Kritik: X-Men: Apocalypse
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Die X-Men-Reihe ist ganz schön durcheinander. Bis auf die ganz hartgesottenen Fans blicken nur wenige in der Verwirrung aus Prequels, Sequels, Spin-Offs und Parallelgeschichten durch. Aber das ist ja auch nicht so wichtig. X-Men: Apocalypse lässt uns schnell wissen, in welcher Zeit wir uns befinden – und zwar mit Jeansjacken, Ghettoblastern und Haarspray.
Während in X-Men: Erste Entscheidung der Geist der 70er überhaupt nicht eingefangen wurde, gelingt X-Men: Apocalypse die Darstellung seines Jahrzehnts ziemlich gut. Schon gleich zu Beginn bekommen wir das dunkle Ost-Berlin zu sehen. Hier holt die Gestaltwandlerin Raven (Jennifer Lawrence, Tribute von Panem) den ersten Mutanten-Neuzugang ab, den schüchternen Kurt Wagner aka „Nightcrawler“ (Kodi Smit-McPhee). Er soll auf die Schule von Charles Xavier (James McAvoy) gebracht werden.
„Professor Xaviers Schule für junge Begabte“ hat mittlerweile Kultstatus. Wir treffen auch wieder auf bekannte Gesichter – mehr oder weniger. Sophie Turner (bekannt als Sansa Stark aus Game of Thrones) spielt die junge Jean Grey und Tye Sheridan den jungen Scott Summers aka „Cyclops“. Das Casting ist gelungen – beide sehen ihrem „älteren Ich“ äußerst ähnlich.
Während sich die meisten Mutanten in den sonnigen USA ein schönes Leben machen, verbringt Erik Lehnsherr aka „Magneto“ (Michael Fassbender) seine Zeit lieber im tristen Polen. Denn Hollywood lehrt uns: Alles östlich von Paris hat nie gutes Wetter. Dazu arbeitet der mächtige Mutant noch in der dreckigsten Stahlfabrik, die man sich vorstellen kann. Alles nur um ein „normales“ Leben zu führen. Magneto. Stahlfabrik. Verstanden?
Im Gegensatz zu allen anderen X-Men-Filmen, hat X-Men:Apocalypse einen mystischen Touch. Der namengebende Bösewicht (Oscar Isaac, Star Wars) kommt nämlich aus dem Alten Ägypten und ist somit uralt. Im Laufe der Jahrtausende konnte er sich viele Fähigkeiten von anderen Mutanten „zu eigen“ machen und somit immer mächtiger werden. Die letzte Zeit verbrachte er allerdings mit schlafen.
Eine Sekte will den Bösewicht En Sabah Nur jedoch aufwecken. CIA Agentin Moira (Rose Byrne) bekommt davon Wind – und somit auch ihr heimlicher „Stalker“ Charles Xavier, der schon länger eine Schwäche für die schöne Geheimagentin hat. Er stellt fest: Die Rückkehr von Apocalypse ist eine Bedrohung für die ganze Welt, wie man sie noch nie gesehen hat. Denn Apocalypse will – Überraschung! – die Menschheit vernichten.
Die größte Schwäche aller X-Men-Filme der neuen Generation sind ihre Bösewichte. Nach einem mittelmäßigen Kevin Bacon und einem langweiligen Peter Dinklage (Tyrion Lennister in Game of Thrones), kommt nun ein pathetischer Oscar Isaac. Er ist praktisch eine 1:1-Kopie von Ronan aus Guardians of the Galaxy und schon der war eine traurige Gestalt unter den Marvel-Schurken. Da sich das X-Men-Franchise jedoch viel ernster nimmt als jede andere aktuelle Comicfilm-Reihe, stößt Apocalypse als Gegenspieler noch viel mieser auf. Er lungert mit Kapuze und Imperator-Blick in der Gegend rum und gibt, wie eine Aufziehpuppe, immer wieder die üblichen bösen Kommentare von sich. „Die Welt muss neu erbaut werden.“ „Ich wurde auserwählt.“ „Die Menschheit muss vernichtet werden.“ und so weiter und so fort. Dafür, dass die X-Men-Reihe so ambitioniert und einfallsreich ist, sind ihre Antagonisten verboten langweilig.
Ein Lob an Bryan Singer: Er sorgt sich um seine Charaktere. Auch wenn einige X-Men wie Raven und Beast (Nicholas Hoult) hier etwas zu kantenlos erscheinen, schließt man sie schnell ins Herz. James McAvoy als Professor X bekommt jedoch die meisten Sympathiepunkte. Coole Sprüche und große Weisheit – das verträgt sich wie Pech und Schwefel. So einen Lehrer hätten wir wohl alle gerne gehabt.
Die emotionalsten Szenen gehören natürlich wieder einmal Michael Fassbender als Magneto. Dieses mal geht’s aber ein bisschen zu weit. Auch wenn uns der Film so eindringlich wie möglich erklären will, warum Magneto eine böse Wut in sich hat, sind seine mehrfachen Seitenwechsel mittlerweile nicht mehr nachvollziehbar und beinahe schon dämlich. Eine tragische Szene im polnischen Wald gibt Magnetos Handlung zwar den gewollten Dramatik-Boost, dieser wird aber bis zum Ende hin zu sehr ausgeschlachtet. Die Folge: Trotz der harten Schicksalsschläge im Leben des Erik Lehnsherr, wirkt er dadurch gelegentlich wie ein beleidigtes Kind. Etwas mehr Subtilität hätte seiner Geschichte gut getan.
Auch wenn es X-Men: Apocalypse im Großen und Ganzen schafft, den Charakteren Gefühle zu verleihen, schießt er oft über sein Ziel hinaus. Wie viele „single tears“ sollen denn noch dramatisch aus dem Auge kullern? CGI-Tränen sind leider nicht emotional. (Daraus lässt sich übrigens ein gutes Trinkspiel machen. Bei jeder Träne in X-Men: Apocalypse ein Shot.)
Was dem neusten X-Men-Film um einiges besser gelingt, sind dramatische Szenen abseits der Gefühlswelten. Ein spannungsgeladener Part im Cerebro liefert den willkommenen Wachrüttler zur Halbzeit.
Bryan Singers Hingabe lodert in jeder Filmsekunde. Für ihn ist ein spaßige Comic-Party nicht genug, denn sein Film soll ein Statement zur aktuellen Gesellschaft machen. Trotz vieler “gewollten” Emotionen wirkt X-Men: Apocalypse also dennoch groß und ambitioniert. Heutzutage reicht es nun einmal nicht mehr aus, eine einfache Origin-Story über irgend einen tief vergrabenen Comic-Charakter zu verfilmen: Comic-Verfilmung brauchen Charakter und Alleinstellungsmerkmale. Das hat Apocalypse definitiv.
Im Gegensatz zum etwas hohlen Batman v Superman: Dawn of Justice, steckt dieser Mammut-Comicfilm mal wieder voller ideen, Eastereggs und nerdiger Fan-Fantasien. Ab der ersten Filmminute werden wir mit den kreativen Ideen der Drehbuchautoren bombardiert. Mystische Elemente aus Ägypten werden mit verrückten Mutantenfähigkeiten kombiniert, die auf noch verrücktere Weisen eingesetzt werden. Das sorgt in die ersten zwei Dritteln des Films für starke Unterhaltung – bevor der Showdown die nicht existenten Regeln des X-Men-Universums ziemlich schamlos ausnutzt.
Nach X-Men: Zukunft ist Vergangenheit standen zwei Dinge für jeden fest: Erstens, Pietro Maximoff aka “Quicksilver”(Evan Peters) ist der lässigste Mutant. Zweitens, Quicksilver hatte viel zu wenig Screentime. Bekommt er in Apocalypse die Anererkennung, die er verdient? Schließlich war die Zeitlupensequenz aus dem Vorgängerfilm das klare Highlight. Es überrascht also kaum, dass der schnelle Schludrian auch dieses Mal für die beste Szene des Films sorgt. Ohne zu viel zu verraten: Es gibt wieder nur eine einzige Zeitlupe zu sehen. Diese übersteigt jedoch die Vorstellungskraft jedes Tagträumers und ist noch bombastischer als Quicksilvers erster Auftritt. Untermalt mit Sweat Dreams von Eurhytmics, bekommen wir eine zwei Minuten lange, geballte Ladung an visueller Fantasie. Einfach klasse!
Leider ist nicht jede Actionszene in X-Men: Apocalypse so einfallsreich. Es scheint mehr so, als würde man versuchen den Ausgang von Ideen mit Effekthascherei zu überschatten. Der Showdown ist lediglich pseudo-spektakulärer Krach. Wenn mehrere Superhelden mit unterschiedlichen Fähigkeiten miteinander und gegeneinander kämpfen, dann sind Spaß und Dynamik extrem wichtig. Wie das funktionieren kann, zeigen die Avengers-Filme wunderbar. Ganz besonders The First Avenger: Civil War. Anders bei den X-Men-Filmen. Die Action ist statisch und einfallslos. Anstatt richtig zu kämpfen, beschießen sich die Mutanten ständig mit irgendwelchen kinetischen Energieblitzen. Das erinnert stark an Anime-Exzesse, wie zum Beispiel aus Dragon Ball Z –fehlt nur noch, dass dazu “Kamehamehaaaa” geschrien wird.
Die Fähigkeiten der Mutanten wirken mittlerweile wie Magie. Man macht sich gar nicht mehr die Mühe, sie zu erklären – ganz im Gegensatz zu den Fähigkeiten der Avengers-Helden. Es sind eben “genetische Mutationen”. Diese werden in X-Men: Apocalypse jedoch so abgedreht, dass die Filmreihe jeglichen Bezug zur Realität verliert. Natürlich wollen einige Marvel-Filme genau das erreichen. In den X-Men-Filmen werden jedoch zu viele “echte” Themen, wie Politik, atomare Aufrüstung, Krieg und sogar Holocaust mit bitterem Realismus aufgegriffen, dass die “Magie” einfach unangenehm kindisch wirkt. Darf man jetzt Spaß haben oder nicht?
Mal ist die Action meisterhaft, mal langweilig. Die Emotionen sind mal herzzerreißend, mal pathetisch. X-Men: Apocalypse fehlt die führende Hand des Vorgängers X-Men: Zukunft ist Vergangenheit. Während dieser ein kompaktes und in sich perfektes Comic-Spektakel war, ufert Apocalpyse aufgrund seiner Ambition aus. Er will zu viel. Einiges schafft Bryan Singer, einiges auch nicht. Der Film sieht super aus und bringt viele sympathische Charaktere unter einen Hut. Auf der anderen Seite ist der Film nicht so intelligent und emotional, wie es sich Singer eventuell gewünscht hätte. Trotzdem: Es passiert einfach zu viel, als das man sich im Kino auch nur eine Sekunde langweilen könnte. X-Men: Apocalypse ist bei weitem nicht der schwächste Film der Reihe – der genialste aber leider auch nicht.
Artikel vom 20. Mai 2016
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