Doch die scheinbar bombensichere Nummer geht gewaltig in die Hose. Polizistin Diana (Birgit Minichmayr) nimmt die Beiden bei einer Autokontrolle hoch und konfisziert ein Päckchen Heroin. Auch Diana braucht dringend Geld für ihre todkranke Tochter. Korrupte Ärzte würden ihr gegen Bezahlung ein Spenderherz vom Schwarzmarkt besorgen. Sie versucht also, das Päckchen H zu verticken, während Ricky und Rafael für ihren versäumten Coup bezahlen müssen…
Genre: Todernster Problem-Film
Es ist unfair, deutsche Filme ständig in eine nationale Schublade zu stecken. Auch mir juckt es gerade in den Fingern, „typisch deutsche“ Stilmittel zu identifizieren und Tatort-Vergleiche zu ziehen. Sei’s drum: Auch in Nur Gott kann mich richten gibt’s unterkühlte Bilder, ein Lexikon von sozialen Problemen, Hoffnungslosigkeit und ganz große Humorlosigkeit. Es ist ein Problem-Film.
Allerdings werden die Probleme der Frankfurter Schattenseite nicht kommentiert oder bewertet – sie werden operationalisiert und als Story-Schmackes in einem Thriller verpackt. Ricky muss rauben, weil er von seiner Familie verlassen wurde und Geld für einen Neuanfang braucht. Der recht schaffende Rafael wird von seinem großen Bruder in die Crime-Szene hineingezogen. Die Polizistin wendet sich der Kriminalität zu, um ihre Tochter zu retten. Die Moral ist jedoch nicht allzu deep: Kriminalität lohnt sich nicht, sie macht’s nur noch schlimmer!
Regisseur Özgür Yıldırım, unter anderem bekannt für Chiko und Blutsbrüdaz, kühlt die Atmosphäre bis zum Gefrierpunkt runter. Das können wir Deutschen wunderbar. Aber warum auch nicht? Yıldırım ist konsequent und verliert sich nicht in Spielereien oder Experimenten. Sein Werk ist ansehnlich und durch und durch atmosphärisch.
Bleibtreu bleibt sich treu
In Nur Gott kann mich richten wird viel rumgeschrien. Doch zum Glück ist Moritz Bleibtreu einer der wenigen deutschen Schauspieler, die Gefühlsausbrüche authentisch rüberbringen können, ohne in theatralisches Overacting abzudriften. Sein Schauspiel beweist, dass er im Gegensatz zu anderen deutschen Größen wie Schweiger und -höfer wirklich talentiert ist.
Auch der restliche Cast ist bis in die Nebenrollen überzeugend. Kida Ramadan als arabischer Shisha-Bar-Besitzer mit kriminellen Nebenaktivitäten bewies letztens schon in der TV-Serie 4 Blocks, dass er charismatische Darbietungen einfach aus dem Ärmel schüttelt.
Nicht ganz so lässig ist Edin Hasanovic als Rafael, der sich in dramatischen Szenen etwas zu sehr bemüht. Peter Simonischek (großartig in Toni Erdmann) bekommt als demenzkranker Vater von Ricky nicht viel zu tun und ist nicht mehr als eine Randnotiz der Geschichte. Mehr Screentime bekommt hingegen Birgit Minichmayr als Polizistin Diana, die sich in bester Breaking Bad-Manier mit Drogenhändlern anlegt.
Was für eine hanebüchen, pseudoanalytische, missgünstige Kritik. Ein typischer Beitrag zum Niedermetzeln der Entwicklung des deutschen Genrekinos. Aber das ist ja nicht neu: Ausser uns Deutschen ist keiner so scharf darauf, etwas zu finden, das man möglichst runtermachen kann. Da sind die Schweden oder Franzosen weit voraus. Die haben nationalstolz in Sachen Kultur. Hier wird ein geradezu fulminanter Film einfach heruntergespielt und nicht ernstgenommen, weil er hart ist oder als “schwach” oder “undurchsichtig” abgestempelt, weil er andeutet statt auszuerzählen. Und Gott sei Dank bedient er eben nicht das Klischee, Glauben und Kriminalität in Einklang zu bringen so wie der Autor hier sich das wünscht. Nicht umsonst hat der Film Prädikat besonders wertvoll bekommen und auch dass er polarisiert, ist widerum ein Zeichen dafür, dass er alles richtig gemacht hat. Er war ein Highlight auf dem Filmfest Hamburg.
@Timm Kleine:
Erstmal vielen Dank, dass du meine Kritik gelesen hast.
“Hanebüchen, pseudoanalytisch, missgünstig” finde ich allerdings etwas weit gegriffen, der Film hat immerhin eine ordentliche Bewertung bekommen. Insgesamt haben wir hier auf 4001Reviews viel mehr Positives als Negatives zu deutschen Werken geschrieben. Dark finden wir alle besser als Stranger Things. Dazu kritisiere ich nicht nur “typisch deutsche” Filme, sondern auch “typisch amerikanische” Filme. ;-)
Aber das war sowieso mehr eine Randnotiz, von der ich mich in der Kritik sogar einigermaßen zu distanzieren versuche. Die Schwächen des Films sind da – manche stören sie mehr, manche weniger.
“Ein Zeichen, dass er alles richtig gemacht hat” Sehe ich nicht so. Ich denke, dass ich meine Ansicht treffend beschrieben habe, ob man sie übernehmen kann ist eine andere Sache. Einem “Prädikat besonders wertvoll” darf man auch widersprechen. Ist nicht verboten.
LG
Keyvan