7.9/10

Kritik: Wind River

EINSAME STILLE IM SCHNEE

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Genres: Krimi, Mystery, Thriller, Startdatum: 08.02.2018

Interessante Fakten für…

  • Bei der Filmpremiere in Cannes wurde Wind River mit einer achtminütigen Standing Ovation geehrt.
  • Der Film basiert lose auf wahren Begebenheiten.
  • Mit Wind River schließt Regisseur und Drehbuchautor Taylor Sheridan seine thematische American-Frontier-Trilogie, weiter bestehend aus Sicario und Hell or High Water, ab.

Es wird kalt: Mit ‘Wind River’ liefert Taylor Sheridan einen Mystery-Thriller, der so eisig und still ist wie Schneewehen im Tiefwinter. Wer von ‘Schneemann’ enttäuscht wurde, bekommt hier sein Geld zurück. Doch was man von ‘Wind River’ erwarten und nicht erwarten sollte, erfahrt ihr in der Bewertung und Kritik.

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#PotterUltra #SchwerMetaller #Storyteller

Darum geht’s

Cory Lambert (Jeremy Renner) ist ein Jäger des Indianerreservats „Wind River“ im verschneiten Wyoming. Als Cory gerade eine Berglöwen-Fährte verfolgt, entdeckt er die Leiche der 18 jährigen Natalie (Kelsey Asbille), die Tochter eines indigenen Freundes, alleine im Schnee. Sie ist barfuß, sechs Meilen von jeder Zivilisation entfernt und ihre Lungen sind geplatzt. Was ist hier passiert? Cory identifiziert sich schnell mit dem Fall, da seine eigene Tochter ebenfalls aus mysteriösen Gründen in der Kälte starb.

FBI-Agentin Jane Banner (Elizabeth Olsen) kommt extra aus Texas, um sich der Aufklärung des vermutlichen Mordes zu widmen. Doch irgendwie scheint jede Partei überfordert zu sein: Jane ist es in Wyoming definitiv zu kalt und die Stammespolizei widmet dem Fall so viel Motivation, wie ein Teenager seinen Mathehausaufgaben. Nur Corey scheint die richtige Fährte gefunden zu haben…

Erfrischendes Setting

Thriller an einsamen Orten sind nicht neu. Dennoch fühlt sich das Setting in Wind River unvertraut und unverbraucht an. Am ehesten erinnert die trostlose Atmosphäre an Christopher Nolans Thriller Insomnia, der Alaska in seiner ganzen Pracht präsentiert. Auch in Wyoming dämpft der Schnee jegliche Hektik und bringt eine schon beinahe unangenehme Ruhe in die Szenerie, die jederzeit zu explodieren droht

Zwar erreicht die Atmosphäre nicht den beinharten Tiefkühlfrost eines The Revenant, der einem selbst im beheizten Kinosaal Atemwolken ausstoßen lässt, doch die Kälte und die Einsamkeit fühlen sich sehr authentisch an. Visuelle Spielereien braucht man dabei nicht erwarten. Die Kamera ist fokussiert und kühl, beinahe schon eingefroren. Nur in zwischenmenschlichen Szenen scheint der Kameramann aufzutauen und bedient sich einer dezenten Shaky Cam, die in manchen Momenten etwas zu belanglos erscheint. Um großartige Bilder geht es aber auch nicht. Außer ein paar tolle Helikopteraufnahmen einer Autokolonne von Polizisten, die durch den ewigen Schnee fahren (erinnert sehr an Sicario, der ebenfalls aus der Feder von Taylor Sheridan stammt), gibt es nicht viel für’s Auge. Wind River konzentriert sich vor allem auf seine Charaktere – beziehungsweise auf seinen Jeremy Renner.

Elizabeth Olson und Jeremy Renner gehen auf Mörderjagd im einsamen “Wind River”-Indianerreservat.

Elizabeth Olson und Jeremy Renner stehen in einem schneebedeckten Wald in einem Szenenbild für Kritik Wind River

Renner in seiner Komfortzone

Doch warum sollte man Experimente wagen? Die Rolle des schusssicheren Jägers mit Hang zur Selbstjustiz passt dem beinahe 50 jährigen Schauspieler wie angegossen. Man könnte Hawkeye aus den Avengers-Filmen einfach freistellen, ihm eine Sniper statt seinen Bogen in die Hand drücken und in ein kaltes Schnee-Setting einfügen. Umso passender, dass er Captain Americas Seite in Civil War gewählt hat. Auch in Wind River lässt sich Jeremy Renner nicht von der Staatsgewalt kontrollieren.

Eine rein funktionelle Rolle hat Elizabeth Olsen. Die FBI-Agentin bekommt keine Hintergrundgeschichte und keine Charaktermotivationen, sie macht einfach nur ihren Job. Das ist weitgehend okay, schließlich ist eine Renner-One-Man-Show interessant genug. Immerhin scheint jemand die Chemie zwischen Renner und Olsen in den Avengers-Filmen entdeckt zu haben – zusammen funktionieren die beiden nämlich richtig gut.

Doch noch viel besser als diese angedeutete Romanze ist die Bromance zwischen Renner und Gil Birmingham, der den gebrochenen Vater der verstorbenen Natalie spielt. Ein sehr emotionaler Dialog über den Tod ihre beiden Töchter macht interessante Aussagen über das Trauern und ist der emotionale Gipfel des Films.

Ein heimliche Favorit ist Graham Greene als lethargischer Polizist Ben, dem einfach alles völlig egal ist und immer wieder einen staubtrockenen Kommentar ablässt, der die drückende Atmosphäre erleichtert. Neben diesem zynischen Beamten-Klischee ist auch Jon Bernthal (The Punisher, The Walking Dead) ein kurzer Auftritt vergönnt, von dem man aber nicht zu viel erwarten sollte.

Der Nervenkitzel lässt auf sich warten

Regisseur Taylor Sheridan, der auch schon das Drehbuch zu Hell or High Water schrieb und in Sons of Anarchy als Polizist Hale zu sehen ist, entschied sich für einen sehr langsamen Ersten Akt. Der Film stapft behutsam vor sich hin, als wolle er das Eis nicht zu früh brechen und versucht erst gar nicht, unser Interesse mit eingeworfenen Spannungsschüben zu erkaufen. Tatsächlich wird die erste Hälfte von Wind River allein von Jeremy Renners subtiler Performance getragen. Langweilig ist das nicht, doch man sollte auf dieses langsame Tempo vorbereitet sein.

Die Einführung ist zu lang, das Ende zu schnell und ein Mittelteil ist praktisch nicht vorhanden. Statt sich langsam hochschraubender Suspense lässt Sheridan Szenen aus dem Nichts eskalieren.

Diese Wachrüttler tun dem Film unglaublich gut. Sie zeigen faszinierend, wie schnell sich aus normalen Situationen echte Katastrophen entwickeln können. Doch da der Film erst nach einer gefühlten Stunde Nervenkitzel liefert, die gesamte Laufzeit jedoch nur 110 Minuten beträgt, fühlt sich der Spannungsbogen in Wind River etwas unvollständig an.

Eine wichtige Message

Wie so oft bei „leisen“ Filmen, ist die Moral der wichtigste Faktor. Tatsächlich beruht die Geschichte in Wind River auf wahren Begebenheiten. Taylor Sheridan zeigt, wie hilflos Staat und Gesetz in den entlegensten Winkeln der USA sein können. Tatsächlich ist der Fall um das tote Mädchen im Eis auf Selbstjustiz angewiesen, da die unterbesetzte Polizei überhaupt nicht den Anspruch erhebt, Verbrechen überhaupt aufzuklären.

Das Indianerreservat in Wyoming ist ein so entlegener und einsamer Ort, dass er das Leben für viele unerträglich macht. Das Verbrechen gedeiht auf dem Boden einer perspektivenlosen Gesellschaft – dass über die Hälfte der Einwohner indigener Abstammung sind, trägt dazu bei. Wyoming scheint wortwörtlich ein gottverlassener Ort zu sein, der Amerikas Zivilisation einfach verpasst hat. Außer Alkohol und Drogen bleibt vor allem den Jugendlichen nicht viel Lebensqualität.

Fazit

7.9/10
Gut
Community-Rating:
Handlung 7.5/10
Spannung 8/10
Schauspieler 8.5/10
Emotionen 7.5/10
Visuelle Umsetzung 8/10
Details:
Regisseur: Taylor Sheridan,
FSK: 16 Filmlänge: 107 Min.
Besetzung: Elizabeth Olsen, Gil Birmingham, Graham Greene, Jeremy Renner, Jon Bernthal, Kelsey Asbille,

‘Wind River’ ist ein moderner Western, getarnt als Mystery-Thriller

Taylor Sheridan hat ein Fable für Neo-Western und Selbstjustiz, das hat er mit Hell or High Water bewiesen, welcher ebenfalls die Schattenseiten des amerikanischen Rechts- und Sozialsystems beleuchtet. Darüber hinaus ist Wind Riverein leiser Thriller, der statt durchgehender Spannung immer wieder heftige Schübe purer Eskalation einsetzt, um den Zuschauer zu packen. Jeremy Renner ist so solide wie eh und je und trägt den Film ohne viel Mithilfe. Wind Riverkommt nicht an große Mystery-Wohltaten wie Gone Girl oder Verblendung ran, ist aber definitiv zwei Klassen raffinierter als der durchschnittliche Who-Dun-It-Streifen. Doch Achtung: Nach diesem Film überlegt ihr es euch zwei Mal, im kalten Winter joggen zu gehen.

Artikel vom 20. Februar 2018

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