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Kritik: The Black Phone

DIE GEISTER, DIE ICH (AN)RIEF

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Genres: Horror, Mystery, Thriller, Startdatum: 23.06.2022

Interessante Fakten für…

  • Regisseur Scott Derrickson, Writer C. Robert Cargill und Ethan Hawke haben bereits mit Sinister einen gefeierten Horrorfilm abgeliefert!
  • Vorlage ist die gleichnamige Kurzgeschichte von Joe Hill, dem Sohn von Stephen King.
  • Nach dem ersten Doctor Strange kehrte Derrickson zurück zu seinen Horrorwurzeln und überließ das Sequel Sam Raimi.

Das Horror-Dreamteam um den Publikumsliebling “Sinister” ist zurück! Mit dem Horrorthriller “The Black Phone” wollen Scott Derrickson, C. Robert Cargill und Ethan Hawke neuen Wind ins Genre bringen. Ob das gelingt?

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Darum geht’s

1978, in irgendeiner Kleinstadt in North Denver. Finney (Mason Thames) und seine Schwester Gwen (Madeleine McGraw) haben es überhaupt nicht leicht: Ihr alkoholkranker Vater (Jeremy Davies) schlägt seine Kinder, in der Schule werden sie drangsaliert und dann wird die Nachbarschaft auch noch von einem mysteriösen Killer – von allen „The Grabber“ (Ethan Hawke, Moon Knight) genannt – heimgesucht.

Es kommt, wie es kommen muss. Finney wird eines nachmittags entführt und findet sich in einer Kellerzelle wieder. An der Wand hängt ein schwarzes Telefon, das laut Grabber nicht funktioniert. Dennoch bekommt Finney darüber Anrufe – und zwar aus dem Jenseits von den ermordeten Kindern, die Finney nun helfen wollen, dem Grabber das Handwerk zu legen…

Jede Kindheit ist schwer…

Regisseur Scott Derrickson (Doctor Strange) hat mit seinem Co-Writer C. Robert Cargill der Horror-Welt bereits einige Filme beschert. Gerade der ultrabrachiale Sinister dürfte den meisten ein Begriff sein. Auch wenn die Prämisse nach bekanntem Stoff klingt, – die Buchvorlage stammt von Joe Hill, dem Sohn von Stephen King – steckt in The Black Phone viel mehr drin, als nur vorhersehbare Tropen.

„Every childhood is traumatic in one way or another.“

Regisseur Scott Derrickson im exklusiven Interview

Bis sich der eigentliche Terror entfaltet, tauchen wir erst einmal in eine ziemlich heftige Kindheitsgeschichte ein. Konstantes Mobbing, blutige Schlägereien auf dem Schulhof, ein besoffener Vater, der seine Tochter mit einem Gürtel windelweich prügelt  Den Kindern der Kleinstadt wird nichts erspart. Und so stellt sich ein sehr reales Gefühl echten Horrors ein, lange bevor der Grabber zum ersten Mal auftaucht.

Hochwertiger Retro-Look, authentische Story

Der erste Akt von The Black Phone existiert in der Kurzgeschichte gar nicht. Daher ist es umso beeindruckender, wie Derrickson und Cargill die Exposition gestaltet haben. Im Interview erzählte uns Scott Derrickson, dass er viele Elemente seiner eigenen, gewaltvollen Kindheit in die Geschichte eingewoben hat – teilweise sogar wortwörtliche Zitate einfließen hat lassen. Das macht den Auftakt auch so nahbar. Diese Kinder haben echte Probleme und es gehört nicht viel Fantasie dazu, zu erkennen, dass diese fest in der Realität verwurzelt sind.

Finney (Mason Thames) ist zwar im Keller gefangen – doch über ein Telefon kann er mit dem Jenseits kommunizieren.

Dass die Geschichte in den späten 70ern angesiedelt ist, sorgt dafür, dass The Black Phone wie ein Zeitdokument wirkt. Vor allem, wenn der Vorspann – wie schon in Sinister – im Stile der Super-8 Kamera gefilmt wird. Die starke Kameraarbeit von Brett Jutkiewicz und die subtil-pointierte Musik von Mark Korven runden das Setting fantastisch ab und sorgen so für eine unheimlich dichte Atmosphäre, die sich immer weiter zuzieht.

Mystery und Horror stimmig etabliert

Sobald Finney im Keller eingesperrt ist, entfaltet sich auch der wahrhaftige Horror. Das liegt an zwei Komponenten. Wenn die Geister aus dem Jenseits anrufen, dann ist das so effektiv inszeniert, dass man wirklich die Luft anhält. The Black Phone ist kein billiger Horrorabklatsch und setzt eher auf Atmosphäre als auf Jumpscares. Aber dennoch: wenn die Scares kommen, dann sitzen sie wie ein Axthieb im Schädel. Brutal ist der Horrorthriller nämlich definitiv! Gelungen ist auch, wie selbstverständlich die Mystery-Elemente etabliert werden, ohne, dass man deren Glaubhaftigkeit jemals hinterfragen würde. Prophetische Träume und Geister aus dem Jenseits? Abgekauft!

“The Grabber” (Ethan Hawke) ist nicht nur aufgrund seiner Masken furchterregend…

Der zweite Grund für den Terror ist die brutale Präsenz von Ethan Hawke. Der erfahrene Schauspieler, der sich in den letzten Jahren immer wieder neu erfunden hat – ob Wikinger (The Northman) oder Sektenführer (Moon Knight) – hat eine physische Präsenz, die ebenso wie seine Stimme unter die Haut geht. Dass sein Gesicht die meiste Zeit von Masken (je nach Gefühlslage lachend oder finster dreinblickend) bedeckt wird, ist noch nicht mal der gruseligste Teil. Allein die Augen des Ausnahmeschauspielers sagen alles.

Die Kinderschauspieler:innen liefern ab!

Ethan Hawke ist jedoch nicht der Dreh- und Angelpunkt der Geschichte und wird tatsächlich erstaunlich wenig beleuchtet (dazu später mehr). Das wortwörtliche Herzstück sind die Geschichten der Kinder, vor allem von Finney und Gwen. Finney wird überzeugend-zurückhaltend von Mason Thames verkörpert, der stimmig zwischen Schock und Aktionismus wechselt und nur in ganz wenigen Szenen der emotionalen Tragweite nicht vollends gewachsen ist.

Entdeckung des Jahres ist aber ganz klar Madeleine McGraw. Die Jungschauspielerin agiert unglaublich wahrhaftig, intensiv, einfühlsam und tough zugleich – und bleibt dabei komplett nachvollziehbar. Sie trägt das emotionale Gewicht der Szenen außerhalb des Kellers fast mühelos. Ansonsten bleibt vor allem Jeremy Davies (Der Soldat James Ryan) als unberechenbarer Vater des verschwundenen Finney im Gedächtnis.

Hochglanz-Horror mit Schönheitsfehlern

Dennoch bleibt The Black Phone nicht vor einigen Ungereimtheiten verschont. Gerade in der Einleitung des Films fällt deutlich auf, wie schnell viel Information in die kurzen Dialoge gepackt werden musste, um den Zuschauer:innen alles Relevante schnellstmöglich zu vermitteln. Diese Hopplahopp-Schreibtechnik, die in den letzten Jahren leider bei vielen Produktionen offensichtlich war, lässt wenig Raum für das Unausgesprochene und nimmt der Mystik ein wenig den Wind aus den Segeln.

Apropos unausgesprochen: die Figur des Grabbers ist zwar furchteinflößend, aber ansonsten zu dünn untermauert. Hier wäre das Gegenteil des vorigen Kritikpunktes angebracht gewesen: ein paar kleine Hinweise, die uns rätseln lassen, wie der Serienkiller zu dem geworden ist, was er ist. So fallen eben vor allem die allegorischen Elemente auf (der Grabber schlägt die Kinder ebenso mit dem Gürtel wie es Finneys Vater tut), zu deren endgültigen Entschlüsselung jedoch wenig beigetragen wird.

Fazit

8/10
Gut
Community-Rating: (2 Votes)
Handlung 8/10
Schauspiel 8.5/10
Spannung 8.5/10
Horror 8/10
Dialoge 7/10

The Black Phone ist ein Horrorthriller, der seine Horror-Elemente nur sehr gezielt einsetzt und dadurch umso effektiver daherkommt. Trotz der Mystik wirkt die Story glaubhaft und nachvollziehbar. Nicht zuletzt, weil der Serienkiller nicht der alleinige Kern der Geschichte ist, sondern Themen wie Vaterschaft, Resilienz, Kindheit und Traumata. Diese werden mal feinfühlig, mal brachial behandelt und sorgen so für ein ausgeglichenes, durchaus schockierendes Gesamtwerk. Neben der handwerklichen Qualität stechen vor allem Ethan Hawke und die großartige Neuentdeckung Madeleine McGraw aus dem starken Ensemble heraus. Kein klassischer Horrorfilm und dennoch ein Werk, das unter die Haut geht und blendend unterhält.

Artikel vom 20. Juni 2022

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