7.8/10

Kritik: Vice – Der zweite Mann

Da ist Böses im Bush!

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Genres: Biografie, Drama, Historienfilm, Komödie, Startdatum: 21.02.2019

Interessante Fakten für…

  • Christian Bales Vorbereitung auf die Rolle bestand (mal wieder) aus großer Gewichtsschwankung. Für diese Figur formte er seinen Körper vor allem mit Kuchen.

Mit ‘Vice – Der zweite Mann’ thematisiert Regisseur Adam McKay das Leben eines sehr umstrittenen Mannes. Kaum ein Politiker hat die amerikanische Politik der letzten Jahrzehnte so sehr geprägt, wie der Vizepräsident Dick Cheney. Schafft es die Polit-Satire eine sachliche und gleichzeitig provokative Darstellung zu vermitteln, oder rutscht sie ab in die Karikatur? Mehr dazu in der Kritik.

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#FantasyFanatic #Comicserien #AfterCredit

Darum geht’s

Dick Cheneys Zukunft war alles andere als vielversprechend. Als er 1963 wegen dauerhafter Sauferei aus Yale fliegt, verdient Cheney (Christian Bale, Feinde-Hostiles) sein Lebensunterhalt, durch das Reparieren von Stromleitungen. Das hält ihn nicht ab für Trunkenheit am Steuer vorbestraft zu werden. Erst durch die Forderungen seiner Frau Lynne (Amy Adams, Arrival), kriegt er sein Leben auf die Reihe. Er geht als Kongresspraktikant nach Washington und wird der Assistent des republikanischen Politikers Donald Rumsfeld (Steve Carell), der ihm einen Vorgeschmack der politischen Macht bietet. Daraufhin beginnt Cheneys Karriere als durchtriebener Politiker, mit allen Höhen und Tiefen.

Doch es ist ein Anruf, der Cheneys tragende Rolle zementiert. Als der unerfahrene George W. Bush (Sam Rockwell) Cheney als Vizepräsidenten an Bord holen will, erkennt Cheney eine Chance der Machtaneignung. Als dann schließlich der 11. September geschieht, sieht Cheney die Chance seines Lebens…

Der Dick des Präsidenten

Dass Adam McKay bei diesem Film mit dem Feuer spielt, war ihm von Anfang an klar. Er baute darauf. Nicht umsonst gilt Dick Cheney als einer der kontroversesten amerikanischen Politiker, zumal dieser bei allem die Finger im Spiel hatte, was Amerika nach dem 11. September “verbrochen” hat. Als rücksichtsloser Strippenzieher hinter dem Präsidenten in die Geschichte eingegangen bietet Cheney genug Stoff für eine kritische Auseinandersetzung, aber auch für Provokation. McKay, der zuvor Komödien wie Anchorman drehte und sich dann mit dem Oscarfilm The Big Short (bei dem Bale und Carell ebenfalls mitgespielt haben) in größere Gefilde stürzte, ist für die Regie dieses Films prädestiniert. Mit dem Format der Polit-Satire hat McKay zu dem noch gewisse künstlerische Freiheiten beim Porträtieren des “Bösen hinter den Kulissen”.

Gestaltwandler Bale

Reden wir mal über Christian Bale, der wieder die perfekte Rolle für sich gefunden hat. Wie schon zuvor liebt es Bale in Rollen zu schlüpfen – bzw. anzufressen. Und auch für diese Rolle hat er ordentlich zugenommen. Die Gewichtszunahme wird über die Spielzeit des Films dokumentiert: Sein Körper verändert sich mit seinen Taten ins Negative. Neben den physischen Anstrengungen überzeugt Bale als Strippenzieher Cheney auf ganzer Linie. Stets ruhig und bedacht spricht er als Cheney in einem fast schon Flüsterton und schafft es durch seine Pausen zwischen den Sätzen den ganzen Raum mit Spannung zu erfüllen. Es ist ein genialer Widerspruch, wenn Bale es schafft, Cheney menschlich wirken zu lassen, während dieser unmenschliche Entscheidungen trifft. Tatsächlich wirkt Cheney die erste Hälfte des Films über fast schon sympathisch. Das muss man erstmal hinkriegen.

Menschen oder Karikaturen

Obwohl Satiren überzogene Charaktere zulassen, so muss man sich fragen, wann der Bogen überspannt wird. In Vice geht die Qualität der Charaktere auseinander. So überzeugt beispielsweise Amy Adams als Cheneys Frau Lynne am Anfang noch als eine Lady Macbeth-Figur, die sich dann als ebenso fähige Antriebskraft für Cheneys Machtanstieg durchsetzt. Zwar überzogen, aber dennoch markant dargestellt ist Donald Rumsfeld, hervorragend gespielt von Steve Carell. Dieser schafft es, Rumsfelds widersprüchlich verschlagene Seite darzustellen – einerseits witzereißend und gesellig, andererseits manipulativ und gewissenlos. Fast schon wie eine böse Version von Michael Scott aus The Office.

Bei anderen Persönlichkeiten hingegen konnte es McKay einfach nicht lassen. Wir wissen alle, wer gemeint ist: George W. Bush. Wie so gerne in Parodien dargestellt wird er als naiver und leichtsinniger Dummschwätzer präsentiert, der mit aller Kraft seinen Vater beeindrucken will – auch, wenn er dafür Cheney die Macht auf dem Silbertablett serviert muss.

Auch wenn Bush fast genauso kontrovers ist wie sein Vize, so hätte man sich doch eine etwas ausgewogenere Auseinandersetzung gewünscht. Bush als eindimensionalen Idioten darzustellen ist zu einfach und verharmlost zudem seine Beteiligung an der Politik während seiner Präsidentschaft.

Cheney als Superschurke

Um Cheneys Einfluss folgen zu können, erfordert es schon eine besondere Erzählweise. Dafür hat McKay gesorgt. Diese gesamte Geschichte wird von einem mysteriösen Erzähler namens Kurt (Jesse Plemons, Black Mirror) begleitet, dessen Rolle und Tragweite erst am Ende ersichtlich wird. Durch seine subjektive Erzählweise schafft er es, dem Film eine einzigartige und nichtlineare Dynamik zu verleihen. Die freie Narrative ermöglicht eine stilsichere Darstellung, die auch nicht vor Surrealität zurückweicht. So überrascht es nicht, wenn Cheney mit dem Weltenzerstörer Galaktus aus den Marvel Comics verglichen wird, oder er und seine Frau bei einer Absprache im Bett plötzlich in einen dramatischen Shakespeare-Dialog verfallen.

Neben diesen Szenen gehört vor allem der Schnitt zu den markantesten Elementen des Filmes. Die Szenen springen hin und her, sind allerdings immer dort, wo sie im Moment sein müssen. Gerade noch hat Cheney mit seinen Kollegen in einem tristen Büro scheinbar nebenbei eine Entscheidung getroffen, schon erfolgt ein Schnitt und es werden die Ausmaße dieser Entscheidung ersichtlich. Es erfolgt eine Dissonanz, die ihre Wirkung zeigt. Durch die Geschwindigkeit und durch die Willkür der getroffenen Entscheidungen wird die Entwicklung der korrupten Machtergreifung sichtbar dargestellt.

Dennoch funktioniert das nicht immer reibungslos…

Zu viel des Bösen?

McKay hat eine Menge Recherche betrieben und diese klar im Film thematisiert. Alles ist drin: Ob es nun Cheneys Aktionen im Irakkrieg sind, oder sein berüchtigter “Jagdunfall”, vergessen wird nichts. Nachdem Cheney sich eine relativ hohe Stellung erarbeitet hat, wird der Zuschauer mit allen Fakten bombardiert, die Cheney zu verantworten hat. Und nach dem 11. September geht es erst richtig los: Betrug, Manipulation, Irreführung, Umgehung der Gesetzeslagen, was auch immer. Hierbei verzichtet McKay gezielt auf eine fokussierte Erzählweise, denn sein Ziel ist es, die Schandtaten in so einem Tempo aufzulisten, dass der Zuschauer gar nicht mehr mitkommt und das Böse zur Normalität wird.

Was ein intendiertes Stilmittel sein mag, schlägt sich jedoch negativ auf das Storytelling aus. Für den Zuschauer fühlt es sich an wie eine Aufzählung von Fakten, statt einem verständlichen Vorgehen. Das erschwert die objektive Auseinandersetzung und hat schlussendlich zur Folge, dass Dick Cheney fast schon wie ein Superschurke wirkt, der für alle Ereignisse ausschließlich selbst verantwortlich ist. Es wäre besser gewesen, wenn man auf einige seiner Entscheidungen stärker eingegangen wäre und sie besser erklärt hätte. Im besten Fall kann der Informationsüberfluss leicht ablenkend wirken, im schlimmsten Fall wirkt die Botschaft halbherzig und leicht vergesslich. Man merkt, dass McKay gelegentlich Probleme hat, objektiv zu bleiben. (#AfterCreditScene)

Fazit

7.8/10
Gut
Community-Rating:
Handlung 6.5/10
Spannung 8/10
Schauspieler 9/10
Visuelle Umsetzung 8.5/10
Humor 7/10
Details:
Regisseur: Adam McKay,
FSK: 12 Filmlänge: 134 Min.
Besetzung: Alison Pill, Amy Adams, Christian Bale, Jesse Plemons, Lily Rabe, Sam Rockwell, Steve Carell, Tyler Perry,

Vice – der zweite Mann ist zurecht einer der kontroversesten Oscar-Kandidaten der letzten Zeit. McKays unapologetische Darstellung ist gezielt provokativ und das nicht nur für Konservative. Gerne springt er ins visuell Extreme und überhäuft den Zuschauer mit politischen Intrigen, während er Cheney eine fast schon gottgleiche Machtstellung zuschreibt. McKay ist eindeutig parteiisch. Dennoch ist der Film erstaunlich mutig, sowohl in seiner ambivalenten Aussage als auch in seinen ungewöhnlichen Stilmitteln, mit denen er nicht davor abschreckt, auch mal ins Absurde abzudriften. Der Film spaltet gezielt, wie damals die Nation gespalten wurde. Auch wenn der Film nicht immer den gewünschten Effekt beim Zuschauer hervorruft, rechtfertigen vor allem Bales geniale Darstellung und der virtuose Schnitt die Nominierungen bei den Oscars.

Artikel vom 23. Februar 2019

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