Kritik: John Wick: Kapitel 3
Ein Wick im Porzellanladen
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Wick (Keanu Reeves) wurde von der Unterwelt “exkommuniziert”. Was das bedeutet? Dass nun jeder Assassine, Söldner und Halsabschneider auf der Jagd nach John Wicks gigantischem Kopfgeld ist. Doch der legendäre Wick ist nicht so leicht zu töten. Um seine Überlebenschancen zu verbessern, muss er den Ältesten des hohen Rats der Assassinen finden und um Vergebung bitten.
Der erste John Wick-Film ist beinahe schon Kult. Mein Hund ist tot, mein Auto kaputt, alle müssen sterben. Mit dieser ultra-schlichten Prämisse konnte sich jeder Mann sofort identifizieren. Doch was John Wick besser machte als viele seine Genre-Genossen war die graziöse, beinahe getanzte Inszenierung der brutalen Actionszenen und ein atmosphärisches Worldbuilding. Zwei Filme später setzt das Franchise immer noch auf seine Stärken; und baut diese sogar aus.
Bereits das zweite Kapitel der Wick-Trilogie überbot seinen Vorgänger mit noch eindrucksvolleren Set-Pieces, noch mehr brutalen Kills und noch coolerem Reeves. Natürlich kann Kapitel 3 all das nochmal überbieten. Mortal Kombat in einer Bücherei, Verfolgungsjagd mit Pferd durch New York und Kampfhunde in Action – die Gewalt ist noch absurder, brutaler, brachialer und dennoch mindestens genauso elegant wie zuvor.
Man merkt zu jeder Sekunde, dass dieser Film das Liebeskind eines ehemaligen Stuntman ist. Somit stellt Regisseur Chad Stahelski, der auch schon bei den ersten beiden Wick-Filmen Regie führte, die Choreographie in den Vordergrund, nicht die Inszenierung. Dadurch sehen aber auch einige Kämpfe mehr aus wie abgesprochene Tänze als echte Fights. John Wick ist im Action-Genre wie Wrestling im Kampfsport: Unglaubwürdig, over-the-top und unglaublich unterhaltsam.
Weniger Entertainment ist hingegen die Story. Zwar bietet auch Kapitel 3 einige kreative Einsichten in die abgedrehte Fantasiewelt der Auftragskiller, doch wird die Geschichte eher zur Last des Films, als ihn voranzutreiben.
Nach einem spannungsgeladenen Auftakt in dem die Kopfgeldjagd auf John Wick eröffnet wird, baut der Film im Mittelteil seine Spannung ab auf ein Nullniveau. Statt das Adrenalin aufrecht zu erhalten, legt man erstmal die Füße hoch und lässt sich von den immer noch grandiosen Bildern und weniger grandiosen Dialogen berieseln. Erst im letzten Drittel gewinnt der Film seine Spannung zurück.
Im direkten Vergleich zum Original fehlt es Kapitel 3 an klaren Identifikationspunkten. Der erste Film war ein astreiner, stumpfer Rachethriller und jeder Kill von Wick illusionierte uns Genugtuung. Leider haben wir im letzten Teil der Trilogie keinen Bezug mehr zum Protagonisten und folgen ihm stattdessen wie einem Videospiel-Charakter.
Warum gibt es zu John Wick eigentlich noch kein Computerspiel? Schließlich sind die Filme nichts anderes als lebendig gewordene Ego-Shooter. Das satte Sounddesign, das uns mit jedem abgefeuerten Schuss zusammenzucken lässt und wir jede Plastikhülse der Shotgun auf dem Boden aufschlagen hören, gibt einem das Gefühl, selbst Teil der Schießerei zu sein. Tatsächlich hätte John Wick: Kapitel 3 eine Nominierung für bestes Sounddesign bei den Oscars verdient.
Die erhabene visuelle Komposition der Szenen ist ein Leckerbissen für jeden Cineasten. Mit Neonlichtern, Regenschauern, Penthäusern und ganz viel Spiegeln erzeugt der Film eine einzigartige, surreale Atmosphäre, den die ersten beiden Filme bereits als Alleinstellungsmerkmal der Reihe etablierten. Neo-Noir trifft Cyberpunk. Besonders bildgewaltig ist der Showdown, der mehr Glas zersplittern lässt als ein Elefant im Spiegelkabinett.
Die Gespräche in John Wick: Kapitel 3 bestehen zum Großteil aus aufgesagten Förmlichkeiten und rezitierten Regeln. Keanu Reeves selbst antwortet meist nur mit “Ja”, “Nein”, “Vielleicht”. Aber ganz ehrlich, ohne diese abgedroschenen One-Liner wäre der Film kein richtiger Actioner.
Während Halle Berry und Jerome Flynn (Bronn aus Game of Thrones) als bloße Wegweiser einer Schnitzeljagd verschwendet werden, sorgen vor allem Ian McShane als kaltherziger Hotelboss und Marc Dacascos als öliger Ninja für das nötige Charisma im Cast. Neuzugang Asia Kate Dillon als “Richterin” macht zwar in den ersten Momenten einen ominösen Eindruck, kann sich während des Films aber nicht als interessante Antagonisten behaupten, da sie nichts anderes tut als zu sagen was in der Killer-Welt erlaubt ist und was nicht.
Sobald jedoch Laurence Fishburne und Keanu Reeves in einer Szene zu sehen sind, denkt man sofort an eine kleine Matrix-Reunion und ich frage mich, welche Trilogie nun Reeves’ bessere sei.
Der dritte Teil der Killer-Saga macht alles, was ein gutes Sequel machen soll. Die Action ist härter und die Schauwerte opulenter. Leider schleppt der Film seine obligatorische Story wie einen lahmen Hund hinter sich her und man wartet sehnsüchtig auf die nächste Action-Szene. Das sollte eigentlich andersherum funktionieren. Aber John Wick war schon immer style over substance, deswegen werde ich nicht so streng sein. Wer die ersten zwei Filme mochte, wird auch mit Kapitel 3 seinen Spaß haben. Sollte das Franchise eine Trilogie bleiben, so kann man vor Regisseur Stahelski nur den Hut ziehen für eine so konsistente, stilsichere und einzigartige Action-Reihe.
Artikel vom 29. Mai 2019
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