Spannungsbogen verlässt sich Free Fire auf zündende Lines und nihilistischen Slapstick, was aber auch ausreicht um den Film zu tragen.
Dennoch stellt sich nach rund 60 Minuten das Gefühl ein, dass Free Fire seine Munition verschossen hat. Das letzte Drittel macht zwar noch immer Spaß, kann aber nicht mehr darüber hinwegtäuschen, dass der Story eine mitreißende Dramaturgie fehlt. Am besten ist Free Fire im ersten Drittel. Denn ihre einzigartige Kraft zieht die von Martin Scorsese produzierte Actionkomödie aus der chaotischen Mischung abstruser Charaktere und verletzter Gefühle, die mit jedem Toten, der der Schießerei zu Opfer fällt, ein wenig an Unterhaltungswert einbüßt.
Artikel vom 7. April 2017
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