8.7/10

Kritik: The Nice Guys

EIN NEUER KULTFILM – WÄRE DA NICHT DIESE EINE SACHE

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Genres: Action, Komödie, Krimi, Startdatum: 02.06.2016

Interessante Fakten für…

  • Ursprünglich sollte ‘The Nice Guys’ kein Film, sondern eine Serie werden.
  • Russel Crowe wünscht sich einen zweiten Teil des Films, weil er seine Figur Jackson Healy so gerne gespielt hat.

In der Action-Komödie ‘The Nice Guys’ machen sich Russell Crowe und Ryan Gosling auf die Suche nach einem vermissten Pornostar. Was sie finden, ist jedoch eine ausgewachsene Verschwörung. Wer Russell Crowe, Ryan Gosling, die Pornobranche, barbüsige Badenixen und das Los Angeles der Siebziger in einen Film packen kann, der kann eigentlich gar nicht mehr viel falsch machen. Tatsächlich hat die Komödie von Regisseur Shane Black das Zeug zu Großem. Wenn da nur nicht diese eine Sache wäre… 

#storysüchtig #strangerthings #schwarztee

Darum geht’s

Jackson Healy (Russell Crowe) mag ein abgehalfterter Schläger sein, doch beim Geld nimmt er es genau: Im Briefumschlag ist zu wenig. Seine Auftraggeberin Amelia (Margaret Qualley), die Healy vor einem vermeintlichen Stalker beschützen soll, muss nachlegen. 7 Dollar später macht sich der sympathische Schläger Healy auf den Weg zu seinem Auftrag.

Sein Ziel ist der glücklose Privatdetektiv Holland March (Ryan Gosling), der die Tür seines Bungalows lieber nicht hätte öffnen sollen. Die Faust Healys streckt ihn nieder. March winselt. Healy macht unmissverständlich klar, dass der March, Healys Auftragsgeberin Amelia, in Ruhe lassen solle. Im Vokabular Jackson Healys steht unter dem Eintrag „unmissverständlich“ kein Wort sondern eine Tat: „Spiralfraktur“. Armbruch.

Kurz nach ihrem ersten Treffen müssen die beiden feststellen, dass sich hinter Amelia jedoch mehr verbirgt, als gedacht. Trotz gebrochenen Armes werden die beiden kurzerhand Best Buddies und machen sich zusammen auf die Suche nach der urplötzlich verschollenen Amelia. Die eigentlich Frage ist jedoch, was hat das nette Mädchen mit der Sex-Film-Branche Hollywoods zu tun?

Einfallsreich: Regisseur Shane Black 

Regisseur Shane Black, der mit The Nice Guys erst das dritte Mal (zuerst Kiss Kiss, Bang Bang dann Iron Man 3) im Regiestuhl sitzt, macht fast alles richtig. Seine Schauspieler führt er mit einer Präzision, die man in vielen Hollywood-Filmen dieser Tage vermisst. Seine Inszenierung ist voller Einfallsreichtum, Easter Eggs und einem verrückten Cameo-Auftritt des Studios Misty Mountains*, das den Film produzierte. Die ermordete Porno-Queen, die Healey und March unteranderem suchen, hat nämlich keinen unwahrscheinlicheren Namen als „Misty Mountain“. Ich wette, da handelt es sich entweder um einen deftigen Inside-Joke Hollywoods oder das Autoren-Team hat schlichtweg eine Wette verloren.

Auf was ihr wetten könnt ist, dass The Nice Guys Atmosphäre pur hat. Szenenbild, Kostüm und Maske katapultieren in eine Zeit, in der pastellfarbene Hawaii-Hemden und billig schimmernde Polyester-Anzüge noch cool waren. In den Nachtszenen spürt man förmlich das schwül-warme Klima der Westküstenstadt durch den Kinosaal wabern. Am Tag scheint die Sonne; Palmen spenden den Boulevards Schatten.

*(Ja, die haben sich echt nach den Nebelbergen in der Hobbit benannt. Verrückt.)

Russell Crowe ist schlagkräftig

Im Schatten der Stadt tummelt sich jedoch das Laster. Die Pornobranche boomt und wagt es, sich aus ihrem Schattendasein ins Scheinwerferlicht der Filmstadt zu schlafen. Los Angeles der 70er ist ein Sündenpfuhl.

Auch Jack Healy ist auf den ersten Blick alles andere als ein Messdiener. Im Laufe der Geschichte fragt ihn Holly March (Angourie Rice), die Tochter von Holland March, den Auftragsschläger ob er ein guter Mensch sei. Was soll er darauf antworten? Er weiß es nicht. Zwar verbirgt sich im Kern des schmuddeligen Healy ein gutes Herz, dennoch tut er, was er eben tut: Jack Healy verprügelt Leute. Für Geld.

Russell Crowe, der durch aufrichtige und grundsympathische Rollen (Gladiator, Master and Commander, A Beautiful Mind) zum Star wurde, scheint in den letzten Jahren Gefallen an weniger geleckten Rollen gefunden zu haben (z.B.: als Cop in American Gangster). In der Tat verzichtet der Star-Schauspieler, in The Nice Guys nahezu gänzlich auf sein Markenzeichen. Das charmante Schmunzeln das, gepaart mit einem neckischen Leuchten der Augen, noch jeden in den Bann zog, lässt Crowe in diesem Film gänzlich weg. Überhaupt wirkt er verändert, was nicht nur an der 70er-Garderobe oder seiner neuen Leibesfülle liegt. Viel mehr scheint es ihm sichtlich Spaß zu machen den Fiesling zu spielen und seiner Faust, die in einen goldenen Schlagring, mündet ein weiteres Argument zu verleihen.

Ryan Gosling kann auch anders

Und dann ist da Ryan Gosling. Wann hat der Kerl jemals schlecht gespielt? Ich weiß es nicht. Was ich jedoch weiß ist, dass der blonde Frauenschwarm, der in den letzten Jahren vor allem durch seine geniale Darstellung introvertierter und schweigsamer Rollen (Drive, A Place Beyond the Pines, Only God Forgives) auffiel, sich mit The Nice Guys neu erfindet. Eine Entwicklung, die sich schon in The Big Short abzeichnete, jetzt aber einschlägt wie eine Bombe.

Seine Darbietung des glücklosen Privatdetektivs Holland March pendelt kontinuierlich von einem Extrem zum anderen. Mal macht er auf dicke Hose, mal klammert er sich winselnd vor Angst ans Hosenbein seines Buddies. Mit seiner Figur gelingt Ryan Gosling, was nur wenige vollbringen können: Er vereint in einem Atemzug Witz und Drama, ohne das seine Darstellung überdreht, noch dass sie pathetisch wirkt. Um bei der Analogie des Pendels zu bleiben: Er reizt seinen Freiraum voll aus, übertreibt jedoch nicht und ist zugleich kein Mittelmaß. Seine Darstellung ist stets in Bewegung. Was Ryan Gosling vollbringt, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Der Mann ist ein Genie.

Angourie Rice ist die beste Jungdarstellerin seit Langem

Genial ist aber auch Angourie Rice. Die Jungschauspielerin, die Holly March, die rund 10-jährige Tochter des alleinerziehenden Vaters Holland March, spielt, verblüfft. Ihr gelingt es, ihrer Rolle soviel Selbstbewusstsein und Präsenz zu verleihen, dass sie neben dem Weltklasse-Cast nicht untergeht. Es ist sogar so, dass ihre Rolle, oft den Ton angibt und das meist hoffnungslose fehlgeleitete Detektiv-Duo auf die richtige Spur setzt. Das gibt es nicht oft, dass ein Jungdarsteller, mithält und gleichzeitig sich nicht nervig in den Vordergrund spielt. Statt den Film zu stören oder „softer“ zu machen, ist Angourie Rice das i-Tüpfelchen eines genialen Casts. Damit kommt sie Natalie Portman im Klassiker Léon, der Profi nahe und kann mit dem famosen Jacob Tremblay aus Room mithalten.

So geht Komödie

The Nice Guys ist vor allem eine Komödie. Während viele Filme mit dem Prädikat Comedy einen anstrengenden Wortwitz an den Nächsten reihen, oder sich flacher Witze aus anderen Medien schamlos bedienen, ist The Nice Guys genau das, was eine Komödie sein sollte: intelligent, direkt, ungestellt und – logisch – witzig. Beim Lesen des Drehbuchs, das Regisseur Shane Black zusammen mit Anthony Bagarozzi geschrieben hat, gibt es sicher nur halb so viel zu lachen wie beim finalen Streifen. Denn der Kern des Humors dieses Ausnahmefilms liegt in der Situationskomik zwischen den beiden Hauptcharakteren. 

Russell Crowe und Ryan Gosling passen zusammen wie Pech und Schwefel. In ihren Szenen, spielen sie sich die Bälle gegenseitig zu und halten das Niveau hoch. Die Leidenschaft, die sie in ihre Dialoge legen, wird nur noch von der großartigen Situationskomik ihres Schlagabtauschs übertroffen.

Wenn da nicht diese eine Sache wäre… 

Wer den Kürzeren beim Schlagabtausch der Protagonisten zieht, ist die Handlung. Russell Crowe, Ryan Gosling, Angourie Rice und Co. ziehen so sehr in ihren Bann, dass sie der Action-Komödie, die ohne hinreichende Erklärung beginnt, keine Luft zum Atmen lassen. Das darf nicht sein.

Denn die Quintessenz des Genres Film-Noir ist eine fesselnde Handlung wie das zum Beispiel beim Neo-Noir-Streifen L.A. Confidential der Fall ist. Auf den ersten Blick könnte man sogar meinen, dass die beiden Filme einiges gemein haben. Wie im Klassiker von 1997 spielt auch Kim Basinger in Shane Blacks Film eine Rolle, hinterlässt jedoch keinen bleibenden Eindruck. Auch die Tatsache, dass beide Filme in L.A. spielen hat wenig zu sagen. Stattdessen übertrifft die sich nach und nach auflösende Handlung von L.A. Confidential The Nice Guys bei Weitem.

Zwar gibt auch Shane Blacks Film nach und nach seine Geheimnisse preis, doch wirken die einzelnen Stationen der Story willkürlich und wirr. Sie entstehen nicht aus der Handlung heraus oder durch die Kraft der Charaktere und werden stattdessen vornehmlich von außen gesteuert, was den Hauptfiguren das Momentum stiehlt und in einem enttäuschend einfallslosen Ende mündet, das auch dem Fehlen starker Antagonisten (Matt Bomer und Beau Knapp können nicht überzeugen), geschuldet ist.

Schade um einen Film, der ein wahres Meisterwerk hätte werden können. Die Hochzeit zwischen Buddy-Movie und Film-Noir ist ein guter Einfall, doch muss Shane Black noch ein wenig weiter experimentieren, damit sein neugeschaffenes Genre „Buddy-Noir“ nicht die Scheidung einreicht.

Fazit

8.7/10
Sehr Gut
Community-Rating:
Handlung 7/10
Schauspiel 9.5/10
Humor 9.5/10
Visuelle Umsetzung 8.5/10
Dialoge 9/10
Details:
Regisseur: Shane Black,
FSK: 16 Filmlänge: 116 Min.
Besetzung: Angourie Rice, Kim Basinger, Margaret Qualley, Matt Bomer, Russell Crowe, Ryan Gosling, Yaya DaCosta,

Mit The Nice Guys präsentiert sich Drehbuchautor und Regisseur Shane Black als Meister des Buddy-Movies. Die Kombi mit dem Genre Film-Noir gelingt ihm jedoch nicht vollends. Er schafft es stattdessen, die Action-Komödie auf intelligente Art und Weise äußerst witzig und hochunterhaltend zu gestalten, ohne dass die Geschichte dabei ins klamaukige abrutscht. Neben dem grandiosen Duo Russell Crowe und Ryan Gosling, lebt der Film davon, dass Black Klischees, Übertreibungen und altbekannte Stilmittel durch erfrischend kreative Einfälle anzureichern weiß, sodass eine Film entsteht, der eine klare Handschrift aufweist, und genüsslich unterhält.

Artikel vom 4. Juni 2016

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