Kritik: John Wick: Kapitel 4
SEIN NAME IST WICK. JOHN WICK.
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John Wick (Keanu Reeves, Matrix Resurrections) ist immer noch ein vogelfreier Mann. Nach den jüngsten Ereignissen wird er nicht nur in Amerika, sondern weltweit gesucht. Seine Mission: den Hohen Rat dazu überreden, ihn von der Abschussliste zu nehmen. Doch der – allen voran der neu eingesetzte Drahtzieher Marquis de Gramont (Bill Skarsgård, ES) – denkt nicht im Traum daran.
Obwohl Wick von Bowery King (Laurence Fishburne) und Winston (Ian McShane) Unterstützung bekommt, ist gegen die Übermacht derer, die ihm an den Kragen wollen, einfach zu gigantisch. Vor allem, weil der Auftragskiller „Nobody“ (Shamier Anderson) und Caine (Donnie Yen) eine ganz eigene Agenda verfolgen.
Der erste John Wick-Film war ein actiongeladenes Kleinod, das mit brachialer Gewalt und einem wuchtigen Sounddesign die Kinositze zum Wackeln brachte. Spätestens bei Teil 2 war klar, dass die Macher*innen diebische Freude daran hatten, ihre kleine Parallel-Gangsterwelt weiter zu erkunden. Und gerade der Auftakt des dritten Films setzte neue Maßstäbe für immersive Action, vor der sich selbst Genre-Verächter*innen nicht ganz drücken konnten.
Nun wandelt John Wick endgültig auf den Spuren von James Bond: von Manhattan über Jordanien und Tokyo nach Berlin und Paris wird alles besucht und zerschossen, was bei 3 nicht den Kopf eingezogen hat. Das Universum so auszudehnen, tut dem Franchise auch gut. Denn es sorgt für wunderbare Möglichkeiten, vielseitige und extrem kurzweilige Actionszenen zu präsentieren. Und Kurzweil ist bei der satten Laufzeit von 169 Minuten alles andere als selbstverständlich.
Fangen wir mit dem Offensichtlichen an: Kann John Wick die Erwartungen hinsichtlich der Action erfüllen? Bis zur Hälfe des Films mag man denken, dass dies nicht der Fall ist. Doch im Vergleich zum Vorgänger verschießt John Wick: Kapitel 4 sein Pulver nicht schon zu Beginn, sondern steigert sich mit jedem neuen Setting gleich um ein Vielfaches. Der fast 30-minütige (!) Auftakt in Tokyo wäre für viele Actionfilme das Grande Finale. Aber Pustekuchen!
Da wird inmitten feierwütiger Gäste eines Berliner Techno-Clubs mit Äxten um sich geworfen, in einer wahnwitzigen Schießerei am Arc de Triomphe zwischen vorbeirauschenden Autos gekeilt und erst nach einer fast einstündigen (!!!) Hetzjagd eine ganz kurze Verschnaufpause vor dem emotionalen Finale eingelegt. Dabei sitzt jede Choreografie und jeder Kill, einige Sequenzen sind optisch zudem echte Leckerbissen – etwa bei einem Shootout, der aus der Vogelperspektive übersichtlich zeigt, wie Menschen und die gesamte Einrichtung dem Erdboden gleichgemacht werden. Spätestens, wenn man beim Abspann dieses epochale Finale verarbeitet, merkt man, wie konstant John Wick: Kapitel 4 den Adrenalinspiegel nach oben peitscht.
„I will kill everyone!“
John Wick in John Wick: Kapitel 4
Was mich bei der John Wick-Reihe immer beeindruckt hat, war die Ernsthaftigkeit, mit dem die Macher*innen zu Werke sind. Die Gangsterwelt kennt wohl keine Polizei, die dubiosen Machenschaften des Hohen Rats werden ohne Hinterfragen durchgeführt und das blutige Gemetzel ist nun mal Alltag. Bis auf ganz wenige Ausnahmen nimmt sich der Film auch angenehm ernst – und das macht die Reihe paradoxerweise so unverschämt unterhaltsam.
Denn wenn man sich auf das abstruse Regelwerk und die teils absolut nicht weltnahen Handlungsstränge einlässt, funktioniert die Unterhaltung am besten. Und genau in diesen Momenten bricht das Kino dann doch urplötzlich in schallendes Gelächter aus (Stichwort: Treppen). Hatte der Vorgänger noch die eine oder andere Länge, ist dies hier dank des exzellenten Pacings nicht der Fall. Die Laufzeit vergeht tatsächlich wie im Flug.
Keanu Reeves ist, und ich kann mich nur wiederholen, beileibe kein Ausnahmeschauspieler. Seine Oneliner stottert er gerade so raus und kann mit Größen wie Ian McShane oder Laurence Fishburne nicht einmal ansatzweise mithalten. Doch der nicht mehr so geheime Internet-Liebling macht in den Actionszenen eine umso stärkere Figur. Und das ist mit seinen fast 60 Jahren wirklich beeindruckend.
Der Rest des Casts hat diebische Freude beim Ausfüllen der teils rudimentären Figuren. Bill Skarsgård spielt das gnadenlose Rich Kid mit Bravour, McShane hat spätestens seit American Gods seine Paraderolle gefunden und Scene-Stealer Donnie Yen bringt Gravitas und die kreativsten Actionszenen in den Film. Allein, dass Urgesteine wie Clancy Brown kleine Nebenrollen besetzen, zeigt, was für eine Instanz das Franchise mittlerweile geworden ist.
Der Film wurde zum großen Teil in den Filmstudios Babelsberg gedreht. Gelegentlich sieht man dem Film die computergenerierten Sets und Hintergründe auch an, während das Interieur der Settings atemberaubend gut gelungen ist: ein prunkvoller Schlosssaal, die Berliner Großraumdisco, das Museum in Tokyo. Auch hier sticht die Vielfalt des Actioners positiv hervor.
Der geheime Star ist jedoch mal wieder das brachiale Sound Design. Selten hat es in einem Kino so gescheppert, wie bei John Wick: Kapitel 4. Jeder Schlag, jeder Schuss, jede Explosion und jede Kollision sind so satt abgemischt, dass man das Gefühl hat, die Schrapnelle würden einem selbst um die Ohren fliegen. In diesem Gewerk ist auch das neue Sequel ein absoluter Brecher!
Größer, schneller, härter. John Wick: Kapitel 4 bietet genau das, was der Film auch bieten muss. Er übertrifft sich in fast jedem Bereich. Bis zum epischen Finale wird dermaßen viel kaputtgeschossen, dass man überhaupt keine Zeit hat, Luft zu holen. Und noch besser: John Wick steigert sich kontinuierlich. Und das ist angesichts des schon fulminanten Einstiegs echt eine Meisterleistung. Das rastlose Finale gehört zu den besten (und längsten) Showdowns der jüngeren Kinogeschichte. Ein Schmankerl für Actionliebhaber*innen!
Artikel vom 14. März 2023
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