4.9/10

Kritik: Goodnight Mommy

Double Trouble

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Genres: Horror, Mystery, Startdatum: 16.09.2022

Interessante Fakten für…

  • Der Film ist ein Remake des österreichischen Films “Ich seh Ich seh” von Veronika Franz und Severin Fiala

Der wahre Horror steckt nicht in Monstern und Dämonen sondern brodelnden Familienkrisen. So erfrischend dieses Konzept auch einst klang, so abgedroschen ist es mittlerweile. In Goodnight Mommy gibt es keine Überraschungen und einen dreist-öden Twist.

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#Kinogänger #Klassiker #Trashfan

Darum geht’s

Auf einem abgeschiedenen Landsitz verbringen die beiden Zwillinge Elias (Cameron Crovetti) und Lukas (Nicholas Crovetti) das Wochenende bei ihrer Mutter (Naomi Watts). Nach einer schweren Familienkrise und Trennung versucht diese den Neuanfang, inklusive einer Gesichts-OP. Mit ihrem Kopf vollkommen bandagiert, ist die Mutter nicht wiederzuerkennen, doch auch ihr Charakter wirkt stark verändert. Das Wochenende entwickelt eine bedrohliche Atmosphäre, als die Zwillinge mehr und mehr das Gefühl haben, das Haus mit einer Fremden zu teilen.

Remakes? Meinetwegen…

An dieser Stelle könnte man viele Worte über unnötige US-Remakes verlieren, doch genauso gut könnte man sich über die hohen Spritpreise beschweren oder darüber, dass doch tatsächlich im September schon Lebkuchen in den Regalen steht. Es bringt doch nix. Die Adaption ausländischer Werke für den amerikanischen Markt ist US-Usus und regelmäßiger Gegenstand hämischer Kommentare. Doch auch hier zeichnet sich ein Wandel ab, immer mehr Filme und Serien vom internationalen Markt überzeugen in englischsprachigen Ländern und ja, sogar das Bild der amerikanischen Untertitel-Muffel werden wir wohl überdenken müssen.

Nein, beginnen wir nicht mit dem unvermeidlichen Gewitzel über US-Remakes, sprechen wir über sinnlose Film-Twists. Alles braucht einen Twist, keine große Filmreihe, die dieses Mittel auslassen will, Twists gehen viral, sorgen für Aufmerksamkeit und kurbeln nebenbei das Geschäft an. Während sich Filmfans früher gegenseitig ganze Storyline erzählten, heißt es heute: kann ich nicht erzählen wegen Spoiler, guck’s dir selber an.

Zu vieles hindert Goodnight Mommy daran, ein wirklich nachhaltig guter Film zu sein. Das Setting ist moderner Horror-Standard, irgendwie „elevated“, irgendwie nichtssagend. Ein schickes Haus, Familien-Drama und die verlässlichen Gruselgaranten: Zwillinge. Doch kann dem Film kein Vorwurf gemacht werden, lieblos zu sein, vor allem die erste Hälfte weiß regelrecht zu fesseln.

Mehr Fäden als Anknüpfpunkte

Im aufgeregten Stil werden wir in eine Geschichte eingelassen die seltsam ist, jedoch dermaßen konsequent erzählt wird, dass erste Abwehrreflexe beruhigt bleiben. Durch ein langsames, überlegtes Tempo gelingt es dem Film, uns und die Zwillinge auf eine Linie zu bringen: sie wissen genauso viel wie wir, ihnen kommt es genauso seltsam vor wie uns. Die Kinder sind in ihren Ermittlungen zu den sich häufenden Vorfällen nicht unglaubwürdig smart aber auch nicht so dämlich, dass man sich pausenlos darüber aufregen will. Stück für Stück sammeln sie Indizien, als Zuschauer:in ist man gut abgeholt und grübelt gerne mit. Die Spannung steigt nur langsam, kann dadurch aber aufrecht erhalten werden. In der zweiten Hälfte steigert das Skript jedoch deutlich das Tempo, die zuvor fest kontrollierte Spannung entgleitet nur. Alle Fäden in der Hand fühlen sich wertlos an, alle bisherigen Grübeleien, was denn nun vor sich geht, werden nicht mehr mit stichhaltigen Indizien gefüttert. Schließlich kapituliert man und wartet auf die Auflösung. Ein Twist als Erlösung vom Frust.

Das Drehbuch legt viele Fährten aus und verfolgt die wenigsten. Mysteriöse, verbotene Räume, interpretationsoffene ödipale Untertöne und plötzliche Plot-Entwicklungen, die sich schließlich doch als Traum herausstellen – während das Fährtenlesen zunächst noch Spaß bereitet, setzt bald eine Müdigkeit ein, die das Ende schon erahnt und einfach nur noch abwartet, dass es kommt. Und genau das sollte ein Twist, ob er nun gut oder schlecht ist, niemals sein: erwartbar.

Überraschung um jeden Preis

Im Fahrwasser von modernen Horrorklassikern wie Der Babadook ist auch hier der Horror eine Manifestation von familiärem Trauma, jede außergewöhnliche Erscheinung entspringt nicht einer bösen Macht sondern dem Unterbewusstsein der Figuren. Doch weiß Goodnight Mommy nicht recht, mit diesem Trauma umzugehen und verwendet es für einen alleserklärenden Twist anstatt einer ernsthaften Studie seine Charaktere. Die sind jedoch hervorragend besetzt, die Zwilling Elias und Lukas überzeugen auf ganzer Linie. Naomi Watts verdient als rätselhafte Mutter besondere Aufmerksamkeit, trotz vieler Unstimmigkeiten ihrer Figur rettet sie die Darstellung mit ihrem Talent.

Vor allem die Erzählung einer maskierten, nicht wiederzuerkennenden Mutter trägt die erste Hälfte und sorgt für involviertes Sehvergnügen, doch verkennt der Film seine eigene Stärke und erzwingt am Ende eine vorhersehbar unvorhersehbare Auflösung. Alles, was zuvor passierte, ist egal, Hauptsache, das Ende ist unerwartet. Auf dem heimischen Sofa fühlt man sich wie beim Beobachten einer Zaubershow, bei der ein Zauberer mit mysteriösem Gebaren zunächst ein Kaninchen, dann einen Backstein, schließlich eine Tasse Kaffee in einen Hut steckt. Während man noch grübelt, wie das alles funktioniert und zusammenhängt, verwandelt sich schließlich der Hut in eine Taube und flattert zu Feuerwerk davon. Was für ein Twist.

Fazit

4.9/10
Schwach
Community-Rating:
Handlung 5/10
Spannung 5.5/10
Tiefgang 3/10
Horror 3.5/10
Schauspiel 7.5/10
Details:
Regisseur: Matt Sobel,
FSK: noch nicht bekannt Filmlänge: 92 Min.
Besetzung: Cameron Crovetti, Naomi Watts, Nicholas Crovetti,

Leider wirkt Goodnight Mommy gegenüber der Genre-Konkurrenz blass. Das Remake wird hier zum Fluch, denn statt eigene Erzählfiguren zu entwickeln, steht das Ende schon zu Beginn fest und wird zum Selbstzweck. Tolles Schauspiel sorgt für gute Spannung in der ersten Hälfte, doch verebbt der Gruselfaktor zusehends. Stangenware in der Streaming-Bibliothek, lieber fünf Minuten weiterscrollen und für etwas anderes entscheiden.

Artikel vom 24. September 2022

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