Kritik: Tides
Mud Max
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Der Klimawandel hat die Erde in einen öden, leblosen Planeten verwandelt. Die überlebenden Menschen haben sich rechtzeitig auf eine Weltraumkolonie zurückgezogen. Nun kehrt eine kleine Gruppe von Astronauten zurück auf die Erde, um die Möglichkeiten einer Wiederbesiedlung zu bewerten. In der von Gezeiten definierten Landschaft stellen sie fest, dass es Überlebende gibt, die den Umständen trotzen.
Als mutiger Newcomer im deutschen Genrefilm brannte sich Tim Fehlbaum anno 2011 mit dem Global Warming-Thriller Hell in die Filmlandschaft ein. Kein Film der in Erinnerung blieb, aber ein unerschrockenes Debut, welches stolz verkündete: „Auch auf dieser Seite vom großen Teich können wir sowas!“ Nach zehn Jahren Funkstille legt er dieses Jahr nach und wirft uns über einer Erde ab, die halb Albtraum, halb Wetterprognose ist.
So toll die Idee auch ist, eine Rückkehr zur Erde wie die Eroberung eines fremden Planeten zu inszenieren, abseits davon ist die Geschichte leer und beliebig. Die Figuren sind nett, das Schauspiel gut, aber die Leblosigkeit der Story erinnert an schlechtere US-Blockbuster. Der Look des Films beeindruckt, doch auch visuell fehlt der Fokus. Das Setting auf einer Wattenmeer-artigen, postapokalyptischen Erde suggeriert Öde, Weite, Stagnation, meditative Stille. Ein ruhigerer Führungsstil der Kamera wäre stimmiger gewesen. Die weiten Aufnahmen werden stattdessen immer wieder durch einen fragmentarischen Schnitt gebrochen. Das nervt nicht unbedingt, raubt aber den Fokus, anstatt dem Auge Ruhe zu geben, sich in der Welt zurechtzufinden. In den besten, jedoch seltenen, Momenten transportiert uns der Film in diese schlammige, neblige und trostlose Welt, im Zusammenspiel mit dem exzellenten Soundtrack, der genau die Finessen und „Aha“-Momente hervorruft, die das Bild vermissen lässt.
Während Fantasy-Filme etwas aus der Mode gekommen sind, wird Science-Fiction am laufenden Band produziert. Ein gängiger Verständnisfehler ist jedoch, dass jeder in der Zukunft spielende Film Science-Fiction ist. Und genau diesem Missverständnis unterliegt auch Tides. Trotz Raumschiffen, Zukunft und Technologie sehen die Kinobesucher:innen lediglich „Fiction“, keine „Science“.
Wie kann eine vermeintlich hochmoderne Raumkapsel solch eine Bruchlandung hinlegen, für die sich die NASA selbst in den 1960ern geschämt hätte? Wie können Crew und Equipment so unvorbereitet sein für ihren Einsatz auf dem Planeten, den man seit Dekaden beobachtet? Was ist überhaupt auf der Erde passiert? Wo ist das Wasser hin? Was trinken die Bewohner dieser salzigen Feucht-Wüste? Was essen sie? Wie machen sie Feuer auf einem Planeten ohne Flora? Wie ist in wenigen Jahrzehnten eine völlig neue, scheinbar globale Sprache entstanden? Man kommt kaum dazu sein Popcorn zu essen, weil man sich unentwegt am Kopf kratzt.
Während gute Science-Fiction ihre Szenarien ernsthaft beschreibt (z.B. A Quiet Place zum Thema „Anpassung“ oder Arrival zum Thema „Sprache“) wirft uns Tides Szenarien, Technologien und gesellschaftliche Entwicklungen hin, ohne sie ansatzweise zu erklären. Stattdessen verlangt der Film von uns, dass wir sie einfach glauben. In diesen Momenten verlässt der Film den Pfad der Science-Fiction und ist nichts anderes als Fantasy, nur dass hier mirakulöse Heilkräuter „Medi-Kits“ heißen. Auch die Klimakatastrophe wird so wissenschaftsscheu erzählt, dass man sich fragt, ob die Drehbuchautor:innen uns nur nicht mit Details langweilen wollen oder selbst überhaupt keine Ahnung haben, was in der von ihnen kreierten Welt denn nun eigentlich passiert ist. Selbst Waterworld lieferte mehr Antworten.
Wieder und wieder wird man von Marketingkampagnen ins Kino gelockt, die ein inspirierendes Szenario versprechen, welches sich nachher aber als schnell ausgetauschte Kulisse herausstellt, vor der sich mal wieder ein altbekanntes Drama abspielt. In Tides versuchte man sich am Hollywood-Rezept eines futuristischen Sci-Fi-Thrillers. Man warf von Children of Men bis Elysium alles in den Fleischwolf, was sich zum Thema finden ließ. Heraus kam eine ungewürzte, farb- und geschmacklose Maße, so grau und trist wie das Wattenmeer.
Artikel vom 3. September 2021
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