Kritik: Mank
INSIDE JOKE AUS HOLLYWOOD
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Der Drehbuchautor Herman J. Mankiewicz (gennant Mank) hat sich im Jahr 1940, nach einem Autounfall, auf eine Ranch, weit abseits des Hollywood Trubels, zurückgezogen. Dort soll der für den angehenden Regisseur Orson Wells das Drehbuch für dessen Regiedebüt “Citizen Kane” schreiben. Eine Aufgabe, für die Mank zwar großzügig bezahlt wird, jedoch auf eine namentliche Nennung im fertigen Film verzichten muss. Parallel zu der Arbeit an Citizen Kane im Jahr 1940, beleuchtet der Film in diversen Flashbacks Manks Leben im Hollywood der 1930er Jahre, voller politischen Verstrickungen inmitten der Welt der “Traumfabrik”.
Dass David Fincher ein Meister darin ist, dichte Atmosphären zu inszenieren, ist nach Filmen wie dem düsteren Sieben oder dem anarchistisch aufgeladenen Fight Club kein Geheimnis mehr, weshalb es nicht überrascht, dass auch Mank wieder mit einer beispiellosen Inszenierung punktet. Fincher setzt alles daran, den Film im Glanz der 1930er Jahre erstrahlen zu lassen, was in diesem Fall, eine traumhaft nostalgische schwarz-weiß-Optik, die ihresgleichen sucht, bedeutet. Verrauchte Büros, schillernde Partys oder die endlose Weite der Wüste: All dies wird in einen wunderschönen schwarz-weißen Mantel der Vergangenheit gehüllt und entführt die Zuschauer zurück in eine goldene Zeit des Filmemachens.
Und nicht nur die Farbgebung hat diesen Effekt. Um die 30er Jahre noch lebendiger in Szene zu setzen, bedient sich Fincher einiger filmischer Spielereien, wie schwarzen Ovalen in der oberen Ecke des Bildes, die einen Schnittwechsel ankündigen, oder weichen Blenden für die Übergänge, die die modernen harten Schnitte ablösen. Auch das Bild wurde nachträglich bearbeitet, um nahtlos an die Ästhetik der längst vergangenen Zeit anzuschließen. Grandios ist auch die Musik von Atticus Ross und Trent Reznor, ein Duo, das schon mehrfach mit Fincher zusammenarbeitete. Im Gesamtbild ist Mank eine technisch brillante, filmische Illusion, die Unwissende ohne Probleme davon überzeugen würde, dass der Film bereits 90 Jahre auf dem Buckel hat.
„Wir in der Filmbranche nennen sie Brandlöcher.“
Tyler Durden in David Finchers Fight Club
Nicht nur optisch, sondern auch inhaltlich, ist Mank ein Film, der haargenau auf Filmliebhaber zugeschnitten ist, die sich sowohl mit dem Hollywood der 1930er als auch mit dem Gegenstand der Handlung Citizen Kane auskennen. Denn um in der Art und Weise wie Fincher seine Geschichte erzählt noch intensiver in die Thematik einzutauchen, bedient er sich für die Verflechtung der beiden Geschichten von Mank auf der Ranch und in den 1930ern der Erzählstruktur des großen Vorbildes Citizen Kane. Konkret heißt das, dass stets zwischen der Gegenwart und Ereignissen der Vergangenheit hin und her gesprungen wird. Wer Citizen Kane nicht gesehen hat, wird sich davon zuerst vor den Kopf gestoßen fühlen.
Doch selbst für diejenigen, die sich schnell an die eigenwillig sprunghafte Handlung gewöhnen können, bedeutet das noch lange nicht, dass Mank zu einer leicht zu folgenden Geschichte wird . Ohne viel Zeit für Erklärungen lässt der Film beispielsweise bedeutende Personen der Filmgeschichte auftreten, die höchstens kurz mit Namen vorgestellt werden, oder schneidet in Nebensätzen wichtige Thematiken der Zeit an. Für Kenner machen diese Aspekte den Film umso reizvoller und unglaublich spannend, da Mank viel Inhalt aus diesem vorhandenen Vorwissen schöpfen kann. Diejenigen die das jedoch nicht sind, werden viele dieser, durchaus interessanten, nicht in voller Gänze mitbekommen können.
Einige dieser Aspekte finden sich auch Manks Dialogen wieder. Ein Großteil der zwei Stunden Laufzeit ist Mank ein reines Dialogfeuerwerk auf Hochtouren. Zahlreiche Wortgefechte und scharfzüngige Dialoge werden schlagartig aneinander gereiht und treiben den Film pausenlos an. Dass Fincher mit solch einem Berg an Dialogen zweifellos meisterhaft umgehen kann, hat er schon eindrucksvoll mit The Social Network gezeigt und beweist sein Können in Mank erneut. Selten gibt es Filme mit einer derartigen Menge an Dialogzeilen, die ausnahmslos messerscharf geschrieben und wie aus der Pistole geschossen vorgetragen sind. Jeder Satz trifft ins Schwarze und dient oft als zynisch, bissiger politischer Kommentar auf die Systeme Hollywoods.
Jedoch ist dieser Aspekt leider nicht ausschließlich eine Stärke des Films. Durch die Flashbacks werden die Zuschauer stets in brandneue Situationen geworfen und entwickeln, die durch Finchers Dialogkunst eine derartige Geschwindigkeit entwickeln, dass es für Zuschauer, die nicht besonders tief in der Materie stecken, schwierig sein kann, diese mitzuverfolgen. Hier entsteht die Gefahr, dass der Film sein Publikum von einer energetischen Szene zur nächsten katapultiert, ohne diesem dabei eine Atempause zu gönnen. Trotz der hohen Qualität der Einzelszenen wirken sie dadurch im Gesamtbild leider oft erschlagend und wenig kontextualisiert. Ein weiteres Anschauen des Films wirkt hier allerdings schon Wunder.
Genau wie diese Einzelszenen sich oft kalt und unnahbar anfühlen, so ist es auch schwierig eine emotionale Bindung zum eigentlichen Protagonisten des Filmes Herman J. Mankiewicz aufzubauen. Der skurrile Dauersäufer wird zwar grandios von Gary Oldman verkörpert, ein näherer Einblick in ihn als Menschen oder sein Leben, bleibt uns jedoch leider verwehrt. Als alkoholisierter Antiheld und Beobachter nutzt Fincher seinen Protagonisten stets als Mittel zur Analyse und sarkastischem Kommentieren seiner Umwelt, aber nie als nahbare Figur. Das funktioniert für die Gesamtwirkung des eher analytischen Filmes zwar gut, macht es den Zuschauern jedoch schwer einen emotionalen Ankerpunkt in der Handlung zu finden.
Bei den Nebenfiguren verhält es sich ähnlich. Trotz beeindruckender, schauspielerischer Leistungen, besonders von Amanda Seyfried als Marion Davies, bleiben die Figuren auf eine Art und Weise unzugänglich. Auch hier zeichnet sich Mank durch eine enorme Ambivalenz aus. So gut die kalten und unnahbaren Charaktere zu dem Film auch passen, umso schwerer machen sie es einem, sich wirklich auf die Handlung einzulassen.
In den zwei Stunden Laufzeit lässt sich allerlei Gutes, auch Meisterhaftes, erkennen. Die Inszenierung ist traumhaft und die Dialoge sind rasant und scharfsinnig geschrieben. Sie funktionieren grandios als Kommentar auf die Systeme Hollywoods. Schauspieler wie Gary Oldman oder Charles Dance bringen erneut fantastische Leistungen. Jedoch machen viele dieser Aspekte den Film leider auch unzugänglich und, für Nicht-Cineasten, schwer zu folgen. Mank ist ein technisch brillant umgesetztes Konzept, welches es manchen Zuschauern leider schwer machen wird, eine Bindung zu der Handlung oder den Figuren aufzubauen. Dennoch ist der Film eine klare Empfehlung für alle Kenner der Filmgeschichte der 1930er Jahre und für all diejenigen, die den ästhetischsten Film des Jahres nicht verpassen wollen.
Artikel vom 14. Dezember 2020
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