Kritik: Lady Bird
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Das Regiedebut von Greta Gerwig, die auch das Drehbuch schrieb, erzählt die bewegende Geschichte von Christine (Saoirse Ronan: Wer ist Hanna?, Brooklyn), die darauf besteht „Lady Bird“ genannt zu werden. In ihrer Heimatstadt Sacramento fühlt sich die High-School-Schülerin eingeengt. Ihr Traum ist an die liberale Ostküste auszuwandern – „dorthin, wo Kultur ist“. Trotz des Widerstands ihrer kontrollsüchtigen Mutter (Laurie Metcalf: Scream 2), ist Lady Bird fest davon überzeugt ihren Traum in die Tat umzusetzen.
Die Story von Lady Bird hat auffällige Überschneidungen mit dem Leben von Greta Gerwig, die wie ihre Hauptfigur in Sacramento, Kalifornien aufwuchs und deren Mutter ebenfalls Krankenschwester war. Auch wenn die Oscar-nominierte Gerwig betont, dass ihr Film eine fiktive Geschichte sei, dürften gerade die biografischen Überschneidungen der Schlüssel zur besonderen Magie des Films sein. Denn was Lady Bird so einzigartig macht, ist der vollkommen ungekünstelte Erzählstil, der gerade durch seine Natürlichkeit besonders in Bann zieht.
Das gilt vor allem für das präzise beobachtete und hervorragend in Szene gesetzte Porträt einer Jugendlichen, die ihren Platz in der Welt sucht. Lady Bird, die auf eine katholische High-School geht, ist gelangweilt von der bedrückenden Enge ihrer Stadt, ihrer Schule und ihrer Familie – kurz von allem. Anders als James Dean im Klassiker Denn sie wissen nicht, was sie tun oder James und Alyssa in der Serie The End of the F***ing World geht sie jedoch nicht auf die Barrikaden, sondern bleibt sich treu.
Statt auf Rebellenromantik zu setzen, fokussiert sich Lady Bird einfühlsam und unaufgeregt auf die wahrheitsgetreue Inszenierung einer durchschnittlichen Jugendlichen, die sich eigentlich nur nach der Liebe und Anerkennung ihrer Eltern sehnt. Eine zutiefst menschliche Geschichte also, die den Meisten von uns bekannt vorkommen dürfte. Und genau darin liegt die Magie dieses „kleinen“ Films: Wir fühlen mit.
Was Lady Bird wiederum so unterhaltend macht, ist eine optimistische Leichtigkeit, die die Ernsthaftigkeit des Themas überraschenderweise nicht torpediert, sondern untermauert. Dabei sind es gerade die kleinen Einfälle, die Lady Bird mit Leben füllen, wie beispielsweise eine Szene in der ein Sportlehrer versucht ein Theaterstück mit der Taktik eines Football-Matchs zu inszenieren. Großartig.
Trotz einiger herausragender Szenen ist der Humor des Films jedoch nicht auf einzelne, plakative Punch Lines getrimmt, sondern viel mehr nahtlos in die Handlung eingewoben. Besonders Lady Birds (zunächst) unbeschwerte Freundschaft mit Julie (Beanie Feldstein), als auch die Szenen mit ihrem Teenage-Crush Danny (Lucas Hedges: Three Billboards, Manchester by the Sea), leben von ebenjener natürlichen Leichtigkeit, die Lady Bird umso unterhaltender macht.
Im Zentrum des Films steht jedoch die bittere Erkenntnis, dass Eltern und deren Kinder in anderen Welten leben, die sie jeweils nicht begreifen können. Unter der Unmöglichkeit einander zu verstehen, leiden in Lady Bird sowohl Mutter als auch Tochter. So wünscht sich Christine „Lady Bird“ McPherson einfach nur, dass ihre Mutter sie bei der Erfüllung ihrer Träume unterstützt und bedingungslos liebt.
Marion McPherson (Laurie Metcalf) trägt jedoch schwer mit der Bürde die Familie durchzubringen. Seit ihr Mann Larry McPherson (Tracy Letts: Imperium) seinen Job verloren hat, arbeitet sie Doppelschichten. Der kostspielige College-Traum ihrer Tochter ist das Letzte, das sie hören will (oder kann). Sie beschuldigt Lady Bird, selbstsüchtig zu sein und nicht zu sehen, welch Bürde sie doch sei.
Das zerrüttete Verhältnis, das neben Zwist auch von Zuneigung gekennzeichnet ist, birgt soviel Wahrheit in sich, dass viele Szenen einen Kloss im Hals verursachen. Vor allem Laurie Metcalf liefert eine vielschichtige Ausnahme-Performance, die die Nominierung als „Beste Nebendarstellerin“ mehr als rechtfertigt: Zum einen machen sie die willentlichen Erniedrigungen, die sie ihrer Tochter zuteil werden lässt, höchst unsympathisch. Zum anderen wird durch ihr mannigfaltiges Schauspiel nachvollziehbar, woher dieser Zorn rührt, und wie sehr sie sich dafür selbst hasst. Dieser innere Konflikt, der nicht plakativ auf der Leinwand, sondern im Kopf des Zuschauers Form annimmt, hat eine besondere Tragik an sich, die zu Tränen rührt.
Die Lorbeeren teilt sich Laurie Metcalf jedoch mit Saoirse Ronan, die für den Oscar als „Beste Hauptdarstellerin“ nominiert ist. Mit Bravour zaubert die 24-Jährige das Stimmungsbild eines Jugendlichen auf die Leinwand. Dabei meistert sie sowohl Witz als auch Drama. Die faszinierende Leichtigkeit, mit der sie zwischen schnippischem Humor und enttäuschter Traurigkeit wechselt, machen ihre Darbietung besonders spannend.
Lady Bird ist ein tiefsinniger und bewegender Coming-of-Age-Film, dem es gelingt Tiefgang, Emotionen und Humor zu einer besonders wahrhaftigen Geschichte zu verbinden. Der Kern des fünffach Oscar-nominierten Films ist die zerrüttete Beziehung von Lady Bird und ihrer Mutter Marion. Das Verhältnis der beiden Charaktere ist nicht nur erstklassig beobachtet, geschrieben und inszeniert, sondern vor allem brillant gespielt. Die greifbare Spannung zwischen Laurie Metcalf und Saoirse Ronan macht Lady Bird zu unserem Oscar-Gewinner der Herzen.
Artikel vom 17. April 2018
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