7.6/10

Kritik: Jojo Rabbit

Das Herz am rechten Fleck

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Genres: Drama, Komödie, Startdatum: 23.01.2020

Interessante Fakten für…

  • Regisseur Taika Waititi wählte bewusst einen fröhlicheren und stylischeren Look für das Setting in Nazi-Deutschland.
  • Außerdem verbrachte Waititi kaum Zeit mit der Recherche über Hitler und porträtierte ihn sehr frei, laut eigener Aussage als ein bewusster Akt des Disrespekts gegenüber Hitler.

‘Schindlers Liste’, ‘Der Junge im gestreiften Pyjama’ oder ‘Sophie Scholl’: ‘Jojo Rabbit’ von Taika Waititi wird sich nicht in diese Kategorie von Filmen aus der NS-Zeit einreihen. Wenn Tränen entstehen, dann durch Lacher. Wie der kleine Junge Johannes mit seinem imaginären Freund Hitler zwar witzig portraitiert wird, aber auf spannende Weise die Ernsthaftigkeit des Themas übermittelt, erfahrt ihr in der Kritik!

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#Marvelgeek #Genießerin #Trash

Darum geht’s

Der Anfang von Jojo Rabbit erinnert schon sehr an Hollywood Komik à la 21 Jump Street. Ein Stereotyp jagt den anderen und man findet es lustig, sucht aber auch den Sinn dahinter. Die Thematik ist ernst und man ist es nicht gewohnt sie mit so einer Leichtigkeit auf der Leinwand zu sehen. Vor allem durch die Performance von Rebel Wilson sind viele Szenen zu albern dargestellt. Doch während Wilson durch ihre überzogene Art fehl am Platz wirkt, passt Taika Waititi als Adolf Hitler perfekt ins Bild. Er ist aufgedreht und verhält sich wie ein Clown. Dadurch grenzt er sich aber deutlich von den „echten“ Menschen ab.

Während im Verlauf des Filmes das Setting ernster wird, bleiben die Witze ähnlich albern, doch ist einem zum Ende hin nicht mehr zum Lachen zumute. Egal wie viele Grimassen Hitler schneidet, egal wie die Lehrerin (Rebel Wilson) Witze reißt, es ist nicht mehr ganz so witzig und genau das macht den Film aus. Es wurde nicht auf die Tränendrüse gedrückt, sondern es wurde gezeigt, dass selbst aus den naiven Augen eines Kindes der Nationalsozialismus prägend ist.

Man braucht kein Blut oder Folter… Themen wie Rassismus, Sexismus und Antisemitismus werden nie ihre Ernsthaftigkeit verlieren, selbst wenn man es verblümt und augenscheinlich witzig darstellt. Durch Komik wird der Zuschauer am Anfang sensibilisiert und man hat das Gefühl mit Jojo erwachsen zu werden.

Der imaginäre Freund Hitler dient Jojo als Vorbild und Unterstützung… zumindest am Anfang.

Der imaginäre Freund Hitler dient Jojo als Vorbild und Unterstützung... zumindest am Anfang.

Sympathie mit Nazi-to-be

Manchmal denkt man aber auch, dass der kleine Junge komisch, fast schon beschränkt ist. Er glaubt alles was ihm die Nazis vorbeten und er kann sich nichts Besseres vorstellen selbst einer zu sein. Wie soll man sich als Zuschauer da hineinversetzen? Taika Waititi schafft durch rassistische und diskriminierende Aussagen Distanz zum Gehirnwäsche unterzogenen Jojo, und doch wächst er einem zunehmend ans Herz. Sei es durch sein kindliches Auftreten, oder die liebenswürdige Beziehung zwischen ihm und seiner Mutter oder seinem besten Freund Yorki, irgendwann fragt man sich: Habe ich da etwa gerade Sympathie mit einem Nazi?

Trotz der Hollywood Kulisse wird dadurch eine Tatsache gut herübergebracht: Es gibt kein Schwarz oder Weiß, kein Gut oder Böse. Es gibt nur richtige und falsche Entscheidungen. Im Nachhinein sind es allein diese, die die verschiedenen Charaktere definieren.

Jojo und seine Mutter haben eine komplizierte Beziehung.

Jojo und seine Mutter haben eine komplizierte Beziehung.
Dabei bringt das gar nicht mal der kleine Jojo am besten auf den Punkt. Der Zuschauer steht gegen Ende des Films im Zwiespalt zu einem weiteren Charakter. An dem Punkt sollte man sich aber am besten überraschen lassen. Doch allein durch die Existenz einer komplexen Figur, die nicht ganz durchschaubar ist, gewinnt der Film an Niveau. Leider hätte man sich mehr von der Sorte gewünscht, denn trotz allem fehlt es dem Film an Tiefe und Subtext. Dennoch ist es schön bei dem Thema Nationalsozialismus nicht nur Stereotypen auf der Leinwand zu sehen.

Hinter der Fassade

Zusammenfassend geht es in dem Film auch nicht um Aufklärung oder Abschreckung, sondern um einen kleinen Jungen, der sich in einer Welt beweisen muss, in der er der Schwache ist. Er möchte dazugehören, stößt aber zunehmend an die offensichtlich falschen Ansichten seiner Mitmenschen. So wird er dazu gezwungen erwachsen zu werden und selbstständig zu denken.

Diese Entwicklung wird nochmal besonders durch den Wandel der Beziehung zwischen Hitler und Jojo deutlich. Beide entwickeln sich in entgegengesetzte Richtungen und bewegen sich immer weiter voneinander weg. Besser gesagt: sein imaginärer Freund bleibt wer er ist und Jojo wird erwachsen und legt seine kindliche Naivität immer weiter ab.

Als Jojo das jüdische Mädchen Elsa kennenlernt, bröckelt sein Weltbild.

Als Jojo das jüdische Mädchen Elsa kennenlernt, bröckelt sein Weltbild.
Besonders spannend ist an dem Punkt der Plottwist, den man nicht vorhersieht. Fast wie ein Schlag ins Gesicht wird der Zuschauer und Jojo in die grausame Realität des Krieges und des Regimes gerissen. Leider hätte der Kontrast zwischen dem witzigen Anfang und dieser ernsten Erkenntnis noch viel stärker wirken sollen. Es stört (mal wieder) an dieser Stelle Rebel Wilson, die durch ihre Rolle ihre flachen Witze zum Besten gibt und damit den Zuschauer wieder ablenkt. Genau das zerstört den spannenden Wendepunkt.

Fazit

7.6/10
Gut
Community-Rating:
Schauspiel 7.5/10
Humor 9/10
Emotionen 8/10
Tiefgang 6/10
Charaktere 7.5/10
Details:
Regisseur: Taika Waititi,
FSK: 12 Filmlänge: 108 Min.
Besetzung: Roman Griffin Davis, Sam Rockwell, Scarlett Johansson, Taika Waititi, Thomasin McKenzie,

Damit der Film mehr als eine Komödie mit dramatischen Elementen ist, müsste viel mehr Subtext und Tiefe zur Geltung kommen. Einige Szenen und Schauspieler sind deutlich überzogen dargestellt, was gegen Ende des Filmes zwar abnimmt, aber man auch komplett darauf verzichten hätte können. Zwischenmenschliche Beziehungen sind angenehm nachvollziehbar und es ist schön zu sehen, wie ein so schweres Thema in einen Film verpackt wurde, der zwar witzig ist, sich aber nicht über die Situation von damals lustig macht. Man kann jetzt noch weiterführend anfangen und interpretieren, wie beispielsweise der imaginäre Freund Hitler für die festgefahrenen Schemata in der Gesellschaft steht, aus denen das Individuum ausbrechen muss…oder aber man lehnt sich zurück und genießt den Film für das, was er ist: Unterhaltung.

Artikel vom 7. Februar 2020

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