7.2/10

Kritik: Nur Gott kann mich richten

HARTE KOST MIT FADEM BEIGESCHMACK

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Genres: Drama, Krimi, Thriller, Startdatum: 25.01.2018

Interessante Fakten für…

  • Der erste deutsche Film mit einer Panasonic VariCam.

Made in Germany ist 2017 kein Fremdschäm-Faktor mehr. Schließlich gab es dieses Jahr echte deutsche Kracher für Kino und Netflix, wodurch ein neuer „Bleibtreu“ obligatorisch wird. ‘Nur Gott kann mich richten’ heißt der Film also. Netter Versuch. Ich richte ihn trotzdem. Wie das Urteil ausfällt, erfahrt ihr in der Kritik.

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#PotterUltra #SchwerMetaller #Storyteller

Darum geht’s

Ricky (Moritz Bleibtreu) ist ein Krimineller der Frankfurter Underground-Szene. Nach einem missglückten Überfall landet er für ein paar Jahre im Knast. Kurz nach seiner Freilassung bietet ihm sein Kumpel Latif (Kida Ramadan) ein ganz besonderes Geschenk an: Ein gefahrloser Coup, der viel Kohle verspricht. Das kommt Ricky gelegen, da er für einen ehrlichen Neuanfang spart. Da ein Komplize gebraucht wird, holt er seinen Bruder Rafael (Edin Hasanovic) an Bord.

Doch die scheinbar bombensichere Nummer geht gewaltig in die Hose. Polizistin Diana (Birgit Minichmayr) nimmt die Beiden bei einer Autokontrolle hoch und konfisziert ein Päckchen Heroin. Auch Diana braucht dringend Geld für ihre todkranke Tochter. Korrupte Ärzte würden ihr gegen Bezahlung ein Spenderherz vom Schwarzmarkt besorgen. Sie versucht also, das Päckchen H zu verticken, während Ricky und Rafael für ihren versäumten Coup bezahlen müssen…

Genre: Todernster Problem-Film

Es ist unfair, deutsche Filme ständig in eine nationale Schublade zu stecken. Auch mir juckt es gerade in den Fingern, „typisch deutsche“ Stilmittel zu identifizieren und Tatort-Vergleiche zu ziehen. Sei’s drum: Auch in Nur Gott kann mich richten gibt’s unterkühlte Bilder, ein Lexikon von sozialen Problemen, Hoffnungslosigkeit und ganz große Humorlosigkeit. Es ist ein Problem-Film.

Allerdings werden die Probleme der Frankfurter Schattenseite nicht kommentiert oder bewertet – sie werden operationalisiert und als Story-Schmackes in einem Thriller verpackt. Ricky muss rauben, weil er von seiner Familie verlassen wurde und Geld für einen Neuanfang braucht. Der recht schaffende Rafael wird von seinem großen Bruder in die Crime-Szene hineingezogen. Die Polizistin wendet sich der Kriminalität zu, um ihre Tochter zu retten. Die Moral ist jedoch nicht allzu deep: Kriminalität lohnt sich nicht, sie macht’s nur noch schlimmer!

Regisseur Özgür Yıldırım, unter anderem bekannt für Chiko und Blutsbrüdaz, kühlt die Atmosphäre bis zum Gefrierpunkt runter. Das können wir Deutschen wunderbar. Aber warum auch nicht? Yıldırım ist konsequent und verliert sich nicht in Spielereien oder Experimenten. Sein Werk ist ansehnlich und durch und durch atmosphärisch.

Bleibtreu bleibt sich treu

In Nur Gott kann mich richten wird viel rumgeschrien. Doch zum Glück ist Moritz Bleibtreu einer der wenigen deutschen Schauspieler, die Gefühlsausbrüche authentisch rüberbringen können, ohne in theatralisches Overacting abzudriften. Sein Schauspiel beweist, dass er im Gegensatz zu anderen deutschen Größen wie Schweiger und -höfer wirklich talentiert ist.

Auch der restliche Cast ist bis in die Nebenrollen überzeugend. Kida Ramadan als arabischer Shisha-Bar-Besitzer mit kriminellen Nebenaktivitäten bewies letztens schon in der TV-Serie 4 Blocks, dass er charismatische Darbietungen einfach aus dem Ärmel schüttelt.

Nicht ganz so lässig ist Edin Hasanovic als Rafael, der sich in dramatischen Szenen etwas zu sehr bemüht. Peter Simonischek (großartig in Toni Erdmann) bekommt als demenzkranker Vater von Ricky nicht viel zu tun und ist nicht mehr als eine Randnotiz der Geschichte. Mehr Screentime bekommt hingegen Birgit Minichmayr als Polizistin Diana, die sich in bester Breaking Bad-Manier mit Drogenhändlern anlegt.

Polizistin Diana (Birgit Minichmayr) kommt vom rechten Weg ab.

Ein Szenenbild für Kritik Nur Gott kann mich richten mit Minichmayr als Polizistin Diana, mit einem Mikrofon auf dem Boden kauernd

Fesselnde Exposition, schwaches Finale

Bis zur Halbzeit ist Nur Gott man mich richten durchaus fesselnd. Die großartig inszenierte Polizeikontrolle eines Fluchtwagens gehört zu den spannendsten Szenen, die das deutsche Kino seit langer Zeit bieten konnte. Leider verliert sich Yıldırım mit zunehmender Laufzeit in arg konstruierten Thriller-Klischees. Während man zu Beginn das authentische Feeling geschluckt hat, stößt es gegen Ende sauer auf.

Das blutige Finale gipfelt in 90er-Jahre Shootouts und Maschinengewehr-Gewitter in deutschen Vororten. Das wirkt fehl am Platz und raubt dem Film die emotionale Wucht, die er mit seiner Geschichte auf Teufel komm raus vermitteln will. Es gibt keine Katharsis und kein Erbarmen, das Finale ist eiskalt und gnadenlos. Hier wäre weniger mehr gewesen, denn der verkrampfte Pessimismus wirkt so aufgesetzt, dass man ihn kaum noch ernst nehmen kann.

Was hat das jetzt mit Gott zu tun?

Absolut nicht nachvollziehbar ist allerdings der religiöse Unterton, der für jeweils zehn Sekunden am Anfang und am Ende des Films durch ein Stoßgebet thematisiert wird. Wir sehen Hauptcharakter Ricky mit einem riesigen Jesus-Tattoo auf dem Rücken, doch sein Glauben wird in der restlichen Laufzeit kein einziges Mal thematisiert. Wozu ihn dann überhaupt andeuten? Nur um den dramatischen Titel Nur Gott kann mich richten zur rechtfertigen? Es wäre spannend gewesen, Rickys Weg zum Glauben zu zeigen und wie er seine Gottesfürchtigkeit mit der Kriminalität in Einklang bringt. Aber nein, stattdessen sehen wir etliche Drogendeals in Stripclubs, Shisha-Bars und Lagerhallen, die den Frankfurter Underground thematisieren aber absolut nichts mit Gott oder Religion zu tun haben.

Fazit

7.2/10
Ordentlich
Community-Rating: (2 Votes)
Handlung 5.5/10
Spannung 8.5/10
Schauspieler 8.5/10
Visuelle Umsetzung 7.5/10
Emotionen 6/10
Details:

Zwar hebt sich Özgür Yıldırıms düsterer Thriller vom typisch deutschen Einheitsbrei ab, vermasselt seine große Chance allerdings mit einem inkonsistenten Drehbuch. Die Religionsthematik ist absolut überflüssig und das over-the-top Finale zerstört den Realismus, den die erste Hälfte hervorragend einfängt. Bleibtreu und Ramadan tragen den Film, der letztendlich nicht viel mehr als ein konstruierter, doch potenter Thriller mit Hollywood-Referenzen ist. Da hat Aus dem Nichts von Fatih Akin mehr auf dem Kasten.

Artikel vom 27. Dezember 2017

2 Kommentare
  1. Timm Kleine
    Timm Kleine sagte:

    Was für eine hanebüchen, pseudoanalytische, missgünstige Kritik. Ein typischer Beitrag zum Niedermetzeln der Entwicklung des deutschen Genrekinos. Aber das ist ja nicht neu: Ausser uns Deutschen ist keiner so scharf darauf, etwas zu finden, das man möglichst runtermachen kann. Da sind die Schweden oder Franzosen weit voraus. Die haben nationalstolz in Sachen Kultur. Hier wird ein geradezu fulminanter Film einfach heruntergespielt und nicht ernstgenommen, weil er hart ist oder als “schwach” oder “undurchsichtig” abgestempelt, weil er andeutet statt auszuerzählen. Und Gott sei Dank bedient er eben nicht das Klischee, Glauben und Kriminalität in Einklang zu bringen so wie der Autor hier sich das wünscht. Nicht umsonst hat der Film Prädikat besonders wertvoll bekommen und auch dass er polarisiert, ist widerum ein Zeichen dafür, dass er alles richtig gemacht hat. Er war ein Highlight auf dem Filmfest Hamburg.

    Antworten
  2. Keyvan Azh
    Keyvan Azh sagte:

    @Timm Kleine:
    Erstmal vielen Dank, dass du meine Kritik gelesen hast.
    “Hanebüchen, pseudoanalytisch, missgünstig” finde ich allerdings etwas weit gegriffen, der Film hat immerhin eine ordentliche Bewertung bekommen. Insgesamt haben wir hier auf 4001Reviews viel mehr Positives als Negatives zu deutschen Werken geschrieben. Dark finden wir alle besser als Stranger Things. Dazu kritisiere ich nicht nur “typisch deutsche” Filme, sondern auch “typisch amerikanische” Filme. ;-)
    Aber das war sowieso mehr eine Randnotiz, von der ich mich in der Kritik sogar einigermaßen zu distanzieren versuche. Die Schwächen des Films sind da – manche stören sie mehr, manche weniger.
    “Ein Zeichen, dass er alles richtig gemacht hat” Sehe ich nicht so. Ich denke, dass ich meine Ansicht treffend beschrieben habe, ob man sie übernehmen kann ist eine andere Sache. Einem “Prädikat besonders wertvoll” darf man auch widersprechen. Ist nicht verboten.

    LG
    Keyvan

    Antworten

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